Regionaler Leitartikel Wo der Protest seine Grenzen hat
Saarbrücken · Warum man die Demos der Impfpflicht-Gegner genau im Auge behalten muss.
Knapp ein Viertel aller Deutschen habe erhebliche Zweifel an der Demokratie, sagt eine aktuelle Befragung des Sozialforschungsinstituts Insa. Kein Einzelfall. Leider. Immer wieder kamen Umfragen zu ähnlich erschütternden Resultaten. Egal, ob es um Flüchtlinge geht, die nach Deutschland kommen, oder jetzt um Impfpflicht und Schutzmaßnahmen gegen Corona, was gestern in Saarbrücken wieder Tausende auf die Straße trieb, immer ist es ein Motiv, das durchscheint: Die Behauptung nämlich, Politiker bestimmten munter vor sich hin. Nur nicht das, was das Volk will.
Solche Zweifel legen noch nicht die Axt an unsere Demokratie, besorgniserregend sind sie aber. Schon weil etliche Demonstranten sich offenbar in ihrem Protest regelrecht einrichten. Vielleicht blendet auch die Menge ihrer „Mitspaziergänger“. Aber selbst wenn sie nach Tausenden zählen, vertreten sie dennoch nicht die Mehrheit. Die meisten Deutschen haben sich freiwillig impfen lassen – und sie erwarten von denen, die sie gewählt haben (und im Übrigen auch wieder abwählen können) Maßnahmen gegen die Pandemie.
Richtig ist freilich auch, dass in zwei Corona-Jahren die Politik auch deswegen so oft nacharbeiten musste, weil man erst Beschlüsse fasste und danach gründlicher nachdachte. Die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist jedenfalls ein Witz. Und ob die generelle Impfpflicht sinnvoll ist, auch darüber kann und muss man in einer Demokratie streiten – und dann Lösungen finden. Wer jedoch wie in Saarbrücken bei der Sonntagsdemo ein Plakat hochhält, auf dem steht „Karl Lauterbach - Mein Kampf - Der totale Krieg gegen Ungeimpfte und Impfpflicht-Gegner“ will offensichtlich gar keine Lösung, sondern nur unsere Demokratie unterminieren. Aber auch die, die daneben herlaufen, müssen sich fragen lassen, warum sie das in ihren Reihen dulden. Auch so beschädigt man unsere Demokratie.
