Mehr sanfter Verkehr für die Stadt

St. Ingbert. Von einer europaweiten Verkehrswende spricht Werner Matthias Ried. Er darf auf dem Gebiet als Experte gelten, schließlich ist er bei der Deutschen Bahn Verkehrsplaner und steht im Austausch mit benachbarten Ländern. "Gerade unser Nachbar Frankreich ist sehr aktiv", sagt der 45-Jährige

 Gerhard Stengel und Werner Ried vom VCD machen sich für "sanften Verkehr" in St. Ingbert stark. Foto: Cornelia Jung

Gerhard Stengel und Werner Ried vom VCD machen sich für "sanften Verkehr" in St. Ingbert stark. Foto: Cornelia Jung

St. Ingbert. Von einer europaweiten Verkehrswende spricht Werner Matthias Ried. Er darf auf dem Gebiet als Experte gelten, schließlich ist er bei der Deutschen Bahn Verkehrsplaner und steht im Austausch mit benachbarten Ländern. "Gerade unser Nachbar Frankreich ist sehr aktiv", sagt der 45-Jährige. Dort werden nach seinen Ausführungen breite Straßen schmäler, Radfahrer und Fußgänger bekommen auf den Verkehrsflächen mehr Raum und Recht. Aber auch in der direkten Nachbarregion Lothringen tue sich einiges: "Es wird auf Rad- und Fußverkehr gesetzt. Man will weg von dem auch sehr kostspieligen Autoverkehr." Eine gute Entwicklung, findet Ried.Eine Entwicklung, die nach seiner Beobachtung in unserer Region noch nicht angekommen ist. Oder wie sich der seit 2005 in der Stadt lebende Familienvater wohlmeinend ausdrückt: "St. Ingbert hat hier noch tolle Entwicklungsmöglichkeiten." Das findet auch Gerhard Stengel, mit Ried aktives Mitglied im Verkehrsclub Deutschland (VCD). Gemeinsam sind sie in die Redaktion gekommen, um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen. Gerade in der Biosphäre Bliesgau mit der Mittelstadt als Bestandteil sollte der "sanfte Verkehr" - per Pedes, auf dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln - ihrer Meinung nach bessere Chancen bekommen. Ried arbeitet daran schon fast so lange, wie er in St. Ingbert wohnt. Ob privat oder als Mitglied des Fahrradclubs ADFC - der überzeugte Radfahrer setzt sich mit verschiedenen Aktionen für umweltfreundliche Verkehrsmittel ein. Bislang sei diesen Bemühungen kein großer Erfolg beschieden, räumt er ein. Gespräche mit der Stadtverwaltung zeigten keine Ergebnisse. Der ADFC habe im Gefolge der Veranstaltung Radlust Anfang 2010 eine 50-Punkte-Liste zusammengetragen, wie der Verkehr in der Biosphärenstadt St. Ingbert mit teils einfachen Mitteln zu verbessern wäre. Ried: "Nicht eine dieser Maßnahmen ist bislang umgesetzt worden." Frustrierend ist das für den Verfechter des sanften Verkehrs.

Aufgeben wollen Ried und Stengel nicht. Eine Schar Interessierter gründet jetzt innerhalb des Verkehrsclubs einen "Ortsverein St. Ingbert & Biosphäre Bliesgau", um mit wachsender Lobby im Rücken etwas zu bewegen. Ein besseres Rad- und Fußwegenetz fordern die VCD-Männer genauso wie eine Beschäftigung mit dem "Shared-Space-Modell (Begegnungszonen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer im Straßenraum), Stärkung des Bus- und Bahnverkehrs, weniger Ampeln und Berücksichtigung von Nicht-Autofahrern beim Einrichten von Baustellen und Neubauten. Das neue Rewe im Kaufpark, erläutert Stengel etwa, habe zwar viele Parkplätze, zu Fuß sei es aber nicht von allen Seiten sicher zu erreichen.

Die Gründungsveranstaltung für den VCD-Ortsverein "St. Ingbert & Biosphäre Bliesgau" findet am kommenden Montag, 20. Juni, in der Gaststätte Perplex in der Fußgängerzone statt. Beginn 19.30 Uhr.

Meinung

Ohne Lobby läuft nichts

Von SZ-RedakteurMichael Beer

Zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln - wer in unserer Gesellschaft dem dröhnenden und stinkenden Individualverkehr die kalte Schulter zeigt, ist schnell als Spinner verschrien. Die automobile Freiheit scheint ein hohes Gut vergleichbar mit den Artikeln des Grundgesetzes. Doch wachsende Lärmbelastung, Umweltverschmutzung, Stress hinterm Steuer, verstopfte Straßen und Autobahnen zeigen deutlich: Ein Umdenken ist erforderlich. Das fängt beim Gang zum Bäcker an und endet bei der Frage, ob die täglichen Arbeitskilometer tatsächlich alleine im eigenen Gefährt bewältigt werden müssen. Eine Biosphärenstadt wie St. Ingbert muss an dieser Stelle nicht nur nachdenken, sondern auch handeln. Schade in dem Zusammenhang, dass die seit Jahren in verschiedenen Koalitionen Verantwortung tragenden Grünen eher schlafmützig daherkommen. Impulse stammen aus dem privaten Bereich. Die VCD-Ortsgruppe hat viel Arbeit vor sich. Und wird als Lobby für die notwendige Verkehrswende unverzichtbar sein.

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