Lernen vor der Haustür

St Wendel · Das Bildungs-Netzwerk St. Wendeler Land verknüpft außerschulische Lernorte und Bildungseinrichtungen. Das Ziel: Der Nachwuchs soll mehr über die eigene Heimat erfahren. Das Projekt läuft seit drei Jahren. Die Saarbrücker Zeitung stellt es in einer Serie vor. Heute ist der Auftakt.

 Die Heimat erfühlen: Kinder entdecken die heimische Flora und Fauna. Foto: Kulani

Die Heimat erfühlen: Kinder entdecken die heimische Flora und Fauna. Foto: Kulani

Foto: Kulani

Dass Bildung von enormer, wenn nicht entscheidender Bedeutung für die Entwicklung eines Kindes ist, für seine späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie für die Entfaltung seiner Persönlichkeit, dürfte wohl kaum einer bestreiten. Dass Kinder wissen sollten, was um sie herum passiert, was ihre Heimat ausmacht, was eigentlich genau der örtliche Bauer oder Imker machen, wohl auch nicht. Vor allem im ländlichen Raum gibt es zahlreiche Orte, an denen der Nachwuchs mit allen Sinnen die Umgebung entdecken kann: der Bauernhof, die Kelterei, das Heimatmuseum, der heimische Wald. Denn nicht nur im Klassenraum kann gelernt werden. Anschaulicher Lernstoff vor der Haustür - eigentlich ideales Schulthema. Doch wie dies dauerhaft verbinden, die Schule mit Orten in der Umgebung, an denen anschaulich Natur und Kultur dargestellt werden?

Eine mögliche Lösung: der Aufbau einer Bildungslandschaft. Die Idee dahinter ist, Schulen und außerschulische Lernorte stärker zu vernetzen, diese Lernorte stärker im Unterricht zu verankern. Im Landkreis St. Wendel läuft seit 2011 ein eben solches Projekt: das Bildungs-Netzwerk St. Wendeler Land, ein Projekt des Bildungs- und Kulturinstitutes des Landkreises (Kubi) im Rahmen des Leader-Programms der Kulturlandschaftsinitiative St. Wendeler Land (Kulani). "Dadurch bekommen wir Fördermittel der Europäischen Union (EU). Von den 180 000 Euro Gesamtkosten übernimmt die EU 120 000 Euro", erklärt Projektleiterin Eva Henn. Henn ist seit fast drei Jahren dabei, im St. Wendeler Land kommunale Bildungslandschaften zu etablieren, diese zu vernetzen. "Dabei gab es zwei Hauptkomponenten: Zunächst jene Orte aufzunehmen, die sich bereit erklären, Kindern außerhalb der Schule in Ergänzung zum Unterricht Natur und Kultur näher zu bringen. Und dann der Versuch, diese im Unterricht zu verankern", erläutert Henn. Denn der Besuch des örtlichen Waldes unter professioneller Führung, des Heimatmuseums oder der lokalen Obst- und Gartenbauvereine solle nicht nur ein einmaliges Event - etwa am Wandertag - bleiben, sondern in Vor- und Nachbereitung im Unterricht integriert werden. Die Zielgruppe seien Kinder im Alter von drei bis zwölf Jahren. Henn: "Da sind Kinder besonders aufnahmefähig, da kann eines der Ziele, eine emotionale Bindung zur eigenen Heimat aufzubauen, vielleicht leichter erreicht werden."

Am Anfang stand also die Aufnahme aller außerschulischen Lernorte im Landkreis. Dazu ging Henn auf die Bildungseinrichtungen zu - über 67 verfügt der Landkreis: 39 Kindergärten und -tagesstätten, drei Gymnasien, 16 Grundschulen inklusive Außenstellen (Dependancen), sieben weiterführende Schulen, zwei Förder- und eine Waldorfschule. Gleichzeitig die Aufnahme potenzieller Lernorte. "Zunächst wurde im Ort geschaut, was es gibt. Dem folgte die Aufnahme der gemeindespezifischen, aber auch jener Lernorte, die über eine größere Infrastruktur verfügen und somit mehr zu zeigen haben und kreisweit als Lernort in Frage kommen", sagt Henn. Der Wendelinushof falle in diese Kategorie, oder das Museum Theulegium in Tholey.

Verankerung im Lernplan

Bis jetzt sind 75 außerschulische Lernorte aufgenommen worden. Drei Gemeinden verfügen bisher über kommunale Bildungsnetzwerke, also über kleine Netzwerke von Bildungseinrichtungen und außerschulischen Lernorten auf Gemeindeebene: Tholey, Marpingen, St. Wendel. Henn arbeite gerade daran, weitere Netzwerke in den Landkreis-Gemeinden zu installieren. Daraus entstand eine Handreichung für Bildungseinrichtungen, in der aufgeführt ist, welche außerschulischen Lernorte zur Verfügung stehen, was sie bieten, was gezeigt werden kann, was die Zielgruppe und wer Ansprechpartner ist.

Doch es gibt noch viel zu tun: Pädagogen wie Betreiber der außerschulischen Lernorte werden qualifiziert, um das Angebot sinnvoll zu nutzen. Und vor allem stehe noch eine bürokratische Meisterleistung an: Die Verankerung der außerschulischen Lernorte in den Lehrplänen. Henn ist optimistisch, dass dies zu packen sei: "Denn es ist eine sinnvolle Ergänzung des Lehrplans. Außerdem ist es etwas, was ich mir selber in meiner Kindheit gewünscht hätte." Eine zeitgemäße, anschauliche Heimatkunde - Heimat modern eben.

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