Laut lachen, leise unterhalten

Dillingen/Merzig. Vom Tisch neben der Treppe im Merziger Brauhaus tönt nur ab und zu mal ein Lacher, ansonsten ist es dort still. Gesprächsfetzen kommen nur von den Tischen rundherum. Die zwölf Menschen am Tisch unterhalten sich ebenfalls, aber mit den Händen. In Gebärdensprache stellen sie sich vor, lernen sie sich kennen, erzählen sie Witze

 Lebhaft geht es beim Gebärdenstammtisch zu. Fotos: J. Kallenbrunnen

Lebhaft geht es beim Gebärdenstammtisch zu. Fotos: J. Kallenbrunnen

Dillingen/Merzig. Vom Tisch neben der Treppe im Merziger Brauhaus tönt nur ab und zu mal ein Lacher, ansonsten ist es dort still. Gesprächsfetzen kommen nur von den Tischen rundherum. Die zwölf Menschen am Tisch unterhalten sich ebenfalls, aber mit den Händen. In Gebärdensprache stellen sie sich vor, lernen sie sich kennen, erzählen sie Witze.Elisabeth Schrecklinger hat den Gebärdenstammtisch organisiert. Die 32-Jährige selbst kann hören, hat aber schon seit Jahren Interesse an Gebärdensprache. Das Treffen alle vier Wochen richtet sich an alle, die neugierig sind, die Gebärdensprache besser zu verstehen. "Am Anfang stand ein ganz eigennütziger Gedanke", sagt Schrecklinger. Bei der KEB Bous hatte sie einen Gebärdenkurs gemacht. Im Gespräch mit anderen will sie "drin bleiben und nichts verlernen".

Der Stammtisch trifft sich seit April 2011. Die meisten kommen aus dem Kreis Saarlouis. "Aber da können wir uns nicht treffen, kaum ein Lokal dort ist behindertengerecht", sagt Schrecklinger. Inzwischen hat der Stammtisch Zulauf aus allen Richtungen: Dillingen, Merzig, Losheim, Trier, Luxemburg. Heute neu dabei ist ein Paar aus Hilbringen. Der Mann legt Zeige- und Mittelfinger ans Kinn neben seinen Spitzbart - "ich heiße" - und buchstabiert seinen Namen mit dem Fingeralphabet: G-Ü-N-T-E-R. Günter und seine Frau Gertrud sind gehörlos und hatten am Morgen vom Treffen in der Zeitung gelesen. "Ich freue mich, wenn Menschen offen sind und einfach dazukommen", sagt Schrecklinger.

Ulrike Guldner aus Saarlouis hat 2006 ihren ersten Gebärden-Kurs gemacht. "Es hat mich schon als Kind fasziniert, wenn im Fernsehen die Nachrichten für Gehörlose übersetzt wurden. Ich dachte: Das will ich auch mal können", sagt die 44-Jährige.

Der Kellner kommt und bringt das Essen. "Kebab ist für sie", sagt Schrecklinger und zeigt auf Gertrud, die den Aufruf des Kellners nicht hören konnte. Sie formt mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis und reibt sich den Bauch: Guten Appetit.

Ursprünglich bestand der Stammtisch ausschließlich aus Teilnehmern der Gebärdenkurse von Paul Endres bei der KEB Bous. Andere hat Reinhold Wirth im Internationalen Verein für Umwelterkrankte (IVU) geworben. Der Dillinger Verein will seine kranken, zum Teil behinderten Mitglieder auch mit anderen Vereinen vernetzen. "Es gibt auch Gehörlose in unserem Verein", sagt der Vorsitzende Wirth, "die sollen zwanglos und mit Genuss auch in den Kontakt mit anderen treten."

An den Gebärdensprachkursen nehmen überwiegend Menschen aus dem sozialen Bereich teil, "die davon ausgehen, dass sie einmal in die Situation kommen, sich mit einem Gehörlosen verständigen zu müssen", sagt Paul Endres, Leiter der KEB Bous. Meist begrüßt er Rettungssanitäter, Erzieher, Lehrer und Polizisten.

Knapp die Hälfte der Anwesenden ist gehörlos. "Ein Kern von zehn Leuten ist inzwischen immer da", sagt Elisabeth Schrecklinger. Viele haben die Gebärdensprache nie richtig gelernt, unterhalten sich mit Hörenden und Gehörlosen. Der gemeinsame Nenner der Menschen am Tisch: Sie wollen sich in Gebärdensprache verständigen und sich mit (anderen) Gehörlosen unterhalten. "Beim letzten Mal haben wir festgelegt, dass wir pro Treffen mindestens eine halbe Stunde lang nur gebärden", sagt Schrecklinger. Weil nicht jeder Gehörlose Lippen lesen kann und damit diejenigen, die sich normalerweise in Lautsprache unterhalten, das Gebärden nicht verlernen. Wenn nicht jeder gleich alles versteht, dolmetscht eben jemand. Damit jeder alles mitkommt und sich alle miteinander unterhalten können.

Auf einen Blick

Der nächste Gebärdensprachkurs der KEB Bous findet im März statt, samstags: am 10., 17. und 24. März.

 Gebärdensprache führt unterschiedliche Menschen zusammen.

Gebärdensprache führt unterschiedliche Menschen zusammen.

 Paul Endres (links) bietet Gebärdensprachkurse an.

Paul Endres (links) bietet Gebärdensprachkurse an.

Der nächste Gebärdenstammtisch findet am Donnerstag, 9. Februar, im Hochwälder Brauhaus am Stausee Losheim statt. Beginn ist um 19 Uhr. kj

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