Glaubenskolumne „Wort zum Alltag“ Vollbremsung als Chance?

Jeder, der schon einmal motorisiert beziehungsweise auf dem Fahrrad unterwegs war, hat vielleicht schon einmal eine Situation erlebt, in der eine Vollbremsung zur Abwehr einer Gefahr erforderlich war.

Vollbremsung von 100 auf nahezu 0: Wir erfahren dann eine Gefühlslage, die zunächst von Schock­reaktionen, Angst und kurzer Orientierungslosigkeit geprägt ist.

So oder ähnlich mag es vielen von uns in der momentanen Situation ergehen. Unser Leben, Denken und Fühlen wird nicht nur von dem Virus beeinflusst oder geprägt, sondern es lässt uns auch schmerzlich erkennen, dass viele alltägliche Abläufe keine Gültigkeit mehr haben. Dies ist vielleicht auch eine Chance zum Nachdenken und zur Neuorientierung?

Viele Selbstverständlichkeiten unseres Alltags wie das Pflegen von sozialen Kontakten, Einkäufe tätigen, Freizeitgestaltung sind unterbrochen und kaum noch möglich. Themen im politischen und gesellschaftlichen Bereich, die bis vor kurzem die Schlagzeilen beherrschten, sind im Moment irrelevant. Wir erleben eine Phase der Entschleunigung und machen dabei hin und wieder neue beziehungsweise andere Erfahrungen. Im Alltag entdecken wir eine gewisse gegenseitige Rücksichtnahme (Abstand halten), die auch wohltuend wirkt. Wir entdecken Möglichkeiten des gegenseitigen Helfens (für andere Dasein) und unterstützen Personen, die von der Krise hart betroffen sind.

Könnte diese Krise auch mit dazu beitragen, unsere grundsätzliche Einstellung im gegenseitigen alltäglichen Umgang neu zu justieren? Dies könnte schon mit kleinen Gesten untereinander beginnen: Dem anderen Mut zuzusprechen, ohne ihn zu bedrängen. Dem anderen Hilfe anzubieten, ohne auf eigenen Vorteil zu hoffen. Dem anderen zuzuhören, ohne an ihn belehrende oder verletzende Worte zu richten. Dem anderen Zuwendung zu Teil werden lassen, ohne ihn emotional zu erdrücken.

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