Redakteure blicken zurück Erinnerungen zum 65. Geburtstag von Falco
Er ist bis heute der einzige, der es geschafft hat, mit einem deutschsprachigen Song die Spitze der US-Charts zu erobern: Falco alias Johann Hölzel. Der exzentrische Österreicher war in den 80er Jahren ein Superstar, danach begann sein Stern zu sinken, ehe sein Leben 1998 bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik ein tragisches Ende fand. An diesem Samstag, 19. Februar, wäre Falco 65 Jahre alt geworden. Unsere Redakteure erinnern sich aus diesem Anlass an einen einzigartigen Musiker.
Von Marc Prams: „Dass man als Johann Hölzel kein Rockstar werden würde, wusste Johann Hölzel. Also erfand er Falco. Falco wurde ein Star. Und was für einer. Nicht nur in Österreich und in Deutschland, Falco war auch in Großbritannien groß und in Amerika noch größer. Wie Brigitte Nielsen. Die war in den 80ern auch groß. Groß ist sie noch immer, aber eben anders. Mit ihr nahm Falco Ende der 80er eine Nummer auf. „Body Next To Body“. Furchtbarer Pop-Kitsch. Typisch 80er halt. Falco hat das gewusst. Als er mit Brigitte Nielsen vors Mikro trat, war seine ganz große Zeit schon vorbei. Davor war alles besser: Ein Kommissar, ein entführtes Kind, der größte Musiker Österreichs, also neben ihm, darüber hat Falco gesungen. Und alle und alles erreicht. In den 80ern. Es hat einfach alles gepasst: die zurückgegelten Haare, der Stakkato-Gesang, der Blick von oben herab. Immer ein bisschen zu viel, immer ein bisschen drüber. Was für eine Attitüde. Er war Superstar, er war populär, er war exaltiert. War Falco so, weil die 80er so waren oder waren die 80er so, weil Falco so war? Letzteres natürlich. 93 spielte Falco, der Wiener Bub, auf der Donauinsel in Wien. Viele waren da, der Eintritt war gratis. Kurz vor Ende des Konzerts schlug ein Blitz neben der Bühne ein. Ein Moment der Stille. Dann spielte Falco weiter. Großer Auftritt, große Show. Von einem der Größten. In den 80ern.“

Von Melanie Mai: „Gerade mal zehn Jahre war ich alt, als 1985 „Jeanny“ auf den Markt kam. Ich mochte das Lied auf Anhieb. Die Melodie, den Rhythmus, den Gesang.
Ja, es hat davor schon „Rock me Amadeus“ oder „Der Kommissar“ gegeben, echte Megahits. Aber ich nahm Falco zum ersten Mal so richtig mit „Jeanny“ wahr. Wann kam es schon mal vor, dass ein Lied so stark in den Medien vertreten war? Damals investierte ich die fünf Mark und kaufte mir die Single. Warum das Lied so in den Schlagzeilen war, verstand ich damals nicht.
Viel interessanter wurde für mich Falco aber erst später. Als Deutsch-Rap keine Seltenheit mehr war, wurde mir bewusst, wie einmalig die Musik des rebellischen Österreichers war.
Und als er dann in der Dominikanischen Republik ums Leben kam und erst später sein Song mit der Textzeile „Muss ich denn sterben, um, zu leben“ herauskam, waren auch meine letzten Zweifel beseitigt: Diesen Künstler umgab etwas Mystisches, etwas Einzigartiges.
Kein Wunder, wurde er auch in einer Stadt geboren, die für Musik steht wie keine andere. In Wien läuft sogar im Fahrstuhl Mozart. Ich liebe das. Und die Faszination Musik ist nur ein Grund, warum mein Mann und ich die Stadt zu der unseren gemacht haben. Vor ein paar Jahren, als wir wieder einmal in unserer Lieblingsstadt waren, entschlossen wir uns zu einem Besuch auf dem Zentralfriedhof. In erster Linie wollten wir ans Grab von Udo Jürgens.
