Menachem Kallus vermittelt lebendige Geschichte

St. Wendel. "Ohne Zeitzeugen bleibt Geschichte blass. Wir brauchen die Gesichter, die dahinter stehen, um Geschichte lebendig werden lassen", erklärte Lehrer Alexander Besch in der Aula des Wendalinum-Gymnasiums. Rund 100 Schüler der Klassen neun bis elf hatten sich dort versammelt, um genau das zu erleben: lebendige Geschichte

 Menachem Kallus

Menachem Kallus

St. Wendel. "Ohne Zeitzeugen bleibt Geschichte blass. Wir brauchen die Gesichter, die dahinter stehen, um Geschichte lebendig werden lassen", erklärte Lehrer Alexander Besch in der Aula des Wendalinum-Gymnasiums. Rund 100 Schüler der Klassen neun bis elf hatten sich dort versammelt, um genau das zu erleben: lebendige Geschichte.Denn ein besonderer Zeitzeuge war zu Gast: der Holocaust-Überlebende Menachem Kallus. Begleitet wurde er von seiner Schwester Emmie Arbel, eine Überlebende des Konzentrationslagers (KZ) Ravensbrück, sowie der Schauspielerin und Kabarettistin Alice Hoffmann, die Kallus' englische Worte ins Deutsche übersetzte.

"Ich will euch meine Geschichte erzählen", wandte sich Kallus an die Jugendlichen und schilderte, wie sich sein Leben innerhalb weniger Tage vollständig änderte. Der Sohn ungarischer Juden lebte in Holland, als das Land 1940 von der deutschen Wehrmacht überrannt wurde. Von diesem Zeitpunkt an war nichts mehr, wie es war", erinnert sich Kallus. Bekannte seien grundlos verhaftet worden und für immer verschwunden. Nazi-Terror habe das tägliche Leben bestimmt. Sein Vater wurde ins KZ Buchenwald verschleppt und starb dort. Kallus kam zuerst mit seiner Mutter ins Frauen-Konzentrationslager nach Ravensbrück, später nach Sachsenhausen, bis er 1945 von amerikanischen Soldaten befreit wurde.

Fast schon ungläubig lauschten die Schüler, als der 78-Jährige vom oft grausamen Lager-Alltag berichtete. Zehn Jahre war Menachem Kallus alt, als er deportiert wurde. Für ihn der Tag, an dem seine Jugend endete: "Ich war 13, als der Krieg vorbei war, aber ich fühlte mich wie ein Mann von 40. Ich bin innerhalb kurzer Zeit erwachsen geworden, weil ich lernen musste, zu überleben."

Während der anschließenden Fragerunde interessierten sich viele Schüler dafür, wie es nach Kriegsende für den Überlebenden weiterging. "Wieder ins normale Leben zurückzukehren war sehr schwierig", erklärte Kallus. "Ich hatte Erfahrungen gemacht, die nicht viele haben." Er sei zuerst nach Holland zurückgekehrt und dort wieder zur Schule gegangen. Doch nur für kurze Zeit: "Ich fühlte mich wie ein erwachsener Mann und konnte nicht mehr mit 13-Jährigen auf der Schulbank sitzen." 1949 wanderte er nach Israel aus und trat dort in die Luftwaffe ein.

 Menachem Kallus berichtete in St. Wendel eindringlich über das Leben in einem KZ, hier ein Bild aus Buchenwald. Fotos: Archiv

Menachem Kallus berichtete in St. Wendel eindringlich über das Leben in einem KZ, hier ein Bild aus Buchenwald. Fotos: Archiv

Kallus, der heute in der Nähe von Haifa lebt, berichtet, dass er lange nicht über seine Erlebnisse sprechen konnte. Bis er sich 2001 entschloss, sein Schicksal niederzuschreiben. Seitdem besucht er Deutschland regelmäßig, um Kinder- und Jugendliche über den Holocaust aufzuklären. Und ihnen lebendige Geschichte zu vermitteln. vsc

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