Menschenhandel am Bostalsee?

Nohfelden. Im Vergleich zum rumänischen Mindestlohn von 175 Euro hören sich Gehaltsversprechen von 1200 Euro in Deutschland verlockend an, obwohl weit unter hiesigem Tariflohn. Doch nicht mal diesen sollen Rumänen auf der Baustelle Ferienpark bekommen haben

Nohfelden. Im Vergleich zum rumänischen Mindestlohn von 175 Euro hören sich Gehaltsversprechen von 1200 Euro in Deutschland verlockend an, obwohl weit unter hiesigem Tariflohn. Doch nicht mal diesen sollen Rumänen auf der Baustelle Ferienpark bekommen haben. Vielmehr arbeiten rund 50 rumänische Bauarbeiter angeblich unter inakzeptablen Bedingungen an rund 400 Ferienhäusern.Aufmerksam wurden die Gewerkschafter und der Europäische Verein für Wanderarbeiterfragen (EVW) durch die Betroffenen selbst. Rund 30 von ihnen machten gestern den ganzen Tag über mit energischem Protest auf ihre Situation aufmerksam. Im Verlauf dessen kamen einige von ihnen sowie Markus Andler, Vize-Chef der IG BAU Rheinland-Pfalz/Saarland, und EVW-Organisationssekretär Mihai Balan mit Repräsentanten des beschuldigten Unternehmens zusammen. "Wir gehen hier nicht eher weg, bis wir das Geld haben", forderte Andler noch vor der Schranke des künftigen Ferienparks. Die Lage stelle sich dramatisch dar. "Die Arbeiter haben kein Geld mehr und kein Essen. Wir brauchen jetzt eine Lösung." Zwei Stunden harrten die Verbliebenen in der Kälte aus, bis die Delegation von der Verhandlung zurückkehrte. Andler: "Die Gesellschaft ist um eine rasche Lösung bemüht." Noch am Abend sollten die Gesprächspartner ein weiteres Mal zusammenkommen.

Die Gastarbeiter zogen am Nachmittag mit einem Autokorso vor das Nohfelder Rathaus. Dort, wo sie sich vor Arbeitsbeginn als Gewerbetreibende angemeldet hatten, statt als Angestellte mit einem Festgehalt von 1200 Euro auf der Baustelle zu arbeiten, wie ihnen in Rumänien zugesagt worden sein soll. Im Verwaltungshaus verlangten sie spontan ein Treffen mit Bürgermeister Andreas Veit (CDU), um ihre ausweglose Situation zu beschreiben. EVW-Vertreter Mihai Balan dolmetschte und berichtete: "Über die rumänische Firma New Jobs wurden sie angeworben, mussten dann 200 Euro in ihrer Heimat direkt und 300 Euro hier in Deutschland an einen rumänischen Vermittler zahlen." Der stelle die Verbindung zum deutschen Betrieb her. Dann seien die Arbeiter gezwungen worden, sich als Gewerbetreibende in Nohfelden anzumelden. Nach SZ-Informationen kamen in der Gemeinde seit Baubeginn Mitte 2011 bis Anfang März dieses Jahres 209 solcher Anmeldungen rumänischer Staatsbürger zusammen. Gewerkschafter Andler: "Das ist Scheinselbstständigkeit."

 Rumänische Arbeiter diskutieren vor der Baustelle, Gewerkschafter Markus Andler (Mitte, rote Jacke) berät sie. Foto: M. Zimmermann

Rumänische Arbeiter diskutieren vor der Baustelle, Gewerkschafter Markus Andler (Mitte, rote Jacke) berät sie. Foto: M. Zimmermann

Balan schilderte weiter: "Um Gehalt zu kassieren, müssen sie Rechnungen schreiben und an den rumänischen Vermittler weiterleiten." Doch dieser zahle nur sporadisch. Ein Betroffener habe nun für Dezember bis März für 14 Kollegen zusammen 8000 Euro erhalten. "Das ist der Anfangsverdacht für Menschenhandel: Sie wurden unter Täuschung der Arbeitsbedingungen und des zu erwartenden Geldes nach Deutschland gelockt", sagte Balan. Außerdem gerieten sie am Bostalsee in die Abhängigkeit ihres Vermittlers. Ohne Deutsch-Kenntnisse seien sie hoffnungslos verloren. Selbst die Verträge seien auf Deutsch verfasst. Sozialversichert bei der Berufsgenossenschaft, wie es das Bundesgesetz vorschreibt, seien sie ebenso wenig. Bürgermeister Veit zeigte sich tief betroffen und will heute Kontakt mit der Firma aufnehmen.

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