Kolumne Apropos In der Welt von „Pearl.TV“

Jetzt naht ja die Zeit, in der das Wetter tendenziell ungemütlicher wird und die Tage spürbar kürzer werden. Vielleicht ist Ihnen irgendwann einmal in den nächsten, dunklen Wochen und Monaten etwas Muße gegönnt.

Kolumne Apropos von Christian Beckinger: In der Welt von „Pearl.TV“
Foto: Robby Lorenz

Wenn dem so ist, wagen Sie mal ein Experiment. Unternehmen Sie eine Reise in ein Terrain, das für viele von uns unbekannt sein dürfte. Sie werden staunen. Alles, was Sie tun müssen, ist Ihren Fernseher einzuschalten. Irgendwo auf den hinteren Rängen der Sendeliste Ihres Satelliten-Receivers (wohl dem, der über einen solchen verfügt, mit Kabelanschluss ist das nicht möglich) finden Sie „Pearl.TV“. Einen Shopping-Kanal, der all das in den Schatten stellt, was ich an ohnehin schon eigentümlichen Erfahrungen mit Shopping-Kanälen gesammelt habe. Bei „Pearl.TV“ gibt es all das zu kaufen, was selbst den abgebrühtesten Konkurrenten noch zu abstrus erscheint: Fensterputz-Roboter, eine solarbetriebene Rückfahrkamera fürs Auto, mobile Windräder oder Solarpanels, mit denen man überall Strom erzeugen können soll. Oder aber Produkte von überwältigender Schlichtheit: einen Dosenöffner. Einen Rückenkratzer. Einen elektrischen Schuhwärmer.

Und damit sich der Zuschauer wohl nicht zu schnell die Frage stellt: „Wozu um alles in der Welt brauche ich diesen Schrott?“, setzt „Pearl.TV“ auf einen uralten Marketingtrick: „Sex Sells“ heißt die Devise bei diesem Seltsam-Sender. Die Assistentinnen, die den Verkaufsmoderatoren (allesamt Mischwesen aus Versicherungsvertreter und Gebrauchtwagenverkäufer) in den Präsentationsshows zur Seite stehen, fallen bevorzugt durch extrem lange Beine, extrem kurze Röcke und extrem tiefe Ausschnitte auf. Wen wundert’s, dass „Pearl.TV“ nach eigenem Bekunden von der Vergleichsplattform „vergleich.org“ als „Der beste Teleshopping-Sender für Männer“ gekürt worden ist?

Es ist eine seltsame Parallelwelt, die sich dem Zuschauer da auftut. Man sitzt vor dem Bildschirm und staunt und fragt sich ständig: „Meinen die das wirklich ernst?“ Aber offensichtlich meinen die das ernst, und darum sollte man auch nach einer gewissen Weile und einer gehörigen Ladung Amüsement wieder Abschied nehmen und zurückkehren in die reale Welt. Ade, ihr Fensterputz-Roboter und Rückenkratzer. Dank euch weiß ich wieder, wie wohltuend normal mein Alltag ist.

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