Bürger stöhnen unter Steuern und Willkür

Eindrucksvoll belegen zum Beispiel die Klageschriften des Haustadter Tals, die heute noch teilweise in deutscher Sprache erhalten sind, die offenen und latenten Missstände in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie dokumentieren damit für unsere Region die Ursachen der Revolution, aber ebenso die Hoffnungen und Erwartungen der einzelnen Gemeinden. Ihr Verfasser war der rechtskundige Parlamentsadvokat und Amtmann des Deutschherrenordens in Beckingen, Nicolas Boulay. Reimsbacher, Erbringer und Hargarter Bürger hatten sich am 9. März 1789 in Reimsbach im Haus des Vorstehers zusammengefunden und trugen dort ihre Klagen vor. Für Beckingen, Haustadt, Honzrath und Fickingen (Saarfels) liegt jeweils ein eigener Beschwerdebrief vor.

 Mit dem Sturm auf die Bastille in Paris begann am 14. Juli 1789 die Französische Revolution. Foto: dpa picture alliance

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Durchgängig empfand die Bevölkerung die zu hohe staatliche Belastung durch Steuern als drückend, daneben überdies und vor allem die aus der Grund-, Leib- und Gerichtsherrschaft herrührenden Fronen, Leistungen und Abgaben. Über die Ledersteuer und die Eisensteuer hinaus war vor allem die Salzsteuer der Hauptbeschwerdepunkt. Die Gesamtabrechnungen für Honzrath und Haustadt, die in dieser Form einmalig sind, belegen, dass die Höhe der Belastung pro Haushalt etwa dem Jahreslohn eines Tagelöhners von circa 150 bis 200 Pfund gleichkam. Damit überstieg sie sicherlich die Leistungskraft vieler Familien, zumal die der Tagelöhner und Dorfhandwerker, die in der Saargegend gegen Ende des 18. Jahrhunderts schon die Mehrheit der Bevölkerung stellten.

Als Zielpunkt der Kritik galt zudem die staatliche Forstbehörde, die die traditionellen Rechte der Gemeinden bei der Forstnutzung einschränke und damit den Gemeinden ihre Autonomie beschneide. Neben der Höhe der Fronen und Abgaben an unterschiedliche Grundherren waren vor allem die Entwicklungen, die zur Auflösung der traditionellen Agrargemeinde hinführten, Zielpunkt der Kritik . Dazu zählte die Einhegung der Wiesen durch Grundherren und größere Grundbesitzer, weil dies die Viehhaltung der ärmeren Bauern und Tagelöhner beeinträchtigte.

Die Grundherrschaft wurde hingegen ebenso wenig wie die Ständegesellschaft grundsätzlich in Frage gestellt. Auch die Kritik an der Kirche war sehr verhalten formuliert; wenn überhaupt, dann zielte sie vor allem auf die missbräuchliche Verwendung des Kirchenzehnten. Demgegenüber erschien in Stadt und Land das Königtum zu diesem Zeitpunkt immer noch als einziger Garant für die Wiederherstellung einer gerechten, das heißt auf der Tradition beruhenden Ordnung, die die eingerissenen Missbräuche beseitigen sollte. Die in den Gemeinden verfassten Beschwerdeschriften liefern zum Teil ein sehr anschauliches Bild der angeprangerten Missstände. Dies erklärt sich nicht zuletzt dadurch, dass die Verfasser annahmen, der König selbst prüfe ihre Klagen und Wünsche.

Sehr interessant und bezeichnend ist überdies der Inhalt der Beschwerdeschrift der Ortschaften der Obermeierei Saargau, die aus den Orten Hilbringen, Fitten, Ballern, Rech und Ripplingen bestand. Diese Schrift ist ein weiteres eindrucksvolles Dokument dafür, wie sich die Situation auf dem Saargau und damit in der Merziger Region am Vorabend der Revolution darstellte. Die Gemeinden des Saargaues waren 1778 bei der Aufteilung des Kondominiums der Baillage Bouzonville zugeordnet worden. Im Februar 1789 wies der Leiter der Baillage die Gemeinden seines Bezirks an, Beschwerdeschriften zu fertigen und gleichzeitig Wahldelegierte für die Nationalversammlung zu bestimmen.

Am 10. März 1789 kamen die Einwohner der Obermeierei Saargau im Hauptort Hilbringen zu einer Versammlung zusammen, die der Hilbringer Pfarrer am Sonntag zuvor im Gottesdienst angekündigt hatte. Die Beschwerdeschrift mit den entsprechenden Beschwerden war auf Deutsch abgefasst und umfasste 10 Punkte. Die Einwohner beschwerten sich etwa darüber, bei der Aufteilung des Kondominiums 1778 zwar Frankreich zugeschlagen worden zu sein, aber dennoch weiterhin neben von Frankreich erhobenen Steuern zugleich Abgaben an den Kurfürsten von Trier zahlen zu müssen. Stein des Anstoßes waren überdies die bestehenden Zollschranken und zu leistende Abgaben für Brücken und Chausseen.

