Lesung in Blieskastel Songforscher Michael Behrendt: „Viele Schlagertexte sind klischeehaft, aber stimmig“

Blieskastel · „Mein Herz hat Sonnenbrand“ lautet der Titel des Buchs von Michael Behrendt: Mit der Lektoren-Lupe wird auf Songtexte geschaut. Am Freitag liest er in Blieskastel.

 Musikjournalist und Autor Michael Behrendt

Musikjournalist und Autor Michael Behrendt

Foto: Ernst Stratmann

„Mein Herz hat Sonnenbrand“ heißt das neue Buch des Musikjournalisten Michael Behrendt. Die schräge Metapher hat sich der Autor aus einem Bata Ilic-Schlager entlehnt. Um solche bizarre Ausdrücke, songlyrische Pannen und stilistische Fehlgriffe in der Musik geht es in dem humorvollen Band, der Songtexter von Michael Wendler bis zu Philipp Boa auf die Schippe nimmt. Am 2. Juni liest Behrendt um 19 Uhr im Biergarten der Klosterschenke in Blieskastel.

Wie kamen Sie auf die Idee für so ein Buch?

Behrendt: Ich bin Musikfan und schreibe schon länger über Songs, die mich interessieren, bin aber hauptberuflich auch Lektor, Korrektor und Faktenchecker. Das heißt, ich arbeite mit Sprache und damit, dass ich sie genauer untersuche. Da war es naheliegend, dass ich auch mal mit dem Lektorenblick auf Songtexte schaue.

Der Schlager im Faktencheck!

Behrendt Aber nicht nur Schlager, es ist ja von Rock über Pop bis Dance-Musik von allem ein bisschen dabei.

In Ihrem Blog zitieren Sie Ihren Lieblingssatz aus einem SWR-Radiobeitrag: „Es muss die Lust am Schmerz sein, die Behrendt dazu getrieben hat, an die 200 Songtexte zu analysieren.“ Sind Sie Masochist?

Behrendt (lacht) Nein, bin ich nicht. Ich fand das einfach sehr witzig formuliert. Das Ganze hat im Gegenteil sehr viel Spaß gemacht. Die Leute, die es lesen, denken sicher: Mein Gott, da hat er sich sicher eine Menge Abgründe reingezogen. Aber so war es gar nicht. Wenn man solche Songs entdeckt, klar, dann schüttelt man einerseits den Kopf. Andererseits finde ich es auch unheimlich witzig und unfreiwillig komisch, was die Leute da produziert haben. Das hat durchaus Unterhaltungswert.

Gibt es überhaupt Schlagertexte, die nicht schwachsinnig sind?

Behrendt Oh ja, eine ganze Menge. Man muss ja sehen, was im Buch ist – und was alles nicht im Buch ist.

Alles, was nicht im Buch erwähnt ist, geht also durch?

Behrendt Naja, das kann man so auch nicht sagen! Ich habe natürlich nur einen Ausschnitt ausgewählt, habe, das genommen, was mir aufgefallen ist. Anderen fällt anderes auf. Viele Schlagertexte sind klischeehaft, aber in sich stimmig. Auf Klischees muss ich nicht herumreiten, das ist nun mal so. Aber wenn das in sich logisch ist und die Bilder passen, dann hab ich dagegen nichts einzuwenden. Insofern sind die meisten Schlagertexte handwerklich in Ordnung. Es gibt eben die paar Ausreißer, die ich im Buch vorstelle.

Aber ich finde die Stelle aus Josie von Peter Maffay genial: „Der Tag geht abends schlafen und wacht als Morgen auf.“

Behrendt Sie meinen das jetzt ernst? Dass das hoch poetisch ist?

Das drückt doch gut aus, dass Josie, das Mädchen, zur Frau wird.