Der Tag, den wir uns für unseren Ausflug ausgesucht hatten, hätte nicht schlechter sein können. Es war kalt und regnete, was das Zeug hielt. Schnell hatten wir das Grab in Form eines Flügels gefunden. Und wollten nun noch das von Falco besuchen. Wir suchten und suchten – wurden aber nicht fündig.
Stattdessen standen wir plötzlich patschnass am Grab von Rosa und Wolf Albach-Retty. Ich hielt kurz inne. Als Fan von Romy Schneider stand ich nun am Grab von ihrer Großmutter und ihrem Vater. Völlig unerwartet. Ein ergreifendes Erlebnis. Danke, Falco.“
Von Astrid Dörr: „Als vor einigen Tagen der ARD-Thriller „Jeanny – Das fünfte Mädchen“ ausgestrahlt wurde, kamen alle Erinnerungen wieder hoch. Der Film basierte auf dem Skandal-Song von Falco.
Zahlreiche Debatten löste das Lied „Jeanny“ aus, als es 1985 erschien. Falco deutete darin die Vergewaltigung und anschließende Ermordung eines jungen Mädchens an. Der Titel wurde von einigen Sendern sogar boykottiert.
Und wer erinnert sich nicht an die Textzeile „Er war zu exaltiert, genau das war sein Flair“ aus seinem berühmten Song „Rock me Amadeus“, in dem er nicht nur von Mozart, sondern auch von sich selbst zu singen schien. Der Aufstieg in der österreichischen Musikszene von Falco, 1957 als Johann Hölzel geboren, wurde nicht immer mit Freude beobachtet. Dennoch behalten die Fans den rockenden Amadeus in Erinnerung. Auch 24 Jahre nach seinem Tod durch einen Autounfall. Titel wie „Der Kommissar“, „Coming home“ und „Out of the dark“ wurden zu Riesenerfolgen. Warum der Wiener, gestylt in schwarzem Anzug und Pomade im Haar so gut ankam? Vielleicht lag es an der Sprache seiner Lieder, Englisch und Deutsch gemischt, die in den 80er Jahren eine Faszination ausstrahlten. Für mich bleibt der Mythos Falco mit seinem Wiener Charme nicht nur deshalb unvergessen.“
Von Christian Beckinger: „Es war dieses besondere Datum: der 9. November, jener Schicksalstag der Deutschen. Davon sprach am 9. November 1986 allerdings kaum einer. Es war ein Sonntag. Es war der Tag, an dem Falco in die Saarbrücker Saarlandhalle kam. Das war die Zeit, in der noch „Wetten, dass . . . ?“ in der Halle gastierte, in der sich dort Weltstars ein Stelldichein gaben. Und so was wie ein Weltstar war Falco damals durchaus. Hatte mit „Rock me Amadeus“ ein paar Monate zuvor sogar in den USA Platz 1 der Charts erobert, hatte mit „Jeanny“ im deutschsprachigen Raum für heftigste Kontroversen gesorgt (und einen veritablen Hit gelandet).
Und dann kam er nach Saarbrücken, an jenem kalten Novembersonntag. Im Rahmen einer Welt-Tournee, die das Erscheinen seines Albums „Emotional“ begleitete. Und ich war dabei, frisch der Pubertät entronnen. Es war das erste Livekonzert meines Lebens und schon deswegen ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Zumal ich Falco klasse fand, schon damals.
An dieser Wertschätzung hat sich nichts geändert. Ich halte ihn immer noch für einen genialen Musiker, sein tragisches Ende hat mich sehr berührt. Aber ich werde vor allem in Erinnerung behalten, wie aufgeregt ich war, dass ich ihn live sehen konnte. Und wie euphorisiert ich hinterher die Saarlandhalle verlassen habe. Damals, an jenem 9. November 1986.“

Von Aline Pabst: „Ich sehe die Ecke heute noch vor mir: Die hellgelbe Wohnzimmer-Schrankwand, daneben leicht versetzt der Lautsprecher. „Mach die gruselige Musik an!“, bettelte Klein-Alinchen damals häufig, um sich anschließend in die Lücke hinter die schwarze Box zu quetschen, die fast so groß war wie sie selbst.
