Leben ohne Castings war besser

Manches im Leben suchen wir uns nicht aus. Die Eltern zum Beispiel. Meine Eltern entschieden sich, ihre Heimat Kroatien, damals noch Jugoslawien, zu verlassen, und Kinder in Deutschland in die Welt zu setzen. Das ist legitim. Manchmal gar nützlich: Im Moment erhöht es meine Chancen auf den Fußball-Europameistertitel. Mein Herz schlägt doppelt: für Kroatien und Deutschland

Manches im Leben suchen wir uns nicht aus. Die Eltern zum Beispiel. Meine Eltern entschieden sich, ihre Heimat Kroatien, damals noch Jugoslawien, zu verlassen, und Kinder in Deutschland in die Welt zu setzen. Das ist legitim. Manchmal gar nützlich: Im Moment erhöht es meine Chancen auf den Fußball-Europameistertitel. Mein Herz schlägt doppelt: für Kroatien und Deutschland. Meine Fußball-Liebe habe ich mir übrigens auch nicht selbst ausgesucht. Zwei fußballverrückte Brüder ließen mir keine Chance. Mit ihnen lernte ich das Panini-Album von der "Euro 1984" auswendig.Nach der "Euro 1984" wechselte ich von der Grundschule aufs Gymnasium. Auch das habe ich mir nicht ausgesucht. In meiner badischen Heimatstadt gab es nur ein Gymnasium. Heute ist alles komplizierter, weiß ich von meiner besten Freundin und ihrem Sohn. Die beiden erlebten vor einiger Zeit einen Casting-Marathon. Heute können Eltern ihr Kind nicht einfach auf jedem Gymnasium anmelden. Nein, einige private Gymnasien in Saarbrücken suchen sich ihre Schüler aus. Natürlich nennen die Schulen das nicht Casting. Mutter und Sohn standen unter nervlicher Anspannung. Bei einem Gespräch, erzählte mir der Kleine, habe ihn eine Mathematiklehrerin ausgefragt. Hobbys? Ob er ein Musikinstrument spiele? Welches Fach er möge? "Sie fragte auch ständig noch nach meinem Halbbruder? Ich habe sie dann verbessert: Bruder." Die Lehrerin bestand aber auf "Halbbruder". "Warum sagen Sie immer Halbbruder?", wollte der Junge wissen. "Na, weil ihr verschiedene Mütter habt", antwortete sie. "Aber das hört sich an, als würde eine Hälfte fehlen." Als die Ablehnung der Schule kam, war der Kleine traurig. "Sie mochte mich wohl nicht", sagte er zu seiner Mutter. "Vielleicht hätte ich ihr das mit dem Halbbruder durchgehen lassen sollen?" Das Leben ohne Castings war besser. Wie gut, dass Brüder und Fußball gleich gut geblieben sind.

Was war früher in Saarbrücken besser? Schreiben Sie mir eine Mail an marija.herceg@gmx.de.

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