SZ-Sommerinterview „Eine Lücke, die nur schwer zu füllen ist“

Linken-Landesvize Barbara Spaniol spricht über eine Zukunft ohne Oskar Lafontaine und die Titel-Affäre ihres Vorstandskollegen.

 Barbara Spaniol, die künftige Landesvorsitzende der Linken? Sie hält sich bedeckt und findet eine Doppelspitze interessant.

Barbara Spaniol, die künftige Landesvorsitzende der Linken? Sie hält sich bedeckt und findet eine Doppelspitze interessant.

Foto: Dietmar Klostermann

Frau Spaniol, Sie sind jetzt zum SZ-Sommergespräch als stellvertrende Vorsitzende der Saar-Linken gekommen, da es seit eineinhalb Jahren nach dem krankheitsbedingten Rücktritt von Jochen Flackus keinen Parteichef mehr gibt. Warum nur Sie und nicht auch die beiden gleichberechtigten Vize-Chefs, Dr. Andreas Neumann und Patricia Schumann?

SPANIOL Es hat sich in den vergangenen Jahren bewährt, dass immer nur eine Person aus dem vielköpfigen Vorstand am SZ-Sommergespräch teilnimmt. In diesem Jahr müssen Sie daher aus zeitlichen und organisatorischen Gründen mit mir vorliebnehmen.

Bei Herrn Dr. Neumann gibt es momentan starke Zweifel daran, ob er seinen Doktortitel zu Recht führt. Haben Sie denn bereits Neumanns Doktorarbeit gesehen? Kennen Sie Neumanns Doktorvater an der englischen Uni Lancaster?

SPANIOL Nein, den kenne ich nicht. Wir kennen nur die Vorwürfe. Und wir wissen, dass es Prüfungs- und Ermittlungsverfahren gibt.

Müsste Herr Dr. Neumann nicht von sich aus für Klarheit sorgen?

SPANIOL Er hat sich bisher in der Saarbrücker Zeitung und auch bei uns im Landesvorstand geäußert.

Aber da war ja keine Klarheit über seinen Doktortitel zu sehen…

SPANIOL Für Klarheit werden die Behörden sorgen, nachdem sie die im Raum stehenden Vorwürfe untersucht haben.

Es gibt ja keine Vorwürfe, sondern es geht schlicht darum, dass Neumann belegt, dass er den Doktortitel zu Recht führt.

SPANIOL Soweit mir bekannt ist, wird er in dieser Sache anwaltlich vertreten. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Strategie dort verfolgt wird.

Ist nicht angesichts der Tatsache, dass Dr. Neumann nicht eindeutig zur Aufklärung beiträgt, bereits der Zeitpunkt gekommen, dass er sein Amt des Saar-Linken-Vizes ruhen lassen oder von sich aus zurücktreten müsste? Haben Sie ihm das angeraten?

SPANIOL Es gibt solche Stimmen in der Partei, die – je nach Sichtweise – durchaus berechtigt sind. Aber bis jetzt weiß niemand, was im ministeriellen Verwaltungsverfahren und im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vorgetragen wurde und wie der aufgeklärte Sachverhalt letztlich bewertet werden wird.

Sie sehen also keinen Imageschaden für die Partei durch die Vorgänge um Dr. Neumann?

SPANIOL Natürlich ist eine solche sensible Thematik nicht förderlich für unsere Außendarstellung. Ich bin aber auch gegen Vorverurteilungen und schätze rechtsstaatliche Verfahren. Erst danach ist ein Ruf nach Konsequenzen sinnvoll. Und bedenken Sie bei alledem: Schon in wenigen Wochen wählen wir ohnehin den ganzen Landesvorstand neu, also alle Positionen.

Warum gibt es seit eineinhalb Jahren keinen Vorsitzenden der Saar-Linken?

SPANIOL Weil der im November 2017 neu gewählte Vorsitzende Jochen Flackus schon nach kurzer Zeit aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste. Das war und ist eine schwierige Situation für Partei und Landesvorstand. Aber ich meine, diese haben wir versucht, gut zu meistern. Wir haben zum Beispiel bis vor wenigen Wochen den Europa- und Kommunalwahlkampf organisatorisch begleitet und sind als Partei im Wahlkampfstress auch zusammengerückt. Jedenfalls hat die vorsitzlose Zeit bald ein Ende, wie gesagt, im September wird neu gewählt.

Werden Sie sich beim Landesparteitag im September als Vorsitzende bewerben?

SPANIOL Priorität haben jetzt vor allem im Vorfeld Gespräche mit allen Kreisverbänden und mit dem Jugendverband. Damit wir am Ende eine Lösung mit einem Team als Vorschlag haben werden, mit dem sich die Basis in ihrer Breite identifizieren kann. Wählen werden dann allerdings die Delegierten des Landesparteitages, und zwar frei und geheim.

Sie sprechen von Team. Wird es eine Doppel- oder Dreifachspitze geben?

SPANIOL Eine Doppelspitze fände ich interessant...

...schon aus Ihren grünen Tagen?

SPANIOL (lacht) Ja, irgendwo schon, das finde ich wirklich gut. Ich bin überzeugt, dass eine Doppelspitze gerade auch in schwierigen innerparteilichen Zeiten funktionieren kann. Wir haben in der Bundestagsfraktion und auf Bundesebene eine Doppelspitze, wir haben sie in anderen Landesverbänden. Einer Umsetzung stehen aber noch Satzungsfragen entgegen.

Sie würden für eine Doppelspitze zur Verfügung stehen?

SPANIOL Wie gesagt, Vorrang haben jetzt erst mal die Gespräche mit der Basis, die warten wir mal ab. Wichtig ist jedenfalls, dass politische Themen und ein konstruktives sachliches Miteinander im Vordergrund stehen mit Blick auf den neuen Landesvorstand.

