Die Religionsgemeinschaft Bahai feiert einen ihrer Stifter „Menschen zu dienen macht glücklich“

Saarbrücken · Am heutigen Dienstag feiern die Bahai den 200. Geburtstag des Wegbereiters ihrer Religion, den „Báb“ (1819-1850). Was ist das für eine Glaubensgemeinschaft, die zunehmend junge Menschen anspricht? Ein Gespräch mit zwei Bahai aus dem Saarland.

 Für die saarländische Bahai-Gemeinde ist das „Haus der Andacht“ in Hofheim-Langenhain im Taunus das nächstgelegenste Zentrum. Seine neun Eingänge symbolisieren die neun Weltreligionen.

Für die saarländische Bahai-Gemeinde ist das „Haus der Andacht“ in Hofheim-Langenhain im Taunus das nächstgelegenste Zentrum. Seine neun Eingänge symbolisieren die neun Weltreligionen.

Foto: Bahá'í International Community”/Ryan Lash

Wer sind die Bahai? Und welcher Lehre folgen sie? Sind sie gar eine Sekte? „Nein“, lacht Ferah Aksoy-Burkert. „Wir sind eine vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Religionsgemeinschaft, eine gemeinnützige Körperschaft des öffentlichen Rechts.“ Die Psychologin aus Quierschied hat Anna Leschnik aus Karlsbrunn mitgebracht, um über das anstehende Jubiläum und das Bahai-Gemeindeleben in unserer Region zu berichten.

Am heutigen Dienstag feiert die Gemeinschaft, die im Saarland rund 70 Mitglieder und bundesweit um die 6000 zählt, das 200. Jubiläum der Geburt des „Báb“, was im Arabischen „das Tor“ bedeutet. Er ist Vorläufer und Wegbereiter der Bahai-Religion, die zwar aus dem Islam entstanden ist, aber sozusagen das Beste aus allen monotheistischen Weltreligionen in ihrer Lehre vereint. Der „Báb“, Begründer der Babi-Religion, gilt den Bahai neben ihrem Stifter Baha’u’llah als eigenständige prophetische Gestalt, erklären die beiden Frauen. Weltweit hat ihre Religion rund sieben Millionen Anhänger, allein über zwei Millionen in Indien. Sie glauben, dass sich Gott immer wieder aufs Neue in Propheten wie Christus, Mohammed, Buddha oder eben Báb und Baha’u’llah offenbart hat.

Das theologisch-weltanschauliche Fundament der Bahai ist nicht einfach zu verstehen, weil es sich aus  vielen Schriften des eigenen Stifters aber auch aus dem Koran, der Bibel oder der Tora zusammensetzt. Entscheidend ist aber: Auf der Suche nach der „Wahrheit“ sind die Bahai angehalten, nachzudenken, sich ein eigenes Bild zu machen,  gute Menschen zu sein. „Eine Erziehung nach Tugenden und Werten ist für uns essentiell“, erklärt Anna Leschnik. Die Bahai vertreten ein handlungsorientierte Ethik.

Die 38-Jährige Mutter zweier Kinder organisiert die „Kinderklassen“ ihrer Gemeinschaft, zu der Kinder alle drei Wochen zusammenkommen. Dann geht es um Werte wie Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, Ehrlichkeit – all das, was auch ein humanistisches Weltbild ausmacht. Das klingt alles sehr aufgeklärt – und doch sind Mystik, Gebet, religiöse Botschaft und Offenbarung den Bahais sehr wichtig, sagen Aksoy-Burkert und Leschnik. „Allerdings haben wir keinen Klerus, keine festen Rituale und auch keine Taufe, sondern jeder Einzelne macht sich eigenständig aber trotzdem in der Gemeinschaft auf die Suche nach der Wahrheit“, sagt Aksoy-Burkert. Es gebe daher „keine Hemmschwellen“ beim eigenständigen Studium der Schriften. Für einen praktizierenden Bahai sei  es das Ziel, „der Menschheit zu dienen“. Religion als asketische Übung fürs eigene Seelenheil, wie sie in vielen  Religionen praktiziert wird, lehnen die Bahai ab.

Die Gemeinschaft spielt bei den Bahai eine große Rolle. Alle 19 Tage trifft man sich, meist im privaten Rahmen. Für größere Zusammenkünfte fahren die Saarländer auch zum „Haus der Andacht“ in Langenhain im Taunus. Untereinander bezeichnet man sich als „Freunde“ und auch wer sich nicht zum Glauben an den Propheten Baha’u’llah bekennt, ist herzlich willkommen. Denn Interreligösität und Toleranz werden ganz groß geschrieben – und der Glaube an das Gute im Menschen, an Werte und Tugenden, nach denen es gilt zu leben für ein gelingendes Miteinander. „Wir haben ein positives Menschenbild und sehen den Menschen als ein lernendes Wesen“, sagt Ferah Aksoy-Burkert. Anna Leschnik ergänzt: „Wir glauben, dass jeder etwas beitragen kann, Frieden zu schaffen.“

Und so ist auch das „Dienen“ ein Kernbestandteil der Bahai-Lehre. Gemeinnützige Arbeit wird daher auch schon in den so genannten Junior-Programmen praktiziert. „Es macht einfach glücklich, Menschen zu dienen“, strahlt Anna Leschnik, die selbst mehrere Wochen lang im Bahai-„Haus der Andacht“ unentgeltlich arbeitete. Da sich die Gemeinschaft aus Spenden ihrer Mitglieder organisiert, sind solche Dienste auch nötig. Organisiert sind die Bahai übrigens in Räten auf verschiedenen Ebenen, deren gleichberechtigte Mitglieder vorgeschlagen und dann demokratisch gewählt werden.

Die Bahai scheinen gut zu passen in die moderne, globalisierte, äußerst diversifizierte Welt. Ihre universale Botschaft spricht auch junge Menschen an, die sich für eine gerechtere Gesellschaft und gegen die Zerstörung der Lebensräume engagieren. „Wir haben festgestellt, dass junge Leute den Weg zu uns finden“, sagt Aksoy. Auch wenn sich die Religionsgemeinschaft nicht (partei-)politisch einmischt, einen Wunsch äußert Ferah Aksoy-Burkert dennoch, gerade im Hinblick auf die Diskussion um den konfessionell gebundenen Religionsunterricht in Schulen: „Wir fänden einen interreligiösen Ethik-Unterricht, der Werte und Tugenden vermittelt, sehr gut.“ Denn das Gute sei in allen Religionen zu finden, ergänzt Anna Leschnik.

  Das Weltzentrum der Bahai am Berg Karmel in Haifa (Israel) beherbergt die Gebeine der Religionsgründer Bab und Baha‘u‘llah. 

Das Weltzentrum der Bahai am Berg Karmel in Haifa (Israel) beherbergt die Gebeine der Religionsgründer Bab und Baha‘u‘llah. 

Foto: Bahai Media Bank
 Anna Leschnik und Ferah Aksoy-Burkert (rechts) gehören zur Bahai-Gemeinde im Saarland.

Anna Leschnik und Ferah Aksoy-Burkert (rechts) gehören zur Bahai-Gemeinde im Saarland.

Foto: Esther Brenner/Esther brenner

Infos und Kontakt unter Tel. (01 72) 68 11 36 60.

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