Klischees und unerwartete Toleranz

Zugereist · Guck dir das doch mal an", heißt es von links, "da steht doch gar keiner, wo der den Ball hinspielt", oder, resigniert: "Das kann man sich ja nicht mit ansehen." Sonntagnachmittags zu einem Kreisliga-Fußballspiel zu gehen, hat seinen Reiz.Da geht es gar nicht so sehr um Fußball, denn, mal ehrlich, so sehr viel mit Fußball hat das ja auch nicht zu tun, was da gespielt wird.

Da geht es ums Schimpfen, ums Bier, um die Bratwurst. Darum, die Kumpels zu treffen. Um die Zigarette, denn der Sportplatz ist noch ein Ort, der nicht grundgereinigt wurde von allem, was die Gesellschaft als schlimmes Übel verteufelt. Und trotzdem hat der Zugereiste am Sonntag kein einziges Mal die Wörter "Ausländer" und "schwul" in Verbindung mit Schimpfwörtern gehört, was er von Fußballplätzen seiner Vergangenheit durchaus nicht behaupten kann - chapeau, Saarland. Aber zumindest die Rolle der Frau ist auch auf saarländischen Sportplätzen noch ganz die alte. Als sich einer auf dem Feld schwer am Bein verletzt, regunglos daliegt und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den herbeigerufenen Krankenwagen wartet, da eilt seine Freundin auf den Platz und streichelt ihrem Helden liebevoll tröstend über den Arm.

Ganz anders die Prinzessin, die sich zu Beginn nur kurz darüber wundert, dass sie im Gegensatz zum Zugereisten keinen Eintritt zahlen muss - wie in einer Dorfdisko, die irgendwie ihren Männerüberschuss bekämpfen will: "Nach vorne!", schreit sie den Spielern immer wieder zu, "los jetzt!" und "eieiei!", und zwar genauso zusammenhanglos und sinnentleert wie alle anderen im Publikum das auch ständig tun. Da weht dann tatsächlich ein Hauch Gleichbehandlung durch das Stadion.

Lars Reusch stammt aus Fachingen an der Lahn. Zurzeit führt ihn sein Volontariat täglich nach Merzig.

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