Generaldebatte im Landtag Von wahren Helden und Schnarchern

Saarbrücken · In der Generaldebatte sind am Dienstag im Landtag Koalition und Opposition aufeinander getroffen. Zu hören war Altbekanntes – aber auch neue Töne.

 Oppositionsführer Oskar Lafontaine forderte eine Teilentschuldung für das Saarland. Um diese durchzusetzen, sieht er auch die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in der Pflicht.

Oppositionsführer Oskar Lafontaine forderte eine Teilentschuldung für das Saarland. Um diese durchzusetzen, sieht er auch die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in der Pflicht.

Foto: BeckerBredel

DIE ZAHLEN Erstmals seit zwei Jahrzehnten kommt das Land 2019 und 2020 ohne neue Schulden aus. In beiden Jahren sollen jeweils gut 80 Millionen Euro getilgt werden. Der Haushaltsentwurf für 2020 ist der erste in der Geschichte des Landes, in dem eine schwarze Null ganz ohne Sondereffekte erreicht wird. Möglich wird dies dank zusätzlicher Einnahmen aus dem Bund-Länder-Finanzausgleich ab 2020. Dann soll auch das „Jahrzehnt der Investitionen“ beginnen. Die Ausgaben für Investitionen steigen von 365 Millionen Euro im laufenden Jahr  auf 451 Millionen im übernächsten Jahr. Eines der Kernprojekte ab 2020 ist die Teilentschuldung der Kommunen: Das Land übernimmt die Hälfte der Kassenkredite (eine Milliarde Euro) und zahlt sie ab, außerdem bekommen Städte und Gemeinden 20 Millionen pro Jahr zum Investieren.

DIE RISIKEN Niemand weiß so recht, wie es mit der Weltwirtschaft weitergeht und wie lange die Steuereinnahmen noch so stark sprudeln. Unabsehbar sind auch noch die Folgen des Brexits. Auch ein Anstieg der Zinsen auf die Schulden von 14 Milliarden Euro würde den Haushalt langfristig belasten. Dieses Problem müsse gelöst werden, sagte Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine und forderte eine Teilentschuldung des Bundes, um die Schuldenlast wenigstens auf die Hälfte zu senken. Um auch bei schwächelnder Wirtschaft und steigenden Zinsen Schulden tilgen zu können, legt die Landesregierung ab 2020 eine Konjunktur- und eine Zinsausgleichsrücklage an.

DAS LOB Die große Koalition sieht ihren Doppelhaushalt als Meilenstein, Finanzminister Peter Strobel (CDU) sprach von einer „Zeitenwende“.  CDU-Fraktionschef Alexander Funk verglich den Spar-Erfolg gar mit der Erstbesteigung des Mount Everest vor 65 Jahren. Diese Geschichte zeige, was mit Wille und Mut alles möglich sei, auch wenn es von anderen nicht für möglich gehalten werde. „Wir haben das Gipfelkreuz aber noch nicht erreicht“, sagte Funk. „Davon trennt uns das Jahrzehnt der Investitionen.“

Der SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn sagte, dem Saarland gehe es heute besser als in vielen Jahren vorher, auch wenn es finanziell nach wie vor nicht auf Rosen gebettet sei. Die „wahren Helden“, die dies ermöglicht hätten, seien die öffentlich Beschäftigten, die mit Nullrunde, Stellenabbau und verspäteten Gehaltserhöhungen den Mammutanteil beigetragen hätten. Geld falle zwar auch zukünftig nicht vom Himmel, sagte Pauluhn. „Aber es ist an der Zeit, über die Lohnentwicklung auch mal lauter als bislang nachzudenken.“ Auch Funk deutete an, dass künftige Spielräume für die Attraktivität des öffentlichen Dienstes genutzt werden sollen.

Eine Entlastung der Kommunen wie ab 2020 habe es in der Geschichte des Saarlandes noch nie gegeben, betonten beide. Die schrittweise Senkung der Kitagebühren ab 2019 sei zudem „ein gutes Zeichen für junge Familien“, so Pauluhn.

DIE KRITIK Linken-Fraktionschef Lafontaine kritisierte, unzureichende Investitionen in Kliniken, Straßen, Breitband, Schulen oder Hochschulen seien eine Folge der schwarzen Null. „Diese Situation ist nicht vom Himmel gefallen, sondern politisch gemacht.“ Der neue Bund-Länder-Finanzausgleich sei eine Verbesserung, reiche aber nicht aus. AfD-Fraktionschef Josef Dörr sagte, die Landesregierung habe die Infrastruktur „vergammeln“ lassen. Helfen könne dem Land jetzt nur noch die Bundesrepublik Deutschland. Das Saarland komme dabei aber nicht als Bittsteller.

Zweiter wichtiger Kritikpunkt: Das Saarland habe im Bund zu wenig Einfluss. Lafontaine warf den saarländischen Bundesministern vor, in Berlin zu „schnarchen“. CDU und SPD müssten ihren Leuten auf die Füße treten und ihnen sagen: „So geht das auf Dauer nicht weiter, ihr müsst irgendwann mal was vorweisen!“ Alle wichtigen Infrastruktur-Projekte wie die Saarkanalisierung, der Autobahn-Ausbau, die ICE-Strecke Frankfurt-Paris über Saarbrücken oder der Bau der Saarbahn hätten vom Saarland gegenüber dem Bund hart erkämpft werden müssen.

Dörr schloss sich der Kritik Lafontaines an: „Der langjährige Ministerpräsident unseres Landes, der große Leistungen erbracht hat, hat genau aufgezeigt, wo der Hase im Pfeffer liegt.“ Die Regierung sei nicht fleißig und nicht mutig genug, um für das Land zu kämpfen.

DIE ATMOSPHÄRE In der Generaldebatte ging es sehr gesittet zu. Das hängt vor allem an Oskar Lafontaine, der zwar deutliche Kritik an den großen Linien der Landespolitik übte, die Schärfe früherer Jahre aus seinen Landtagsreden aber herausgenommen hat. Als der 75-Jährige Missstände benannte, sagte er gleich mehrmals etwas altersmilde und beinahe entschuldigend, er wolle niemandem einen Vorwurf machen und niemanden angreifen. Die Fraktionschefs von SPD und CDU wollen bei ihm nicht einmal echte Kritik am Doppelhaushalt gehört haben, befanden viele von Lafontaines Ideen sogar prinzipiell als gut, aber nicht finanzierbar.

Die schärfste Attacke der Debatte ritt Pauluhn gegen die AfD, der er mehrfach Hass und Hetze vorwarf. Daraufhin Dörr: „Ich selber hasse niemanden und bin nicht dafür bekannt, dass ich hetze.“ Pauluhn habe aber gegen die AfD gehetzt. Ein echter Schlagabtausch aber kam auch deshalb nicht zustande, weil Dörr mit seiner fahrigen Rede nicht einmal die eigenen Abgeordneten begeistern konnte, die ihrem Fraktionschef nach dessen Auftritt zunächst keinen Beifall spendeten – erst nach sekundenlangem Schweigen setzte müder Applaus ein.

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