Historische Niederlage der CDU Pressestimmen zur Landtagswahl im Saarland: „Hans ist nicht an allem schuld“

Saarbrücken · Die CDU erlitt bei der Landtagswahl im Saarland eine historische Niederlage, die SPD triumphierte und könnte sogar alleine regieren. Die Pressestimmen überregionaler Medien im Überblick.

Stimmen aus der Bundespolitik zur Wahl im Saarland
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Scholz‘ Freude und Wisslers Enttäuschung: Stimmen aus der Bundespolitik zur Wahl im Saarland

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Die SPD hat bei der ersten von vier Landtagswahlen in diesem Jahr am Sonntag im Saarland einen klaren Sieg eingefahren. Laut vorläufigem Endergebnis kamen die Sozialdemokraten auf 43,5 Prozent der Stimmen (2017: 29,6). Sie errangen 29 der 51 Sitze im Landtag und wären somit nicht auf einen Koalitionspartner angewiesen.

Anke Rehlinger, bisher Vizeregierungschefin und Wirtschaftsministerin im Kabinett von Tobias Hans sowie SPD-Vizechefin im Bund, sagte am Sonntagabend im ZDF: „Es scheint jetzt so zu sein, dass es einen klaren Hinweis darauf gibt, dass die absolute Mehrheit die Form ist, mit der wir die nächsten Jahre die Zukunft des Landes gestalten. Wir haben uns viel vorgenommen. Und das wollen wir jetzt auch umsetzen."

Pressestimmen zur Landtagswahl im Saarland: „Hans ist nicht an allem Schuld"
Foto: dpa/Uwe Anspach

Die CDU von Hans stürzte auf 28,5 Prozent ab, nachdem sie vor fünf Jahren noch 40,7 Prozent geholt hatte. Die Christdemokraten hatten fast 23 Jahre lang ohne Unterbrechung die Regierungschefin oder den Regierungschef gestellt. Hans hatte am Sonntagabend eine Entscheidung über den Rücktritt als CDU-Landeschef angekündigt. „Es war mir eine Ehre, diesem Land gedient zu haben als Ministerpräsident, und eine Ehre, euch als Parteivorsitzender gedient zu haben“, sagte der 44-Jährige.

Aus CDU-Parteikreisen verlautete, dass die Mandatsträger aus Landesvorstand und Fraktion nun einen Neuanfang wollten. Es sei wohl unvermeidbar, dass Hans als Parteivorsitzender zurücktrete, hieß es. Vermutet wurde, dass er aber Landtagsabgeordneter bleiben werde.

Landtagswahl im Saarland: Pressestimmen 

FAZ-Redakteur Jasper von Altenbockdem kommentierte unter dem Titel „Hans ist nicht an allem Schuld“: „Tobias Hans konnte Rehlinger nicht viel entgegensetzen. Zwar war er im Bund qua Amt präsenter als seine Herausforderin, aber das zählte im Saarland nicht viel. Hier überzeugte nicht nur ihre Persönlichkeit, ihre Geradlinigkeit, sondern auch, dass der SPD-Wirtschaftsministerin in den meisten Politikfeldern mehr Kompetenz zugeschrieben wurde. Einen Amtsbonus, in vielen Wahlen der Garant für den Wahlsieg auch ohne Charisma, gab es nicht. (...) Gegen die Schuldzuweisung an Hans spricht, dass es die Bundestagswahl war, die den Trend auch im Saarland änderte. Dieser Einbruch für die CDU kam nahezu überall, egal in welcher Konstellation. In manchen Ländern konnte sich die CDU danach wieder erholen, im Saarland nicht. Seither trudelte Tobias Hans einer Niederlage entgegen, die am Ende schlimmer kam als erwartet.“

Im „Handelsblatt“ ist zu lesen: „Friedrich Merz stand zwar im Saarland nicht zur Wahl. Doch am Sonntag hat er sich die erste Schramme geholt. Die Erwartungen an den neuen CDU-Parteivorsitzenden waren riesig, und sie haben sich nicht erfüllt. Von einem Merz-Bonus war nichts zu spüren. Seine CDU ist im kleinsten Flächenland der Republik regelrecht abgestürzt. Kein Wunder, dass sich in den letzten Wochen keiner aus der Bundesspitze mehr vor Ort blicken ließ. Auch Merz nicht.“

taz“-Journalistin Anna Lehmann schrieb den Wahlerfolg der SPD in erster Linie Rehlinger zu, die als Vize-Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin „einen soliden Job“ und im Wahlkampf „keine Fehler“ gemacht hat. Das Ergebnis sei auch für die Bundes-SPD ein gutes Zeichen, ob nun ein „sozialdemokratisches Jahrzehnt“ anbricht, „bleibt abzuwarten“. Für die Bundes-CDU hingegen ist die Wahl „eine Ohrfeige“, so Lehmann.

ZDF-Chefredakteur Peter Frey schrieb, der Sieg von Rehlinger zeige, dass die CDU auf Bundes- und Landesebene mehr Frauen brauche.

In der „Süddeutschen“ ist zu lesen: „Vor allem aber zeigte nicht nur der Sonntag, sondern das Wochenende insgesamt, wo die tieferen Probleme der CDU liegen: Erneut scheiterte sie mit einem Spitzenkandidaten, bei dem nicht erkennbar war, wofür er stand, was er für richtig und für falsch hält. Vielleicht ist das Wichtigste, was das Volk in dieser Zeit von seinen Politikern und Politikerinnen erwartet: dass sie Überzeugung in politisches Handeln umsetzen – und nicht je nach Umfrage oder Wahl ausprobieren, was funktionieren könnte und was nicht. Wobei man sich den Ausdruck „Politikerin“ allmählich sparen kann, bei der CDU: Am Samstag hat Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz den Vorsitz an Christian Baldauf abgegeben. Damit führen in sämtlichen Bundesländern nun Männer die Union. Ihre verbliebenen Ministerpräsidenten heißen Daniel, Hendrik, Markus, Michael, Reiner sowie Volker (der bald an einen Boris abgibt), die Nachnamen deuten auf einen deutschen Hintergrund seit Urzeiten hin. Wenn sich daran nichts ändert, ist dies ein weiterer Faktor, der es der Union künftig sehr schwer machen wird.“

Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt kommentierte, der Fokus im Saarland auf „die Macht" in der Mitte sei eine „gute Nachricht" für eine „gemäßigte Gesellschaft, die vor großen Herausforderungen steht“. Allerdings bringe das nur etwas, wenn die SPD und die CDU als neue Opposition „vom Koalitionären“ wegkommen und auf aktuelle Situation mit „klugen, wegweisenden Konzepten" reagieren.

Philipp Wittrock, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros schrieb: „Und trotzdem sollten Friedrich Merz und die CDU die Saar-Pleite nicht einfach so als lokalen Betriebsunfall abtun, wenn ein amtierender Ministerpräsident, der vor Kurzem noch als Hoffnungsträger galt, abgewählt wird (was übrigens zuvor bei 13 Landtagswahlen nicht passiert ist). In NRW und Schleswig-Holstein sind die Amtsinhaber Hendrik Wüst und Daniel Günther gut beraten, den Absturz ihres Parteifreundes Tobias Hans genau zu analysieren. Die Umfragewerte sind jedenfalls nicht so, als könnten Wüst und Günther gelassen in die letzten Wahlkampfwochen gehen.“ (...) „Merke: Auch eine Wahl im Saarland kann eine bundesweite Dynamik entfachen.“

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