Männer sollen Mädchen entführt haben, um sie zu verheiraten

Saarbrücken. Mit einem spektakulären Fall der Geiselnahme beschäftigt sich derzeit das Landgericht Saarbrücken. Angeklagt sind zwei Männer türkischer Abstammung aus Morhange in Lothringen. Sie sollen die 17-jährige Nichte des einen Angeklagten mit Gewalt entführt haben, um sie zur Zwangsheirat in die Türkei zu schaffen

Saarbrücken. Mit einem spektakulären Fall der Geiselnahme beschäftigt sich derzeit das Landgericht Saarbrücken. Angeklagt sind zwei Männer türkischer Abstammung aus Morhange in Lothringen. Sie sollen die 17-jährige Nichte des einen Angeklagten mit Gewalt entführt haben, um sie zur Zwangsheirat in die Türkei zu schaffen. Der 38-jährige Onkel und der 36-jährige Helfer bestreiten die Entführung nicht, wohl aber die Absicht der Verschleppung zur Zwangsheirat.Die Entführte ist inzwischen volljährig. Als Nichte eines der Angeklagten braucht sie nicht auszusagen. Von diesem Recht macht sie Gebrauch. Ebenso widerspricht sie der Verwertung ihrer früheren Aussage.

Ein Richter des Amtsgerichts Saarbrücken, der die Vernehmung durchführte, berichtete jetzt vor der Strafkammer aus seiner Erinnerung. Was er wiedergab, entspricht weitgehend der Anklage. Es ist eine filmreife Geschichte. Danach lebte die 17-jährige Gymnasiastin bei ihren Eltern in Frankreich und hatte einen französischen Freund. Das passte ihren Eltern nicht, auch nicht ihr Kleidungsstil. Bei einer Frau dürfen nur das Gesicht, die Hände und die Füße zu sehen sein, sagte ihr Vater im Zeugenstand. Er habe nichts gegen die Entführung, nicht mal gegen die Verletzungen, die die Tochter dabei erlitt. Bereits im Mai dieses Jahres wurde das Mädchen im Hause ihres Onkels zwei Wochen gegen ihren Willen eingesperrt. Bei einem Arztbesuch gelang ihr die Flucht. Sie kam bei der Familie ihres Freundes unter. Das Haus stand unter Beobachtung ihrer Angehörigen. Am 5. Juni 2011 wollten die jungen Leute nach Saarbrücken ins Schwimmbad fahren. Vor einer Baustellenampel in Hanweiler (Gemeinde Kleinblittersdorf) setzte sich der Onkel mit seinem Auto schräg vor die beiden. An Haaren und Handgelenken zerrte der Onkel seine Nichte aus dem Auto, schleifte sie über den Boden und stieß sie in sein Auto. Der Helfer "kümmerte" sich um den Freund. Der wollte dem Mädchen helfen. Er konnte sich befreien und sprang von hinten auf das Auto der Entführer. Dabei ging die Heckscheibe zu Bruch und er verletzte sich, so dass er aufgeben musste.

Der Onkel raste mit der Entführten davon, der Helfer nahm das Auto des jungen Mannes, um diesen an der Verfolgung zu hindern. Später ließ er das Auto stehen und wechselte in den Fluchtwagen. Ziel soll Duisburg im Ruhrgebiet gewesen sein, wo man die Frau zunächst bei Verwandten verstecken wollte. Ein Gynäkologe sollte sie untersuchen, ob sie noch Jungfrau war. Dann sollte sie in die Türkei gebracht werden, wo der von der Familie ausgesuchte Bräutigam auf sie wartete. Während der Fahrt wurde das Mädchen mit einer Scherbe bedroht, man werde sie töten, wenn sie sich dem Willen der Familie widersetze.

Auf der Autobahn flogen Glasstücke von der zerbrochenen Heckscheibe auf die Motorhaube eines dahinter fahrenden Wagens. Dessen Fahrer informierte per Handy die Polizei in Landstuhl über den Unfall und die Fahrerflucht und folgte den Entführern. An einer Kläranlage bei Miesau endete die Entführung. Beamte befreiten die völlig eingeschüchterte junge Frau und nahmen die Entführer fest. Seither sitzen sie in Saarbrücken in Untersuchungshaft.

Der Prozess sollte zunächst am 5. Januar fortgesetzt werden. Nach Auskunft des Landgerichts wurde dieser Termin nun aufgehoben. Damit ist die Hauptverhandlung länger als drei Wochen unterbrochen, wodurch das Verfahren möglicherweise neu aufgerollt werden muss. jht

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