Malerei bewahrt die Spuren

Homburg · Im Saalbau ist eine hochkarätige Ausstellung des Architekturmalers Alexander Dettmar zu sehen. Dettmar stieß zufällig in Güstrow auf das Thema, seitdem lassen ihn die über 2500 zerstörten deutschen Synagogen nicht mehr los. Er entreißt sie mit Malerei dem Vergessen.

 Die Synagogen in Peine, Saarbrücken und in Merzig (von links) sind seit Jahrzehnten aus dem Stadtbild verschwunden. Alexander Dettmar rekonstruierte sie künstlerisch anhand von noch verbliebenen Unterlagen und bannte sie auf die Leinwand. Fotos: Maack

Die Synagogen in Peine, Saarbrücken und in Merzig (von links) sind seit Jahrzehnten aus dem Stadtbild verschwunden. Alexander Dettmar rekonstruierte sie künstlerisch anhand von noch verbliebenen Unterlagen und bannte sie auf die Leinwand. Fotos: Maack

. Der Architekturmaler Alexander Dettmar weilte anlässlich seiner Ausstellung über Norddeutsche Backsteingotik einige Zeit im mecklenburgischen Güstrow, der Heimatstadt des Künstlers Ernst Barlach.

Dettmar bezog ein Atelier gegenüber dem mittelalterlichen Backstein-Dom und erfuhr vom Dompfarrer, dass vor 1938 in der Nähe auch eine Synagoge gestanden habe. Dettmar forschte nach und stellte fest, "dass davon heute nur noch ein schmutziger Parkplatz übrig geblieben ist. Keine Gedenktafel wies darauf hin, was hier einst war. Das hat mich geärgert." Und so tat Dettmar das, was ihm nahe lag: Er griff zu Pinsel, Leinwand und Farbe und malte die verschwundene Synagoge, "so groß wie den Dom". Das hört sich im ersten Moment sehr einleuchtend an, gestaltet sich aber höchst kompliziert - denn wie visualisiert man etwas, das längst verschwunden ist?

Die inzwischen auf 140 Synagogen-Bilder angewachsene Sammlung von Alexander Dettmar ist deshalb auch ein Zeugnis seiner intensiven Beschäftigung mit den jüdischen Gemeinden innerhalb Deutschlands. Man könne die Synagogen nicht isoliert betrachten, sondern müsse sie im Zusammenwirken mit ihrer Epoche sehen, sagt der Künstler - und erwähnt dabei auch die Impulse in der Kunst, der Musik und der Literatur, die von den jüdischen Mitbürgern ausgingen und untrennbar zur deutschen Kultur zählen, ebenso wie die Synagogen einst ganz selbstverständlich zum Stadtbild gehörten.

Dettmar stöberte alte Fotografien auf, suchte Architekturzeichnungen in den Archiven, ließ sich die Synagogen beschreiben, ihre Merkmale, ihre Stellung innerhalb der Stadt. "Ich wollte mit den warmen Tönen auch die Vertrautheit darstellen, die diese Synagogen im Stadtbild bedeuteten".

In Hannover beispielsweise haben die katholische Kirche, die evangelische Kirche und die Synagoge in einer Reihe gestanden. Das war ein gewohntes Bild im 19. Jahrhundert, ganz im Zeichen der Aufklärung.

Erst die Hetze der Nazis entzweite diese Gemeinsamkeit, noch in der Pogromnacht wurde der Rabbiner von Hannover ins Lager verbracht, die Synagoge ging in Flammen auf.

Die Nazis hatten die Niedertracht, den Rabbiner wenige Tage später aus dem Lager zu holen, ihn ins Auto zu zerren, um ihn bis Hannover zu fahren, damit er seine zerstörte Synagoge mit eigenen Augen sehen möge. Es seien viele "hässlichen Details", auf die man stoße, sagt Dettmar, für den die Beschäftigung mit den zerstörten Synagogen auch ein kleiner Beitrag gegen das Vergessen ist.

In Deutschland standen die meisten und vielfältigsten Synagogen der Welt. Anlässlich einer Ausstellung im jüdischen Leo-Beck-Insitut in New York baten ihn die Nachkommen deutscher Juden, doch bitte weiterzumalen. Denn außer Alexander Dettmar gibt es sonst keinen, der gegen das Vergessen der deutschen Synagogen anmalt.

 Alexander Dettmar vor dem Bild der Leipziger Synagoge.

Alexander Dettmar vor dem Bild der Leipziger Synagoge.

 Die alte Berliner Synagoge

Die alte Berliner Synagoge

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Auf einen BlickAlexander Dettmar wurde 1953 in Freiburg im Breisgau geboren. Ausstellungen: 1993 "Steine für die Ewigkeit - Ein jüdischer Friedhof in Berlin", Kunsthalle Bremen und Jüdisches Museum Berlin. 1994 "Auf Goethes Spuren - Eine Reise durch Deutschland", Ausstellung: Schirn Frankfurt und Stadtschloss Weimar, Stiftung Weimarer Klassik. 1995 Ernst Barlach Preis, 1996 "Steine des Nordens, Bilder Norddeutscher Hansestädte", Ausstellung im Kloster zum Heiligen Kreuz, Rostock und St. Annen-Museum, Lübeck. 1997: Auf Einladung von Prof. Hans-Joachim Giersberg, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten als Gastmaler in den Römischen Bädern in Sanssouci, danach Ausstellung in Potsdam. 1998: Auf Einladung des Goethemuseum in Rom Aufenthalt in der Casa di Goethe. 2000 "Norddeutsche Backsteingotik", Ausstellung der Ernst Barlach Stiftung, Güstrow. 2002: "Über die Dächer flieg ich hinaus ins Land", Begegnungen des Malers Alexander Dettmar mit dem Saarland. Die Ausstellung "Bewahrt ihre Spuren - Zerstörte deutsche Synagogen" ist vom 16 Januar bis 4. Februar in der Galerie im Saalbau zu sehen. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag von 10 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr, Sonntagsvon 14 bis 17 Uhr.

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