Pastor sorgt mit seinem „Ja“ für Eklat in Düppenweiler

Düppenweiler · Merzig-Wadern. Vor 60 Jahren – im Oktober 1955 – wurde nach einem heftig geführten Abstimmungskampf eine Volksbefragung über die Zukunft des Landes durchgeführt, wobei 67,7 Prozent der Saarländer mit „Nein“ stimmten und sich damit gegen das Saarstatut entschieden. Dieses war die Vision des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, der das Saarland zum ersten europäischen Territorium machen wollte. Mit einer Serie erinnert die SZ daran, was sich rund um diese Abstimmung im Landkreis zugetragen hat.

 Dieses Transparent hing an der Hochspannungsleitung in Beckingen über dem Haus des ersten Beigeordneten. Foto: Archiv Schommer

Dieses Transparent hing an der Hochspannungsleitung in Beckingen über dem Haus des ersten Beigeordneten. Foto: Archiv Schommer

Foto: Archiv Schommer

In Düppenweiler waren in den vorangegangenen Wochen und Monaten die Wogen der Erregung und der Diskussion besonders hochgeschlagen. Dies hing wohl damit zusammen, dass Johannes Hoffmann auf dem Litermont ein Jagdhaus besaß und über gute Kontakte zu großen Teilen der Düppenweiler Bevölkerung verfügte. Allerdings trat dies im Verlauf des Abstimmungskampfes mehr und mehr in den Hintergrund.

Die Heimatbundparteien des Ortes hatten sogar Anfang Oktober 1955 ein Flugblatt gegen Johannes Hoffmann verfasst. In dieser Schrift unterstellte man dem Ministerpräsidenten , der Gemeinderat habe eigens für ihn einen Wasserbassin für das Jagdhaus gebaut, ein wertvoller Fichtenbestand sei weit unter Preis von der Gemeindevertretung an ihn verkauft und die Jagd ihm für ein "Trinkgeld" verpachtet worden. Weiter warf man ihm vor, er habe, ohne die Eigentümer der Grundstücke um Erlaubnis zu fragen, Jagdhochsitze auf dem Feld errichtet. Daneben sei die zum Litermont hinaufführende Straße allein deshalb gesperrt worden, weil er sich durch das Geräusch dort hinauffahrender Motorräder in seiner Ruhe gestört gefühlt hätte.

In dem Flugblatt war auch der Kreisvorsitzende und gleichzeitige Fraktionsvorsitzende der CVP im Landtag, Franz Schneider aus Brotdorf, scharf angegriffen worden. Ihm warf man Ämterhäufung und, ebenso wie Hoffmann, Bereicherung vor. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, der Kundgebung am 9. Oktober in Düppenweiler, bei der Johannes Hoffmann und Franz Schneider sprechen sollten, fernzubleiben.

Diese Kundgebung des Ministerpräsidenten , die trotz aller Emotionen, verglichen mit anderen Veranstaltungen, über die bereits berichtet wurde, relativ ruhig verlief, wurde in der "Saarländische Volkszeitung" nur knapp abgehandelt: "Auch die Kundgebung der CVP in Düppenweiler verlief ruhig. Mehrere hundert Zuhörer folgten aufmerksam den Ausführungen von Ministerpräsident Hoffmann und von MdL Franz Schneider, der vor dem Ministerpräsidenten über das Saarstatut referierte."

Obwohl die Veranstaltung selbst relativ ruhig verlief, gingen die Wogen des Abstimmungskampfes im Ort doch hoch. Dies wird durch die Darstellung des bereits erwähnten Zwischenfalls in der Pfarrkirche durch den damaligen Düppenweiler Pfarrer Heinrich Gierend in der Pfarrchronik dokumentiert. Gierend hielt dort nämlich fest: "Trotz aller bischöflichen Mahnungen nahm der Abstimmungskampf ganz üble Formen an. Verleumdungen und Verdächtigungen, Drohungen und Herabsetzungen der Autorität waren an der Tagesordnung. Das Volk wurde verwirrt. Man machte es glauben, es handele sich um eine Abstimmung für oder gegen Deutschland, obwohl selbst der Bundeskanzler Dr. Adenauer zum 'Ja' für das Saarstatut aufgefordert hatte. Der wiedererwachte Nationalismus arbeitete mit der Parole: 'Der Dicke muss weg!'. Es wurde sogar erzählt, der Pastor sei auch für 'Nein'. Deshalb gab der Pastor am 23.10.1955 eine Erklärung ab, worin es hieß: Jeder ist in seinem Gewissen frei, mit 'Ja' oder 'Nein' abzustimmen, jeder möge es sich gut überlegen und an seine Zukunft denken. Ich selbst (der Pastor) bin nicht umgeschwenkt, ich bleibe bei meinem 'Ja'. Im Hochamt sagte der Pastor zum Schluss: 'Ich habe schon 'Ja' gestimmt.' Auf diese Erklärung hin entstand im Hochamt eine Unruhe auf der Männerseite und laut hörbarer Widerspruch. Einige hinten stehende Männer gingen hinaus."

Doch standen auch drei weiter vorne sitzende Männer, allesamt im Ort angesehene Persönlichkeiten, unter ihnen auch ein Lehrer, auf und verließen unter lautem Protest die Kirche. Zur damaligen Zeit stellte dies sicherlich einen ungeheuren Vorgang dar. Am darauffolgenden Sonntag, also bereits eine Woche nach dem Abstimmungstag, gab der Pfarrer eine Entschuldigungserklärung ab. Darin bedauerte er, Anlass zu dem Zwischenfall gegeben zu haben. Auch die drei Männer, die sich von ihren Plätzen erhoben hatten und unter lautem Protest die Kirche verlassen hatten, ließen entsprechende Erklärungen verlesen. Weiter heißt es dort: "Damit war äußerlich der Zwischenfall bereinigt. Der Riss, der durch den Abstimmungskampf in die Bevölkerung, in die Gemeinden, in die Familien und Vereine getragen wurde, die Unterscheidung in Ja- und Nein-Sager, scheint jedoch unheilbar und wird wohl noch sehr lange nachhalten und die Seelsorge erschweren." < Wird fortgesetzt.

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