Kolumne Wort zum Alltag Im Gewölbe den Himmel erahnen

Sie lebten in einfachen Hütten, kaum mannshoch, wenn überhaupt mit einem kleinen Fenster. Und so ähnlich war ihr Leben auch. Man kam so gerade durch. Aber einmal in der Woche! Am Sonntagmorgen sollte es sein: das Andere, das Bessere, die Ruhe, die Farbe, die Luft, die Hoffnung auf einen anderen Morgen.

Einmal in der Woche rauskommen aus dem tristen Alltags-Einerlei. Und sie schwangen sich auf zu schier unglaublichen Leistungen. Gewölbe von 30, 40 Metern Höhe. Technisch kaum vorstellbar, finanziell am Randes des Ruins für die ganze Stadt. Sie bauten Kirchen, Kathedralen, Dome, um einmal in der Woche raus zu kommen, wenn man rein kam. Raus aus dem Alltag, rein – ja, durchaus – in so etwas wie den Himmel. Zumindest konnte man sich den Himmel da schon etwas besser vorstellen. Ein Gebäude, wo etwas zu ahnen war von dem unendlich Größeren.

Viele wunderbare Beispiele solcher Gewölbe werden ab Freitag in der Merziger Friedenskirche gezeigt. Fantastische, großformatige Fotos hat der Saarlouiser Fotograf Werner Richner gemacht. Kaum zu glauben, wie viele einmalige Kunstwerke in vielen Städten und Dörfern im Saarland stehen.

Zwangsläufig gehen meine Gedanken in die Zukunft. Wie lange werden diese Himmelsgewölbe noch stehen? Der große Konsens, dass ein Dorf, eine Stadt, ein Land solche Gebäude braucht, ist aufgekündigt. Immer mehr Menschen verlassen die Kirchen, weil sie darin keinen Sinn für sich mehr sehen. Damit geben sie auch ihre Verantwortung für den Bestand dieser Gewölbe ab. Und damit steht fest: Nach und nach werden sie verschwinden. Als Christ sage ich: Die Botschaft von dem Gott, der uns Menschen in Jesus so nahe kommt wie nie und nirgends zuvor, der für uns stirbt und mit uns aufersteht, der jeden Tag bei uns ist mit Trost, Liebe, Hoffnung, diese Botschaft ist stark und wird noch in 1000 Jahren Menschen ansprechen. Das Christentum hat schon andere Krisen überstanden als die heutige. Dieser Gott ist nicht gebunden an Himmelsgewölbe, er kann sich aus Palmblättern und Wellpappe ein Haus bauen. Er wird noch da sein, wenn die Himmelsgewölbe zerfallen sind.

Aber mir tut eine Gesellschaft leid, die das Schöne, das Besondere, die Pause, das Aufblicken vom Handy nach oben, den Himmel im Alltag, nicht mehr zu brauchen meint. Wir werden alle immer trauriger, überarbeiteter, kränker. Sucht und Depression sind auf dem Vormarsch. Die Spaltung in der Gesellschafter wird größer, weil es selbst für minimale Normen wie Ehrlichkeit und Respekt keinen Konsens mehr gibt. Himmelsgewölbe, Sonntagsruhe, Besinnung und Gebet, das braucht man heute eigentlich noch viel mehr als vor 150 Jahren. Kommen Sie in die Ausstellung, erleben Sie die Himmelsgewölbe und lassen Sie sich von diesen Zeugnissen der Vergangenheit bewegen, eine menschliche Zukunft zu gestalten. Eine Gesellschaft, die das Wunderbare, Höhere, Schöne noch zu Wort und Stein kommen lässt. Wo Menschen noch Menschen sein dürfen und Gott noch Gott.

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