Knapp an einer Katastrophe vorbei"Ein intaktes Dach hält auch solche Schneemengen aus"

Bergen. Jeden Handgriff der THW-Leute verfolgt Rudolf Breier ganz genau. Während die Einsatzkräfte gestern Nachmittag Teil für Teil ein Abstützgerüst an dem alten Bauernhaus montieren, zieht der 68-jährige Hausbesitzer nervös an seiner Zigarette. "Ich habe eine Plane, da kann man das Dach abdecken", ruft er den neun ehrenamtlichen Helfern zu

 Über der Scheune klafft ein großes Loch. Foto: Werner Krewer

Über der Scheune klafft ein großes Loch. Foto: Werner Krewer

 Gegen 23 Uhr stürzte das Dach teilweise ein. Foto: Rolf Ruppenthal

Gegen 23 Uhr stürzte das Dach teilweise ein. Foto: Rolf Ruppenthal

Bergen. Jeden Handgriff der THW-Leute verfolgt Rudolf Breier ganz genau. Während die Einsatzkräfte gestern Nachmittag Teil für Teil ein Abstützgerüst an dem alten Bauernhaus montieren, zieht der 68-jährige Hausbesitzer nervös an seiner Zigarette. "Ich habe eine Plane, da kann man das Dach abdecken", ruft er den neun ehrenamtlichen Helfern zu. Den Schneeregen, der über dem Losheimer Ortsteil niedergeht, scheint der Mann nicht zu spüren. Noch steht er unter Schock, kann nicht begreifen, dass das Dach seines Bauernhauses Dienstagnacht eingestürzt ist. Sein Glück: Er und Ehefrau Karin wurden nicht verletzt. "Meine Frau hat im Losheimer Krankenhaus eine Beruhigungsspritze gekriegt", sagt er leise. Kurz nach 23 Uhr habe er es krachen gehört. "Ich dachte zuerst an einen Unfall und bin auf die Straße gerannt. Da hab' ich die Katastrophe gesehen - das Dach zur Hälfte eingestürzt." Sofort habe er die Feuerwehr verständigt. Die Löschbezirke Bergen und Scheiden rückten aus - ebenso das THW Wadern und Lebach. "Wir wollten nach zig Einsätzen wegen querliegender und festsitzender Lkw einrücken", sagt THW-Ortsbeauftragter Wolfgang Birtel. "Dann hat uns diese Alarmierung erreicht." Während Feuerwehrmänner die bettlägerige Frau bargen, schnappte sich Rudolf Breier schnell den Kasten mit Ausweispapieren. Derweil begann das THW damit, ein Abstützgerüst aufzubauen, das es gestern vergrößert. "Macht zwei Böden drauf", ruft Zugführer Peter Rohles den 16 Helfern zu, während zwei von ihnen erstmals ins Haus gehen - zu Sicherungsarbeiten. "Im Moment könnten wir uns teilen", meint Birtel. Während er und Rohles mit einem Trupp das Haus in der Bergener Straße absichern, räumen weitere Trupps, unterstützt von Höhenrettern und DRK, Flachdächer in Losheim am See und Wadern von den Schneemassen.Ob es die Schneemassen allein waren, die auf dem Dach lasteten und es schließlich erdrückten, oder auch mangelnde Unterhaltungsarbeiten mitspielen, vermag bislang niemand zu sagen. "Unser Bauhofleiter Manfred Schillo ist Dachdeckermeister", sagt Bürgermeister Lothar Christ, der gestern Nachmittag zur Unglücksstelle gekommen ist. "Er kann sich die Sache ja mal ansehen." Hilfe sagt der Losheimer Verwaltungschef ebenso zu. "Ich brauch' finanzielle Hilfe, wenn ich das Dach wieder aufbaue", klagt Breier, der als Bergmann, bei der Bundeswehr und bei der Post gearbeitet hat und seit zwölf Jahren im Ruhestand ist. Das Einzige, was ihn halbwegs tröstet: ein Teil des Hauses ist noch bewohnbar. In den letzten Tagen ist enorm viel Schnee gefallen. Reicht dies, um ein Wohnhaus-Dach zum Einsturz zu bringen? Mertes: Die in den vergangenen Tagen niedergegangenen Schneemassen reichen in der Regel nicht aus, um ein Wohnhausdach zum Einsturz zu bringen. Bei den normalen Lastannahmen sind Schneehöhen von etwa 30 bis 40 Zentimeter ohne weiteres von der Dachkonstruktion aufzunehmen, auch bei feuchtem oder nassem Schnee. Was hat nach Ihrer Einschätzung zu dem Dacheinsturz in Bergen geführt? Mertes: Der Scheunendacheinsturz ist höchstwahrscheinlich auf mangelnde Unterhaltungsarbeiten zurückzuführen. Möglicherweise gelangte durch das Verschieben von Dachziegeln oder von Firstanschlussziegeln Wasser an die Sparren beziehungsweise Sparrenköpfe. Über einen Zeitraum von etlichen Jahren verlieren diese dann durch Fäulnis ihr Auflager, die Standsicherheit des gesamten Daches geht damit verloren. Die enormen Schneemassen haben dann zum Einsturz des Scheunendaches geführt. Eine normal gewartete, "gesunde" Dachkonstruktion hätte diese Schneemassen ohne Beeinträchtigung ausgehalten. Welche Rolle spielt die Dachform für die Tragfähigkeit einer Dachkonstruktion? Mertes: Die Dachform ist mit entscheidend für die Tragfähigkeit der Dächer. Dabei ist davon auszugehen, dass steilere Dächer durch Schneelasten weniger gefährdet sind als zum Beispiel Flachdachdächer. Welche Gebäude sind am stärksten gefährdet? Mertes: Bei den Wetterbedingungen, die in den letzten Tagen vorgeherrscht haben, sind am stärksten alte, schlecht gewartete oder fehlerhafte Dachkonstruktionen sowie Flachdachkonstruktionen mit größeren Spannweiten gefährdet.Einige Schulen und Hallen wurden wegen der Schneelasten geschlossen. Wer entscheidet darüber, ob ein Gebäude geschlossen wird, und wie laufen die entsprechenden Kontrollen ab? Mertes: Wegen der enormen Schneelasten auf Dächern und des anschließend einsetzenden Regens, der die Lasten zusätzlich erhöht hat, wurden alle Gemeinden im Kreis durch die UBA aufgefordert, die für solche Beanspruchungen kritischen Flachdachhallen (Mehrzweckhallen, Schulturnhallen) in ihrem Zuständigkeitsbereich zu prüfen. Nach Rückmeldung durch die Bauämter der Gemeinden an die UBA wurden verschiedene Hallen im Bereich der Gemeinden Losheim am See, Wadern und Weiskirchen für jegliche Nutzung vorsorglich vorübergehend geschlossen, um die notwendigen Überprüfungen der Abfluss-Situation und der Schneelasten vornehmen zu können. Gleiches erfolgte für einige kreiseigenen Gebäude und Schulturnhallen. Inwieweit dies bestehen bleibt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. "Ich brauch' finanzielle Hilfe, wenn ich das Dach wieder aufbaue."Hausbesitzer Rudolf Breier

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