Behrendt Aber was ist dann mit dem Mittag? Der legt sich vielleicht auch schlafen und schreckt als Nachmittag wieder hoch. Wann geht die Nacht morgens schlafen und wacht als Abend wieder auf? Das Lustige ist, dass Johannes Oerding als Cheftexter des letzten Maffay-Albums das noch mal aufgegriffen hat und schrieb: „Der müde Tag geht mit uns schlafen / Die Flasche Wein bleibt mit uns wach.“ Dann frag ich mich: Gibt’s denn auch die Flasche Whisky, die irgendwann schlapp macht? Mir ist gerade jetzt erst aufgefallen bei Josie, da gibt es nämlich auch die Zeile: „Und nur heimlich wenn es keiner merkt / Sieht man sie darin spazieren gehen“ – das ist ja ein Paradoxon. Wenn es keiner merkt, kann es auch keiner sehen… solche Sachen interessieren mich. Was da für ein Unsinn steht, wenn man mal genauer hinsieht.

Welchen deutschen Hit empfinden Sie textlich als gelungen?

Behrendt Ich habe ja Grönemeyer mit viel Negativbeispielen drin, aber er hat auch ganz tolle Sachen gemacht wie „Was soll das“. Auch Udo Lindenberg finde ich total gut und Annette Humpe.

Hat Sie bei der Recherche etwas überrascht im Sinne von: Also dem hätte ich jetzt einen solchen Schwachsinn nicht zugetraut?

Behrendt Ja. Es gab einerseits die positiven Überraschungen, etwa Bands aus der DDR mit richtig tollen Texten. ‚Silly‘ oder so was, da waren wirklich sehr schöne Sachen dabei. Negativ überrascht war ich bei ‚The BossHoss‘. Das letzte Kapitel im Buch, ‚Rock ’n’ Roll als Herrenwitz‘, beschreibt den dermaßen sexistischen und schlüpfrigen Schweinkram, den die absondern. Das hatte ich nicht erwartet, welche Dimensionen das bei denen einnimmt.

Sie haben ja viele von deutschen Muttersprachlern auf Englisch getextete ‚Lyrics‘ untersucht. Ist es aber nicht bei allen Nicht-Muttersprachlern so, dass sie Fehler im Englischen machen?

Behrendt Eigentlich nicht. Ich finde, dass mittlerweile die von Deutschen geschriebenen englischen Texte ganz okay sind. So kleine Unregelmäßigkeiten sind ja auch charmant. Die kleinen Eigenheiten des Denglischen sind nicht schlimm. Schlimm wird’s nur, wenn es grobe grammatikalische Patzer gibt oder die falschen Freunde benutzt werden. Das hatte man in den Sechziger- und Siebzigerjahren noch nicht so bemerkt, weil sich das Englische hier noch nicht so durchgesetzt hatte.

Sie zitieren The Lords mit „my mother learned me to say“…

Behrendt … da hatten sich die jungen Leute an Rock und Pop orientiert, aber keinerlei Erfahrung und sich ihr Englisch quasi zusammen-imitiert und neu erfunden. Das hat sich heute durch Englisch im Schulunterricht so ergeben, dass die Texte in der Regel passabel sind.

Sie lassen vielleicht auch einen Muttersprachler drüberlesen.

Behrendt Frank Bornemann von Eloy behauptet das, aber es gab wohl auch Platten, wo sie das nicht gemacht haben. Es gibt auch Bands wie Guano Apes, wo ich denke, da hätte vielleicht mal jemand drüber lesen sollen. Philip Boa wiederum schert sich wohl gar nicht um die Texte, es geht ihm nur um Atmosphäre und Stimmung. Der hat wohl gar kein Problem damit, dass er sich da etwas zusammen radebrecht. 

Haben Sie denn schon mal einen Songtext geschrieben?

 Behrendt Hab‘ ich. Ich hab‘ mal als Jugendsünde in einer Band gespielt und auch versucht zu singen. Natürlich auch auf Deutsch und auf Englisch. Ich finde es nicht einfach, und das waren sicherlich auch keine lyrischen Spitzenleistungen, die ich da von mir gegeben hat. Man brauchte eben was zum Singen.

Karten gibt es an der Abendkasse und vorab bei der Gollenstein Buchhandlung in Blieskastel, Telefon (0 68 42) 53 95 35 oder per Mail an
info@gollenstein-buchhandlung.de.

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