Neue Corona-Verordnungen Das Saarland will Härten bei Lockdown-Regeln vermeiden

Saarbrücken · Der saarländische Ministerrat hat die Lockdown-Beschlüsse aus Berlin umgesetzt, aber an ein paar Stellschrauben gedreht. Nachbarn dürfen sich bei Betreuung helfen – und auch die 15-Kilometer-Regel ist nicht ganz so hart.

 Der Lockdown in der Corona-Pandemie sorgt für leere Straßen. Die meisten Läden sind geschlossen. So wird es bis Ende des Monats bleiben. (Symbolfoto)

Der Lockdown in der Corona-Pandemie sorgt für leere Straßen. Die meisten Läden sind geschlossen. So wird es bis Ende des Monats bleiben. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Die Ansage aus Berlin am Dienstag war klar: Der Lockdown wird nicht beendet. Ganz im Gegenteil. Einige Maßnahmen haben die Ministerpräsidenten gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gar deutlich verschärft, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu drosseln. Der saarländische Ministerrat hat nun am Donnerstag, 7. Januar, in einer Sondersitzung getagt, um die Corona-Lockdown-Beschlüsse in Landes-Verordnungen zu gießen. Dabei hat er die Berliner Beschlüsse teilweise entschärft.

 Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD/Archivbild).

Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD/Archivbild).

Foto: BeckerBredel

So legt die saarländische Ministerrunde die Kontaktregelung zwischen zwei Haushalten nicht ganz so hart aus, will so das wechselseitige Betreuen von Kindern oder Kranken, Pflegebedürftigen ermöglichen. Auch der Präsenz-Unterricht in Schulen soll im Saarland zumindest für die 8000 Schüler in Abschlussklassen wieder möglich sein (wir berichteten). Und auch die 15-Kilometer-Regel nehmen die Minister nicht ganz so streng, wie Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) das mit seinen Kollegen am Dienstag mit der Kanzlerin beschlossen hatte.

Ab Montag, 11. Januar, gelten die neuen Verordnungen im Saarland, rechtlich zunächst für zwei Wochen. Aber faktisch bis 31. Januar, denn Hans kündigte bereits an, sie zu verlängern. Hans stellte sie am Donnerstag im Anschluss an die Ministerratssitzung gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD) auf einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei in Saarbrücken vor.

 Zum Beispiel die Verordnung zur Kontaktregelung: „Private Zusammenkünfte werden nur noch im Kreis der Angehörigen des eigenen Haushaltes sowie mit einer zusätzlichen Person gestattet sein“, sagte Hans noch am Dienstag nach der Konferenz mit der Kanzlerin. Auch am Donnerstag verteidigte er die Regel als „wichtig und richtig. Wir haben heute im Saarland 16 Tote, gestern 20. Es ist zwingend erforderlich, die Kontakte zu reduzieren“, sagte Hans. Und forderte: „Bleiben sie zu Hause, versuchen sie, Kontakte so gut es geht, zu vermeiden“, nur Alleinstehende sollen sich mal mit Angehörigen anderer Haushalte treffen, „um nicht zu vereinsamen“, sagte Hans. „Die Kontaktreduzierung ist derzeit unser schärfstes Schwert im Kampf gegen Corona“ sagte Hans.

Dabei in Reinform würde diese Regel ausschließen, dass Nachbarn  sich untereinander bei der Kinderbetreuung helfen können oder Menschen sich in der Pflege unterstützen. Gerade in der Pandemiezeit sehr wichtig. Hans versicherte daher am Donnerstag, dass die verschärfte Kontaktregel im Saarland zwar grundsätzlich gelte, dass sie auch hart sei, eine wechselseitige Kinderbetreuung zwischen zwei festen Familien aber möglich sein soll. „Wie in Bayern könne auch im Saarland feste Betreuungsgemeinschaften gebildet werden“, versprach Hans. „Uns ist wichtig, das Signal zu senden, das niemand mit einer ungeklärten Betreuungssituation alleine gelassen wird“, sagte Rehlinger, daher haben wir die Ausnahmen formuliert.“ Von zwei Kindern nur eines zur Oma, „sei nicht gewollt“, so Rehlinger. „Aber wenn es anders möglich ist, bitte.“

Die Bundesrunde hat ebenso beschlossen, dass die Länder für Kreise, in denen sich binnen sieben Tagen mehr als 200 Menschen pro 100 000 Einwohner neu infiziert haben, den Bewegungsradius der Bürger auf 15 Kilometer um den Wohnort begrenzen. Drei Tage in Folge. Das gilt ab Montag, 11. Januar. Auch im Saarland. Der Ministerrat hat die Bewegungsfreiheit jedoch ausschließlich auf den Tagestourismus im Saarland beschränkt, will so Menschenansammlungen wie zuletzt am Peterberg verhindern (wir berichteten).

