Menschliche Wahlfreiheit endet am Karfreitag

Zum Karfreitag, dem Hinrichtungstag des Jesus von Nazareth, stellt sich die "K-Frage". Nein, natürlich soll und kann es hier nicht darum gehen, wer nächster Kanzler oder nächste Kandidatin wird. Die K-Frage zum Karfreitag ist die Kreuzes-Frage, die Frage nach dem Kreuz

Zum Karfreitag, dem Hinrichtungstag des Jesus von Nazareth, stellt sich die "K-Frage". Nein, natürlich soll und kann es hier nicht darum gehen, wer nächster Kanzler oder nächste Kandidatin wird. Die K-Frage zum Karfreitag ist die Kreuzes-Frage, die Frage nach dem Kreuz. Die Frage selbst ist schnell formuliert und lautet einfach nur: Warum? Warum führt Leben zum Tod? Warum muss ein Mensch ohne eigenes Verschulden leiden? Der, der da am Karfreitag am Kreuz hängt, Jesus von Nazareth, als Verbrecher verurteilt und hingerichtet, stellt selbst diese Frage: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?"Nachzulesen sind diese Worte in den neutestamentlichen Evangelien nach Matthäus und Markus. Es ist die verzweifelte Frage nach Sinn und Unsinn dessen, was Menschen in ihrem Leben begegnet. Dabei hatte er, der Mann aus Nazareth, diese Frage am Vorabend für sich selbst doch schon beantwortet. Im dunklen Garten von Gethsemane war ihm klar geworden, dass er sich entscheiden muss. Sollte er seinen Willen durchsetzen oder sich dem Willen Gottes beugen? Er entscheidet sich dafür, dem Willen Gottes Raum zu lassen und sein Schicksal im Vertrauen auf Gott gehorsam anzunehmen.

Deshalb stellt der Nazarener die K-Frage nicht für sich, sondern ordnet sich und sein persönliches Schicksal - missverstanden, verkannt, falsch beschuldigt und gequält - solidarisch in die Reihe unzähliger Menschen ein, die im Laufe ihres Lebens im Gebet oder

im Fluch, im Stillen oder im Schrei ihr verzweifeltes "Warum" in diese Welt getragen haben. Er tut das, indem er ein altes Gebet zitiert, den alttestamentlichen Psalm 22 zitiert, wo die K-Frage schon viele Jahrhunderte vor ihm ausgesprochen war: "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"

Dass Jesus von Nazareth stellvertretend für viele dieses "Warum?" aufnimmt, nimmt all denen den Wind aus den Segeln, die mit schnellen Antworten der K-Frage begegnen wollen. Sie werden keinen guten und rationalen Grund finden, warum Gott das Leiden und Sterben seines Sohnes Jesus Christus zulässt. Dieses Leiden und dieser Tod sind und bleiben für uns grund- und sinnlos. Es ist durch nichts im Leben Jesu gerechtfertigt. Es gibt auf die K-Frage keine Antwort - zumindest nicht am K(ar)freitag. Das Kreuz ist ungerecht und muss ein Irrtum sein.

In der Politik gibt es die Antwort auf die K-Frage auch erst am Tag der Entscheidung, am Wahlsonntag. Bei der Kreuzes-Frage ist dieser Tag der Entscheidung der Ostersonntag. Aber wer hat hier die Wahl? Die menschliche Wahlfreiheit endet am Karfreitag, Leiden und Tod lassen sich mit menschlicher Stimme nicht einfach abwählen oder überstimmen. Aber Gott hat seine Stimme noch nicht abgegeben. Er hat die Wahl und entscheidet mit seiner Stimme diese Wahl am Ostersonntag. Und seine Wahl fällt auf das Leben. "Der Tod wird nicht mehr sein!" - in diese Botschaft mündet die Bibel in ihrem abschließenden Buch, dem Buch der "Offenbarung". Mit seiner entscheidenden Stimme hebt Gott die Ungerechtigkeit des Karfreitags auf und schafft Gerechtigkeit. Die Treue und der Gehorsam des Leidenden bleiben nicht unerhört und unbeantwortet. Gott gibt dem Leben einen neuen Raum!

Der 45-jährige Marcus Bremges ist seit 13 Jahren Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Dörrenbach.

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