Caritas-Kampagne Wenn Wohnen zum Luxus wird

Merzig · Ein Wohnzimmer mitten in der Fußgängerzone machte Passanten gestern auf die Caritas-Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ aufmerksam.

 Ein Wohnzimmer haben die Mitarbeiter des Caritasverbandes Saar-Hochwald in der Merziger Innenstadt aufgebaut. Sie machen damit auf die bundesweite Caritas-Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ aufmerksam.

Ein Wohnzimmer haben die Mitarbeiter des Caritasverbandes Saar-Hochwald in der Merziger Innenstadt aufgebaut. Sie machen damit auf die bundesweite Caritas-Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ aufmerksam.

Foto: Nina Drokur

Ein älterer Herr sitzt in der Badewanne und schäumt sich den Kopf ein. Als er sich entspannt zurücklehnt, schwenkt auch die Kamera zurück, und der Zuschauer dieses kurzen Filmschnipsels erkennt, dass die Badewanne mitten auf der Straße steht. Der Spot gehört zur bundesweiten Caritas-Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“. Keine Badewanne dafür aber ein quietschrotes Sofa, mit allem, was sonst noch zu einem gemütlichen Wohnzimmer gehört, einen Fernseher etwa und Omas Kupfervase, haben die Mitarbeiter des Caritasverbandes Saar-Hochwald gestern schon um 8 Uhr in der Merziger Innenstadt aufgebaut.

Das hat am Markttag für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Rund 300 Menschen seien stehen geblieben, schätzt Sara Kuhn von der Caritas in Merzig, um den Hintergrund der Aktion zu erfahren: „Wir haben in unserer Arbeit viel mit Menschen zu tun, die gar keine Chance haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden“, sagt Kuhn. „Sie finden nicht die Wohnung, um ein menschenwürdiges Dasein zu leben. Kleine Wohnungen werden überteuert angeboten.“ Das würden sie oft in den Beratungen – wie unter anderem Migrationsdienst oder Schwangerenberatung – erleben, die die Mitarbeiter in der Dienststelle in der Poststraße 71 anbieten.

Viele die am außergewöhnlichen Stand haltgemacht haben, konnten gleich persönlichen Bezug herstellen, erzählt Kuhn. Nicht immer sind sie selbst betroffen, aber alle kennen sie jemanden. „Eine Frau hat erzählt, dass ihre alleinerziehende Schwester mit den drei Kindern schon seit einem Dreivierteljahr auf Wohnungssuche ist, und mit den 800 Euro, die sie für eine Wohnung zur Verfügung hat, einfach nichts findet.“ Dabei sei die Frau voll berufstätig. „Das zeigt mir, dass das Problem in die Mittelschicht übergeschwappt ist“, sagt Kuhn.

Ähnliches kann auch Vanessa Behneken berichten, deren dreijährige Tochter in der Bastelecke der Caritas-Stube begeistert mit bunten Flötenreinigern Tiere baut. „Alleinerziehend? Soll die Wohnung etwa das Arbeitsamt bezahlen? Das können Sie vergessen“, hätten ihr Vermieter gesagt. Dabei verdiene sie als Controller gut. „Ich war abgestempelt“, sagt Behneken. Sehr viel Glück hätte sie dennoch gehabt und eine schöne Wohnung über einen Bekannten gefunden – in Saarburg. Was sie dann nach Merzig verschlägt? „Unser Kinderarzt ist hier. Der in Saarburg nimmt keine neuen Patienten“, sagt sie. „Womit wir bei der Infrastruktur wären“, hakt Sara Kuhn ein. Zwar gebe es im ländlichen Raum auch noch bezahlbaren Wohnraum. Dort fehle es dann an Infrastruktur. Wer nicht mobil sei, und das seien viele ihrer Klienten bei der Caritas, habe es dann schwer am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Ein Problem, das vor allem die Bereiche Perl und Merzig betrifft, spricht Peter Kiefer an, der Vorsitzende des Caritasverbandes Saar-Hochwald, der neben dem Landkreis Merzig-Wadern auch für den Landkreis Saarlouis zuständig ist. „Die Mietpreise sind durch Luxemburg angestiegen. Je näher an Luxemburg, desto höher die Preise, desto knapper der Markt.“

Rosemarie Gruhn, die nicht nur als Beigeordnete den verhinderten Bürgermeister Marcus Hoffeld vertritt, sondern hauptberuflich ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung leitet, bringt noch einen weiteren Aspekt ins Spiel: Barrierefreiheit. „Wir haben zurzeit 19 Leute im selbstbestimmten Wohnen. Viele schaffen das. Aber nur, wenn auch Wohnungen da sind.“

Die Stadt Merzig hat in diesem Jahr 18 neue Sozialwohnungen errichtet, neun in Ballern und neun in der Schalthaussiedlung in Merzig. Dort sind im Erdgeschoss vier kleine barrierefreie Appartements für ältere, alleinstehende Menschen, im ersten Stock große Wohnungen mit jeweils drei Kinderzimmern, die restlichen sind von mittlerer Größe. Sehr durchmischt also. „Das ist ein Konzept, an dem man anknüpfen sollte“, findet Kuhn.

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