Porträt des Fotografen und Dokumentarfilmers Lukas Ratius Ein kunstvoller Blick auf Knödelfest und Hähnewettkrähen
Saarbrücken · In der Stadtgalerie Saarbrücken wird an diesem Freitag, 18. Februar, eine neue Ausstellung eröffnet. Der Fotograf und Dokumentarfilmer Lukas Ratius präsentiert hier seine originellen Arbeiten. Und er freut sich, dass ihn seine Kunst auch seiner saarländischen Heimat näherbringt.
Fast noch ein bisschen ungläubig wirkt Lukas Ratius, als er durch die Räume der Stadtgalerie schreitet, wo seine erste institutionelle Einzelausstellung „Der Apparat und andere Geschichten“ eröffnet wird. Glücklich könne er sich schätzen, mit Katharina Ritter, Leiterin der Stadtgalerie, und der von ihr ermöglichten Ausstellung, sagt Ratius. „Das ist auf jeden Fall ein fetter Haken auf meiner To-Do-Liste“, ergänzt der Fotograf und Dokumentarfilmer strahlend.
Schon im vergangenen Sommer hat er seinen Fotoband „Der Apparat“, der auf der Shortlist des Deutschen Fotobuchpreises 2021/2022 ausgezeichnet wurde, im Hof der Stadtgalerie vorgestellt. Einige der Aufnahmen dieses Fotobuches sind nun eine Etage höher gewandert, in die Ausstellungsräume der Stadtgalerie.
Sie beschäftigen sich mit „Staat beziehungsweise Staatlichkeit“, wie Lukas Ratius sagt. Allerdings fernab von den großen, tradierten Narrativen von Macht, Struktur und großen politischen Persönlichkeiten. Die Aufnahmen zeigen Pflanzen in Büros, zeigen Waschbecken, ein Paar Turnschuhe vor Zellentüren oder blankpolierte Lackschuhe.
Lukas Ratius hat den Staat, diesen großen Apparat, in seine Kleinteiligkeit zerlegt, fast bis ins Unbedeutende. Zwei Jahre lang hat Ratius dazu saarländische staatliche Institutionen und Schnittstellen besucht. Zunächst einmal habe er sich einem größeren, längeren Arbeitszyklus annehmen wollen, möglichst niedrigschwellig zu erreichen, in seiner Heimat dem Saarland.
„Was mich beim Fotografieren auch immer antreibt, ist eben auch ein persönlicher Sammlungstrieb, eine Art Archivierungswahn“, grinst Ratius, „ich konnte irgendwann nicht mehr aufhören“. Ratius ließ sich frohen Mutes in die Untiefen des Staatsapparates hinabziehen, vom Landtag zur Staatsanwaltschaft bis schließlich zum Verfassungsschutz. „Der Luxus als Fotograf ist ja auch, dass die persönliche Neugierde befriedigt wird“, schmunzelt er.
„In erster Linie interessiere ich mich glaube ich zunächst einmal persönlich für Dinge und habe dann den Beruf des Fotografen, der da irgendwie mitschwingt“, erklärt Ratius weiterhin.
Überhaupt ist Lukas Ratius erst auf Umwegen zur Fotografie gekommen: Naiv gezeichnet hab er von Kind bis Jugendlicher, erzählt Ratius, es folgten „furchtbare Zeitarbeit“ und dann das Studium an der HBK im Bereich Kommunikationsdesign.
Auch wenn er sich dort schon ab und an in Fotografie-Kursen wiederfand, habe er seine Passion fürs Fotografieren erst 2014 auf einer Reise in einem VW-Bus durch Indien entdeckt. „Dort habe ich vier Monate quasi jeden Tag fotografiert und gemerkt, dass ich das super finde“, erklärt Ratius, „das war aber noch eine sehr naive Fotografie, ich habe einfach alles festgehalten was da war“.
Es sei dann ganz klar gewesen, dass er sich für sein Diplom fotografisch mit einem Thema auseinandersetzen wolle. „Ich bin dann 2016 nach Süditalien gereist und habe dort die Stadt Taranto und ihre Fußballfans porträtiert“, erklärt Ratius, „dort war ich vorher mal mit Freunden im Urlaub, wir hatten getrunken und die Fußballfans dann irgendwie kennengelernt und daraus ist eine Freundschaft entstanden“. Er ergänzt: „Ich finde diesen Kosmos einfach spannend“.
Das Fotografieren habe ihm aber auch seine Heimat, das Saarland, wieder näher gebracht, sagt Ratius. „Dadurch, dass ich schon so lange hier lebe, verbindet mich mit dem Saarland gewissermaßen eine Hassliebe“ erklärt er. Durch das Fotografieren habe er es aber geschafft, eine Neugier auf die ihm schon so lange vertraute Umgebung zu entwickeln. „Wenn ich die Kamera in der Hand habe, ist es eigentlich ganz egal, ob ich hier fotografiere oder woanders, das Gefühl ist ähnlich“ erklärt Ratius, „das hat mich total gefreut, als ich das festgestellt habe“.
So zeigt die Ausstellung in der Stadtgalerie auch Aufnahmen, die Ratius auf seinen Streifzügen durch das Saarland und seine Kultur sammelt. Straßenecken, Kirmesplätze, Gesichter und Landschaften. Aber auch das Knödelfest in Düren oder das Hähnewettkrähen in Ensheim. „Solche Geschichten sagen ja auch über den Schlag von Leuten, die hier leben, etwas aus“, sagt Ratius, „etwas, das ich gar nicht unsympathisch finde, es ist eine andere Welt, die durchaus aber beleuchtenswert ist“.
Der Blitz, den Lukas Ratius sowohl in seinen Apparat-Arbeiten als auch in jenen, die Alltägliches abbilden, zum Einsatz bringt, verleiht dem Dargestellten etwas Artifizielles, eine Art mythischen Tiefgang, der die Augen länger an den Bildern des Alltäglichen als am Alltäglichen selbst hängen lässt. Die Aufnahmen laden ein zum Innehalten, dazu, auch das, was jeden Tag vor einem liegt zu betrachten, wahrzunehmen.
Dem Impetus der Archivierens, des Sammelns des Alltäglichen, folgen auch die Arbeiten von Ratius' Serie „Sprachgewalt“, die im Hof der Stadtgalerie zu sehen sind. Ratius schaut nicht nur genau hin, wenn er sich draußen bewegt, sondern hört auch genau hin. Er schnappt immer wieder Satzfetzen auf, oft ulkig, meist herrlich-banal, sammelt sie und inszeniert sie auf gelbem Hintergrund als literarische Zitate. „Das Interesse hinter beiden Arbeitsmodi ist das selbe, und auch die Momente sind glaube ich ähnlich, nur die Formalie ist eine andere“, erklärt Ratius.
Im März reist Lukas Ratius erneut nach Taranto, „diese Stadt gibt viel her, deswegen fotografiere ich dort auch immer noch“, sagt er. Und auch weitere Projekte gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Philip Majer sind geplant. Mit dem hat Ratius im letzten Jahr nämlich auch schon den Dokumentarfilm „18+ Deutschland“ realisiert.
An diesem Freitag, 18. Februar, 19 Uhr, eröffnen in der Stadtgalerie am St. Johanner Markt die beiden Einzelausstellungen „Tupamaras Technophallus“ von Anna Ehrenstein und „Der Apparat und andere Geschichten“. http://lukasratius.de/