Monopol auf Salzsteuer

Die unzweifelhaft verhassteste Steuer bildete die Salzsteuer, die Gabelle. Auf diese besaßen die Herzöge von Lothringen seit alters her ein Monopol . Den Ortschaften des Saargaues, wie denen des Haustadter Tales, war der Bezug eines bestimmten Quantums Salz vorgeschrieben, das sie jährlich mit ihren Gespannen aus weiter Entfernung von den ergiebigen lothringischen Salzwerken bei Dieuze, Marsal usw. herholen mussten. Das Salz, obwohl von minderer Qualität, kostete das Dreifache von dem, was die Dörfer des Kurstaates Trier zu bezahlen hatten.

Zudem bot das Forstregal Anlass zur Kritik , weil die Entnahme von Holz, das man zuvor nach Belieben aus den Wäldern nehmen konnte, unter der Herrschaft der Franzosen verboten war. Zuwiderhandlungen wurden von den Förstern protokolliert und mit Geldstrafen entsprechend geahndet. Seit uralter Zeit hatten die Bauern auch das Recht, ihr Vieh in den Wäldern weiden zu lassen, das Großvieh zur Langhalmweide, die Schweine zum Suchen von Bucheckern und Eicheln.

Dies war einer geordneten Waldpflege allerdings nicht unbedingt zuträglich und wurde von der Forstverwaltung des Königs nicht geduldet. Natürlich stieß diese Maßregel bei der Bevölkerung auf kein Verständnis, zumal man gewohnt war, mehr Vieh zu halten, als man auf dem zur Verfügung stehenden Ackerland zu ernähren vermochte.

Die Liste der Beschwerden befasste sich auch mit den Verpflichtungen gegenüber den örtlichen Grundherrschaften. Die im deutschen Reichsgebiet ansässigen geistlichen und weltlichen Herren, wie das Domkapitel Trier, die Abtei Mettlach und viele andere, hatten bei der Aufteilung des Kondominiums Merzig-Saargau ihre Rechte in den Ortschaften, die Frankreich zugeschlagen worden waren, behalten. Die hierauf anfallenden Abgaben zog die von der Bevölkerung gehasste Generalfinanzpacht des französischen Königs ein.

Neben den Zehnten und Fronen waren es besonders einige alte grundherrliche Rechte , die von der bäuerlichen Bevölkerung als besonders lästig und schikanös angesehen wurden. So waren die Einwohner eines Ortes beispielsweise gezwungen, ihr Getreide auf einer bestimmten grundherrlichen Mühle, der Bannmühle, mahlen zu lassen.

Mit den neuen vom französischen König erhobenen und den alten Lasten der Grundherren sahen sich die Bewohner des Saargaues besonders ungerecht und hoch belastet.

Als besondere Härte und einen Eingriff in die Familienrechte empfand man nicht zuletzt, dass der Grundherr beim Ableben des Familienoberhauptes den Anspruch auf das beste Stück Vieh im Stall, das sogenannte Recht des Besthauptes, hatte. Dies sah man als eine Art Tyrannei gegenüber den armen Witwen und Waisen an. Dies galt ebenso für die Notariatskosten und die Kosten für die Erstellung des Inventars, die im Falle des Todes des Familienoberhauptes anfielen.

Die Abfassung der Beschwerdeschriften und die Beteiligung der Bevölkerung an den Wahlen zur Nationalversammlung waren der Auftakt für die umfassende Umwälzung der sozialen und politischen Verhältnisse, die bald Schlag auf Schlag folgen sollten.

Der Sturm auf die Bastille in Paris am 14. Juli 1789 gilt als der eigentliche Beginn der Revolution. Gleichzeitig war dies jedoch ebenso der Anstoß für umfassende Reformen. Schließlich wurde den Bauern schon durch den Beschluss der Nationalversammlung vom 4. August 1789 fast noch mehr gewährt, als sie bei der Abfassung ihrer Beschwerdeschriften überhaupt zu hoffen gewagt hatten.

Neue Gesellschaftsordnung

Der Beschluss der Pariser Nationalversammlung schaffte die Ständegesellschaft und den Feudalismus ab und schuf mit der Verkündigung der Menschen- und Grundrechte die Fundamente für eine neue Staats- und Gesellschaftsordnung, die auf Freiheit und Gleichheit beruhte. Die damit einhergehende Bauernbefreiung und die Gewerbefreiheit eröffneten der ländlichen Bevölkerung, den Bauern und Tagelöhnern, und dem Handwerk in Stadt und Land neue Chancen, brachte zugleich aber die Risiken in einer neuen am Markt und auf Gewinn hin orientierten Gesellschaft freier Eigentümer.

Die Unruhen im Gefolge des Sturms auf die Bastille blieben nicht allein auf Paris beschränkt. Sie griffen auf das ganze Land über. In den grenznahen Territorien des deutschen Reichsgebietes waren die Sorgen und Lasten der Bevölkerung in vielerlei Hinsicht ähnlich wie in den lothringischen Gebieten. So befürchtete man auch in den an Frankreich angrenzenden Reichsterritorien, wie dem Kurfürstentum Trier, schon im Sommer 1789, der "Flächenbrand der Revolution" werde bald auch die Grenze überspringen. < Wird fortgesetzt.

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