Dort saß ich dann, während die Schallplatten-Nadel kratzte, Regen plätscherte und eine dunkle Stimme mit ganz komischen Akzent zu einem Mädchen sprach, das aber seltsamerweise nie antwortete. Nichts davon habe ich ansatzweise verstanden. Ich wusste nur, dass die Stimmung dieser Musik irgendwie schaurig-schön war.
30 Jahre später, als erwachsene Frau, finde ich „Jeanny“ ganz anders gruselig. Ob solche Songs heute noch Erfolg hätten? Umstritten war er ja schon damals, aber richtige Shitstorms gab es in den Achtzigern noch nicht. Falco hatte insofern Glück, und das vermutlich mehrfach: Ausgeflippt, wie er war, passte seine Musik nur in diese sehr spezielle Epoche. Ob sie tatsächlich schön war, ist eine gute Frage – aber was für ein Unterschied zu dem weichgespülten Deutschpop-Gedudel von heute!
Hinter den Lautsprecher passe ich heute nicht mehr, aber die Platte von damals ist in meinen Besitz gewandert. Nur als Deko, weil ich keinen Plattenspieler habe. Aber als schaurig-schöne Erinnerung halte ich sie in Ehren.“
Von Margit Stark: „Für mich war Falco ein Genie, ein Ausnahmemusiker mit ausgeprägter Persönlichkeit. Einer jener Legenden, die ich in die Reihe von Jimi Hendrix, Janis Joplin, Mick Jagger oder Paul McCartney stelle. Ich weiß nicht, was mir am meisten an ihm imponiert hat. War es der für ihn typische Sound, seine spezielle Art, seine Songs zu präsentieren oder seine ihm eigene Art, mit Worten zu spielen? Oder alles zusammen? Nur zu gerne hätte ich den Erfinder des Deutsch-Raps, der ganz nebenbei die Popmusik revolutioniert hat, mal live auf der Bühne miterlebt. Doch das war mir nie vergönnt. Leider. Sicherlich hätten wir noch viele Songs von ihm erwarten können, wenn ihn nicht ein tragischer Autounfall aus dem Leben gerissen hätte. So bleiben uns nur der Superhit über den Kommissaren, „Jeanny“, ein Song, der kontroverse Diskussionen auslöste, oder „Helden“ von heute, ein Lied, zu dem ihn sein Idol David Bowie inspiriert hat. Unsterblich ist auch Hymne auf seinen Landsmann – „Come and rock me . . . Amadeus!!”“
Von Barbara Scherer: „Ich würde mich jetzt nicht als großen Falco-Fan bezeichnen. Die Lieder, die ich von ihm kenne, finde ich allesamt sehr gut – aber in meinem Regal steht nur genau eine CD von ihm (die Single „Out of the Dark“).
Diese war damals ein paar Wochen nach seinem Tod erschienen. Genau zu diesem Zeitpunkt wurde ich auch zum ersten Mal bewusst auf Falco aufmerksam – wie wohl viele meiner Altersgenossen. Das ist auch meine Kernerinnerung an Falco: dass er in den späten 90ernfür eine Weile ziemlich angesagt war. Auf einmal hörte man überall seine Lieder. Darunter auch das (möglicherweise einzige) Lied, das ich schon vorher kannte: „Der Kommissar“. Ich wusste nicht viel über dieses Lied, aber eines wusste ich: dass Falco im Refrain „Dreh dich nicht um“ singt, nur eben auf Österreichisch, was dann zu „Drah’ di net um“ wird. Was wohl nicht jeder wusste. Anders ist es nicht zu erklären, wie oft damals Leute lauthals „Dadideldum“ mitsangen. Gut (für das Lied), dass der Falco-Hype unter Teenagern bald wieder abebbte.“

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