Madonnen in Gefahr

Saarbrücken · Metall-Diebe haben auf Friedhöfen leichtes Spiel. Wenn sie die Figuren, die für Angehörige von Verstorbenen einen oft unersetzlichen Wert darstellen, abgebrochen haben, entkommen sie meist unerkannt.

 Sie geben Friedhöfen eine besondere Atmosphäre: eine trauernde Madonna auf einem Saarbrücker Gräberfeld. Foto: Oliver Dietze

Sie geben Friedhöfen eine besondere Atmosphäre: eine trauernde Madonna auf einem Saarbrücker Gräberfeld. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

. Den Gräbern verstorbener Angehöriger lassen viele Menschen im Saarland eine besondere Pflege und Aufmerksamkeit angedeihen. Es sind nicht wenige Gräber im Saarland, auf denen die Verwandten Madonnen-, Engel- oder Christus-Figuren, Grablichter, Kugeln oder Kreuze aufgestellt haben, um ihren Liebsten eine letzte Ehre zu erweisen. Doch dieser Grabschmuck ist zunehmend bedroht, denn meist besteht er aus Metallen wie Bronze, Messing oder Kupfer. Wie die SZ jetzt aus den Polizeiberichten der Inspektionen im Saarland entnahm, entwendeten Metall-Diebe 2013 mehr als 700 Figuren von den Friedhöfen. Landespolizeisprecher Horst Peter Schäfer sagte dazu, dass die Landespolizei diese Daten der einzelnen Polizeiwachen nicht im eigenen Datensystem recherchieren könne. Die Ermittlungsgruppe "Metall" sei Ende 2012 aufgelöst worden, derzeit kümmere sich noch ein Kollege um Metalldiebstähle. 2012 hatten die Ermittler allerdings eine Bande aus Völklingen verfolgt und dingfest gemacht, die tonnenweise Metall etwa von Bahnlinien oder von Industriebetrieben gestohlen hatte. "In Sachen Friedhofsdiebstähle gab es auch Festnahmen 2013", erklärte Schäfer.

Doch die meisten der Täter entkommen unerkannt. Allein in der Nacht vom 22. auf den 23. August stahlen Metalldiebe bis zu 600 Metallfiguren vom größten Friedhof im Saarland, dem Saarbrücker Hauptfriedhof, wie die Polizei mitteilte. "Die Täter wurden nicht gefasst", sagte der Leiter des Saarbrücker Friedhofsbetriebes Uwe Kunzler der SZ. Für die Hinterbliebenen, die die Gräber betreuen, seien diese Diebstähle eine "sehr schwere Sache". "Die Menschen werden tief in ihrer Seele getroffen", sagte Kunzler. Denn die Aufstellung der Madonnen- oder Engelsfiguren sei eine Art der Trauerbewältigung. Er selber entzünde am Grab eines nahen Angehörigen immer eine Kerze, die sich in einem Metallgefäß befinde. Diese Grablichter sind ebenfalls Ziel der Diebe. "Man hat keine Chance gegen diese Diebe, man ist hilflos", erklärte der Friedhofsbetriebsleiter. Das Aufstellen von Videokameras sei technisch, weil es keinen Strom gebe, als auch gesetzlich nicht möglich. Auch Polizeisprecher Schäfer sagte, eine Videoüberwachung der Friedhöfe sei "nicht angedacht". Allerdings hätten die Inspektionen, in deren Bereichen häufiger Madonnen von Friedhöfen gestohlen wurden, ihre "Präsenzstreifen" erhöht. Die Polizisten hätten Friedhofsbesucher angesprochen und Flugblätter verteilt, auf denen gebeten wird, "verdächtige Wahrnehmungen" umgehend der Polizei zu melden. Zudem hätten die Seniorensicherheitsberater alte Menschen über die Diebstähle auf Friedhöfen informiert.

Rückläufig gegenüber 2012 sei 2013 die Zahl der angezeigten Fälle von Störungen der Totenruhe gewesen. Diese Störungen, wie zum Beispiel das Umstoßen oder Zerstören von Grabsteinen während des Metall-Diebstahls, seien von 78 auf 32 gesunken. Die Feststellung, ob es sich um eine Störung der Totenruhe handele, sei nicht immer eindeutig zu treffen.

In St. Ingbert-Oberwürzbach, von dessen Friedhof einige Figuren gestohlen wurde, berichtete Diakon Werner Lampel, dass die Betroffenen die Madonnen nicht ersetzt hätten. Gertrud Klöpperpieper von der Opferschutzorganisation "Weisser Ring" Saarbrücken (Tel.: 0 68 06/60 37 63) bot Betroffenen an, über "den Kummer, den Ärger und die Wut, die durch die Diebstähle ausgelöst werden, zu sprechen".

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