Familienbesuche zählen zu den „triftigen Gründen“, die Ausnahmen von dem 15-Kilometer-Radius-Reiseverbot rechtfertigen. Auch Arztbesuche, Fahrten zur Arbeit, oder das Einkaufen wären auch außerhalb eines 15-Kilometer-Radius weiterhin erlaubt. Derzeit hat eh kein Landkreis im Saarland einen solch hohen Inzidenzwert aufzuweisen. Spitzenreiter war am Mittwoch, 6. Januar, Saarlouis mit einem Wert von 158. Ziel ist der Inzidenzwert von 50. Ab da können Gesundheitsämter „Kontakte nachverfolgen“, sagt Hans. „Daher müssen wir unter die Zahl kommen. Sie bleibt das Ziel, um aus dem generellen Lockdown auszutreten. Das Ziel ist erreichbar, wenn der Reproduktionswert niedriger ist“, sagte Hans. In den aktuellen Zahlen gäbe es noch Vakanzen.  Die Infektionszahlen der Feiertage liegen noch nicht vor, dazu kommt die Mutation des Virus, die zu einer stärkeren Ausbreitung führt. Und es damit unberechenbarer macht.

Noch am Dienstag sagte Hans, dass die Schulen im Saarland „definitiv im Januar nicht mehr zum Präsenzunterricht zurückkehren“ würden. Erst im Rahmen der nächsten Bund-Länder-Gespräche „soll über einen Stufenplan zur sukzessiven Öffnung der Schulen beraten werden.“ Also Anfang Februar.

Doch bereits einen Tag später, am Mittwochabend, erklärte Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), im Saarland Abschlussklassen in den Schulen unterrichten zu lassen. Und zwar zeitnah: die Jahrgangsstufe zwölf der Gymnasien, die Abiturienten der Berufsschulen und die 13 der Gemeinschaftsschulen sitzen demnach bereits ab Montag, 11. Januar, wieder im Präsenz-Unterricht.

Hauptschul-Abschlussklassen oder Schüler, die vorm Mittleren Bildungsabschluss stehen, starten ab Montag, 18. Januar, in den Präsenz-Unterricht; rund 8000 Schüler sind das insgesamt. Lehrerverbände kritisieren dies massiv. Die meisten anderen Schüler erhalten Online-Unterricht – außer einige der Klassenstufen eins bis sechs. Sie dürfen in der Schule lernen, wenn sie nicht zu Hause von ihren Eltern betreut werden können, oder sie keine technischen Möglichkeiten für das „Lernen von zuhause“ haben.

„Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist das die richtige Entscheidung“, sagte Rehlinger. „Wie wäre die Vorbereitung sonst möglich, um nicht von einer Generation Corona sprechen zu müssen.“ Deren Bildung „ist uns ausgesprochen wichtig“, sagt auch Hans. Und: „Wir machen für 16 Schultage eine Ausnahme, in der die Schüler früher zurückkehren, in der sie gut Abstand halten können“, sagte Hans. Sie könnten sich „konzentriert und gut auf die Abschlüsse vorbereiten.“ Und: Die Kinder der anderen Klassenstufen sollen die Ersten sein, die „wieder Lockerungen erfahren“, sagte Hans. Das könne aber einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Infektionen sein. So schnell wie möglich wieder in die Präsenzpflicht zu kommen, scheint die Devise.

Die Kitas im Lande sind zwar für Notbetreuungen offen, Familien sollen ihre Kinder aber nach Möglichkeit zu Hause betreuen. Daran appellierten sowohl Rehlinger und Hans. Daher erlasse die Landesregierung auch die Kitagebühren bis Ende des Monats. „Ab dem 10. Januar“, sagte Hans. Auch, um die Eltern zu motivieren, ihre Kinder zu Hause zu betreuen.  „Belastungen für Familien reduzieren, wo es möglich und nötig ist“, erklärte Rehlinger. „Wir bitten, ja darum, eine Leistung nicht in Anspruch zu nehmen“, daher die Entlastung. An erster Stelle solle aber immer die Kontaktreduzierung stehen.

Anke Rehlinger fordert daher auch Unternehmer auf, ihre „Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken,“ auch da sei „noch Luft nach oben.“ Und: Neben einer Quarantänepflicht für Menschen, die aus Risikogebieten anreisen, gibt es nun auch eine „Testpflicht“ für sie, wie Hans sagte. Pendler seien davon nicht betroffen. Auch dort könnten noch Kontakte reduziert werden. Und genau darum geht es.

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