Wort zum Alltag Ein Tag zeigt beide Gesichter von uns

Am Vortag des 9. Novembers gehen mir unterschiedliche Gedanken durch den Kopf. 1989 fiel die Mauer in Berlin, die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR hatten friedlich eine Revolution vollzogen, kein einziger Schuss war gefallen.

51 Jahre zuvor waren in eben dieser Nacht die Schergen des Nazi-Regimes durch die Straßen unserer Städte und Dörfer gelaufen, hatten Geschäfte und Häuser ihrer jüdischen Landsleute verwüstet und sie massiv drangsaliert, nicht wenige bis in den Tod.

So zeigt dieses Datum die beiden Gesichter der Menschheit: hier das helle, friedvolle, Freiheit gewinnende, dort das dunkle, gewaltsame, Freiheit raubende. Es fällt schwer, sie in Einklang zu bringen.

Und doch gehören beide zu unserem Leben. Sie lassen uns mal hoffen, mal verzweifeln; erinnern uns an das Gute im Menschen, aber auch an das Böse, zu dem er fähig ist.

Ob Gott uns so gewollt hat? Scheinbar hat auch er Zeit gebraucht, mit unserer Widersprüchlichkeit klar zu kommen und dabei, nichts unversucht lassend, einen Lernprozess durchlaufen.

Von der Sintflut bis zum Kreuz, von der fast vollständigen Vernichtung bis zur aufopferungsvollen Selbsthingabe sind Gott und Mensch ein langes Stück Weg miteinander gegangen. Aufgegeben hat er uns dabei nie, weder zu Noahs noch zu Jesu Zeiten.

Im Gegenteil: Bis heute hält er an uns fest, wie Eltern, die ihre Kinder nicht loslassen können, auch wenn sie ihre Wege nicht verstehen.

Machen wir es wie er: Suchen wir das Gute im Menschen und widerstehen dem Bösen. Nicht nur am 9. November 2017.

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