Haben Sie Angst um die Zukunft der Saar-Linken, wenn Oskar Lafontaine eines Tages aus Altersgründen als Fraktionsvorsitzender nicht mehr zur Verfügung stehen sollte? Haben Sie die Befürchtung, dass die Saar-Linke dann kopflos wird?

SPANIOL Wir arbeiten in der Fraktion sehr gut zusammen, ich lasse auf meinen Fraktionschef nichts kommen und ich hoffe, dass er uns mit seiner enormen Erfahrung noch lange erhalten bleibt. Aber wir müssen uns schon damit auseinandersetzen, was danach kommt. Er ist ein Aushängeschild der Linken und der Begründer unserer Partei. Wenn ein Ausnahmepolitiker wie er abtritt, hinterlässt das immer eine Lücke, die nur schwer zu füllen ist.

Ist sie zu füllen?

SPANIOL Es muss ja irgendwie weitergehen. Die Partei lebt. Wir stehen im Saarland besser da als in vielen anderen Bundesländern. Darauf werden wir aufbauen. Struktur und Fundament sind vorhanden. Wir werden uns alle gemeinsam bemühen, dass das funktioniert, wenn wir einmal aus dem großen Schatten heraustreten müssen.

Oskar Lafontaine hat im Saarland eine starke Bindungswirkung für die Partei und die linken Wähler. Trotzdem ist Ihnen mit Dagmar Ensch-Engel eine Abgeordnete aus der Landtagsfraktion abhandengekommen. Befürchten Sie, dass es solche Absetz- und Spaltungsbewegungen nach einem Abtritt von Oskar Lafontaine noch stärker geben wird?

SPANIOL Also danach sieht es heute wirklich nicht aus. Manche Causa war im Rückblick wirklich sehr bedauerlich. Es bringt nichts, Gegensätze aufzubauen zwischen Fraktion und Partei. Hier gilt vielmehr, dass zusammengeführt werden muss. Darum werde ich mich immer bemühen. Dass hingegen die Partei in irgendeiner Form gespalten wird, das glaube ich nicht. Sicherlich geht es – wie sonstwo übrigens auch – mal turbulent zu und es gibt auch manche, die sich in herzlicher Abneigung zugetan sind, aber im Wahlkampf sind letztlich alle doch wieder zusammengestanden, weil wir eben eine Partei sind.

Der einzige Linke im Land, der eine recht herausragende Rolle spielt in einer Stadtverwaltung, ist der Saarbrücker Sicherheitsdezernent Harald Schindel. Der große Probleme hat mit der Feuerwehr, sowohl mit der Berufsfeuerwehr als auch mit der Freiwilligen Feuerwehr, wo er zwei Chefs schasste. Wie beurteilen Sie Schindels Politik?

SPANIOL Man tut ihm unrecht, wenn man seine Stadtverwaltungspolitik auf zwei Feuerwehrführungskräfte beschränkt, die ja augenscheinlich in ihren eigenen Reihen nicht unumstritten sind. Das war auf der Dezernentenebene sicherlich keine einfache Geschichte und da gelingt auch nicht immer alles so, dass alle zufrieden sind, das ist klar. Ich persönlich schätze Harald Schindel als klugen Kopf. Aber seine Arbeit vor Ort muss letztendlich der Saarbrücker Stadtrat bewerten und nicht die Partei oder die Landtagsfraktion.

Sie sehen Schindels Vorgehen nicht kritisch?

SPANIOL Das Handling in Sachen Feuerwehr ist ziemlich unglücklich gelaufen. Aber hier trägt auch die bisherige Oberbürgermeisterin Verantwortung. Insofern ist eine kritische Sicht sehr wohl angezeigt, da haben Sie Recht.

Wo sehen sie in Zukunft die Rolle der saarländischen Linken im politischen Spektrum? Die Lage hat sich ja durch die Klimadebatte radikal gewandelt, die Grünen haben starken Aufwind, seit die „Fridays for Future“-Schülerbewegung immer wieder demonstriert.

SPANIOL Im letzten Saarlandtrend haben wir uns stabil gehalten mit zwölf Prozent. Das war bei dieser Konkurrenz schon eine gewisse Leistung. Aber richtig ist auch: Die Grünen, die mit nur vier Prozent bei der letzten Landtagswahl aus dem Parlament geflogen sind, wären jetzt wieder dabei. „Fridays for Future“ ist für mich eine ganz wichtige Bewegung. Ich finde das spektakulär und sehr unterstützenswert, wie die Schüler mobilisiert haben für das Thema der Zukunft. Das wird weitergehen und das ist gut so. Zu der zentralen Zukunftsfrage gehört für uns aber auch die soziale Frage. Viele Menschen, die an der Armutsgrenze leben, würden sich gerne beteiligen an dem, was dort gefordert wird. Aber sie können es sich nicht leisten. Stattdessen wird ihnen vielleicht die Miete erhöht, weil der Eigentümer ökologisch saniert hat. Ökologisches Wirtschaften und Leben ist nur möglich durch Umverteilung, weil es nur funktioniert, wenn der ärmere Teil der Bevölkerung in der Lage ist mitzumachen. Wer es wirklich ernst meint mit dem Klimaschutz, der muss auch ein Wirtschaftssystem in Frage stellen, das von ständigem Wachstum und ungezügeltem Konsum lebt. Wer einen ökologischen Umbau will, der kommt ohne die Infragestellung der herrschenden Eigentums- und Produktionsverhältnisse nicht aus. Und deshalb braucht es Die Linke im politischen Spektrum mehr denn je.

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