Merzig-Wadern Eine Hommage an die Schwiegermutter

Mit einer Lesung der Journalistin und Autorin Anne Gesthuysen beginnt am Samstag, 30. März, das landesweite Literaturfestival „Erlesen“. Gesthuysen stellt am Samstag ab 19 Uhr im Theater am Ring in Saarlouis ihren neuen Roman „Mädelsabend“ vor. Wir haben mit der früheren TV-Journalistin und Buchautorin gesprochen.

 Stellt am Samstag in Saarlouis ihr neues Buch vor: Anne Gesthuysen.

Stellt am Samstag in Saarlouis ihr neues Buch vor: Anne Gesthuysen.

Foto: Monika Sandel

Im November erschien Ihr Roman „Mädelsabend“, der die Geschichte von Ruth erzählt, die im Seniorenheim unter Gleichgesinnten aufblüht, und ihrer Enkelin Sara, die Rat bei ihrer Großmutter sucht. Schon bei Ihrem Roman „Wir sind doch Schwestern“ wurden Sie vom Leben Ihrer Großtanten inspiriert. Stammt die Idee zu „Mädelsabend“ ebenfalls aus Ihrer Familie?

GESTHUYSEN Wenn man so will, ist die Geschichte eine Hommage an meine großartige Schwiegermutter. Wir haben uns oft darüber unterhalten, wie Ehen in dieser Zeit aussahen, und sie hat mir viel Romanstoff geliefert.

Was meinen Sie mit Ehen in dieser Zeit?

GESTHUYSEN Ich meine eine Ehe unter einem gesetzlich verordneten Patriarchat, das gesellschaftlich und kirchlich gedeckt war. In den 40er, 50er und 60er Jahren entschied der Ehemann darüber, ob seine Frau eine Erwerbstätigkeit ausüben durfte. Er behielt beim Streit qua Gesetz das letzte Wort, kontrollierte die Finanzen, sowie die Erziehung der Kinder. Gleichzeitig hatten diese Ehefrauen keine Möglichkeit, sich zu trennen. Sie wurden einer Rolle zugewiesen und dieser Rolle hatten sie zu entsprechen. Was für mich irritierend ist: Wenn man Frauen aus dieser Zeit fragt, warum sie sich so was gefallen lassen haben, dann hört man oft: „Ja, aber das war halt so.“ In „Mädelsabend“ emanzipiert sich die Ruth erst im hohen Alter und entwickelt daraus rückwirkend eine Wut auf ihr Leben, ihren Mann und auf sich selbst, mit der sie klar kommen muss.

Fiel Ihnen das Schreiben des Romans leicht?

GESTHUYSEN Das Chaos wird langsam zur Routine. In meinem Kopf habe ich lediglich eine grobe Geschichte, dann fange ich an zu schreiben und gucke, was passiert. Inzwischen habe ich aber eine tiefe Gewissheit, am Ende alle Fäden zusammenzuführen. Außerdem pflege ich eine sehr fruchtbare und konstruktive Zusammenarbeit mit meiner Lektorin.

Jahrelang arbeiteten Sie als Moderatorin des ARD-Morgenmagazins, Ende 2014 gaben Sie bekannt, sich künftig nur noch Ihren Romanen zu widmen. Wie fühlt sich diese Entscheidung heute an?

GESTHUYSEN Die fühlt sich immer besser an. Am Anfang habe ich das ARD-Morgenmagazin vermisst, es war zwölf Jahre lang ein großer, identitätsstiftender Teil meines Lebens. Wenn man sein Leben von heute auf morgen massiv ändert, ist man zunächst irritiert. Inzwischen verstehe ich überhaupt nicht mehr, warum ich freiwillig mitten in der Nacht aufgestanden bin. Ich finde mein Leben gerade so, wie es ist, mit der Möglichkeit, sich das Berufliche mit dem Familiären einteilen zu können, eine schöne Mischung, die ich mit dem MOMA nicht hatte.

Wie war für Sie die Umstellung vom tagesaktuellen Journalismus zum längerfristigen Bücherschreiben? Inwiefern hat Ihre journalistische Erfahrung beim Schreiben von Büchern geholfen?

GESTHUYSEN Ich habe es immer als angenehm empfunden, der kurzfristigen Tagesaktualität mal zu entkommen. Insofern hat es mich nicht verunsichert, plötzlich über Jahre an einem Thema zu arbeiten. Und es gibt ja bei der Arbeit einige Ähnlichkeiten: Beim Recherchieren für einen Roman muss die Basis stimmen und als Journalist bekommt man ein Gespür dafür, was eine Geschichte ist. Im Ursprung ist die Arbeit eines Autors wie die eines Journalisten, aber als Autor hat man dann noch die fiktive Freiheit.

Ihre Romane waren bislang Familiengeschichten. Könnten Sie sich auch vorstellen, etwas anderes zu schreiben?

GESTHUYSEN Mir geht es um Menschen, die in irgendeiner Form eine Entwicklung durchmachen, gerne auch in Familienzusammenhängen. Was ich sehr spannend finde, ist, wie sich aus einer Generation die nächste entwickelt, oder auch, wie Geschwister eine Rolle aus der Kindheit niemals ablegen. So etwas interessiert mich. Wenn man diese Komponenten hat, ist damit aber alles möglich.

Haben Sie bereits Ideen für Ihren nächsten Roman?

GESTHUYSEN Ich habe schon Ideen, aber die werde ich noch nicht verraten. Im Herbst plane ich, mich wieder an den Schreibtisch zu setzen, darauf freue ich mich schon.

Warum sollen die Saarländer zu Ihrer Lesung kommen?

GESTHUYSEN Weil sie sich in meinen Figuren vom Niederrhein wiederfinden werden. Es geht um die Frage, wie Frauen in welcher Generation ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen können. Und das betrifft die meisten Frauen. Wenn man sich solche ernsten Fragen stellt und dabei noch lachen kann, dann ist das ein guter Grund, glaube ich, anderthalb nette Stunden bei einem „Mädelsabend“ zu verbringen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort