Wohin mit den Kindern? Trotz Erzieher-Mangel: Saarland schafft Kita-Gebühren bis 2027 ab

Saarbrücken · In den nächsten vier Jahren sollen die Kita-Gebühren im Saarland auf Null sinken. Ob alle Kinder einen Platz finden, ist fraglich.

Nach Angaben von Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) fehlen im Schnitt 2,3 Vollzeitstellen in den saarländischen Kitas.

Nach Angaben von Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) fehlen im Schnitt 2,3 Vollzeitstellen in den saarländischen Kitas.

Foto: BeckerBredel

Im Saarland sind die Kitaplätze für die Eltern ab 2027 beitragsfrei. Und: Die meisten Kitas im Saarland sind nicht ausreichend personalisiert. „Im Schnitt fehlen 2,3 Vollzeitstellen in den Kitas, die nicht besetzt sind“, sagte die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) am Dienstag in Saarbrücken. Nur 31 Kitas seien über dem „gesetzlich Nötigen“ personalisiert; 14 hätten ihr Personal „genau nach den gesetzlichen Möglichkeiten“ eingestellt, doch „die Mehrheit der insgesamt 339 Einrichtungen sind unterdurchschnittlich personalisiert“, berichtete die Ministerin von einer Umfrage der Landesregierung. Auch daher sei es des Öfteren schwer für Eltern, einen freien Krippenplatz für unter Dreijährige oder einen freien Kitaplatz für über Dreijährige zu finden, räumt die Ministerin ein.

1400 weitere Krippenplätze

Dabei sei weniger das Geld das Problem, 24 Millionen Euro stehen in diesem Haushaltjahr dem Land für den Ausbau der Plätze zur Verfügung. Neubauten schnell umzusetzen, sei ein Problem. Das Land fördere den Kita-Neubau in der Regel mit 40 Prozent der Kosten – gibt 30 Prozent bei einer Sanierung. Die restlichen Kosten übernehmen die Träger: Landkreise, Kommunen, kirchliche oder freie Träger. So sollen im Saarland bis Ende 2023 rund „1400 weitere Krippenplätze entstehen, um dem steigenden Platzbedarfen im U3-Bereich gerecht werden zu können“, berichtete Streichert-Clivot. „Für die Ü3-Kinder sind rund 3500 neue Kindergartenplätze geplant. Es sind also insgesamt rund 4900 Plätze bis Ende 2023 geplant.“ Dennoch: „Wir haben ein Problem in der klassischen Umsetzung“, sagt die Ministerin. Vor allem im Personalbereich: Zwar habe die Landesregierung ihren „Ausbildungsanteil sukzessive erhöht“. Dennoch finden die Träger immer weniger Fachkräfte auf dem Erzieherinnen-Markt.

Saarbrücken mit niedriger Versorgungsquote

Das hat Auswirkungen auf die Versorgungsquote. Wie viele Kinder haben einen Platz? Für die Über-Dreijährigen gebe es 30 484 Plätze im Saarland, das entspreche einer Versorgungsquote von 87,91 Prozent. Die Quote im U3-Bereich ist unterschiedlich. Der Landkreis St. Wendel bietet zum Beispiel knapp 40 Prozent aller U3-Kinder einen Platz, Saarbrücken nur 26,21 Prozent (da dort mehr Kinder leben). „Insgesamt haben wir 7397 Plätze für Kinder U3“, berichtet Streichert-Clivot. Derzeit leben 25 148 U3-Kinder im Saarland. Die Gesamt-Versorgungsquote liegt damit bei 29,4 Prozent; 35 Prozent schreibt das Gesetz vor. Die seien mit den geplanten Neubauten dieses Jahr fast erreicht. „Der U3-Platz ist der Knackpunkt“, sagt Streichert-Clivot. „Da müssen wir den Anteil steigern.“ Bei dieser „Mammutaufgabe brauchen wir Unterstützung vom Bund“.

Daseinsvorsorge Kitaplatz

Für die Kommunen seien Kita- und Krippenplätze „nicht nur eine Frage der Daseinsvorsorge, sondern schlichtweg auch Standortvorteil“. „Insofern sind wir natürlich auch beunruhigt, wenn wir hören, dass es Kita-Träger gibt, die sich aus der Fläche zurückziehen“, sagte die Ministerin mit Blick auf Pläne des Bistums Trier. Dieses hat angekündigt, sich bei 100 Kitas im Bistum aus der Bauträgerschaft zurückziehen zu wollen, aus der Betriebsträgerschaft hingegen nicht (wir berichteten). Da heißt: Sie wollen die Gebäude nicht mehr sanieren, das sollen die Kommunen übernehmen, betreiben will das Bistümer sie hingegen schon. „Es darf nicht sein, dass man nur die Trägerschaft über das Personal und die Verantwortung darüber behält, wie ein Betrieb gestaltet wird, auch im Bereich der Inhalte, der Qualität. Das ist nur die Kür“, sagt Streichert-Clivot. Zumal die Landesregierung eh die Hälfte der Personalkosten übernehme (150 Millionen Euro im Jahr). Der Rückzug der Kirchen biete auch „eine echte Chance“, sagte sie. Denn: „Es spricht vieles dafür, dass dort, wo der Rückzug der Kirche angezeigt ist, auch die Kommune in die Verantwortung geht.“ Das diskutieren „wir mit den Kommunen“, sagte die Ministerin. Sie könnten nicht nur das Gebäude, sondern auch den Betrieb der Kita oder der Krippe von der Kirche übernehmen. Auch könnten sich die Kommunen in größeren Trägerschaften zusammenschließen, sich gemeinsam um die Personalisierung kümmern, erklärte die Ministerin. „Personalkapazitäten über viele Kitas bündeln und auf eine höhere Trägerebene heben.“ Solche Trägerstrukturen gebe es bei einigen Gemeinden bereits. „Die zeigen uns, dass das gut funktioniert. Da liegt für mich ein Schlüssel für den Personalbedarf.“

Bedarf wird weiter steigen

Der Bedarf wird steigen – zumal die Kitas ab 2027 beitragsfrei sind. „Ich gehe davon aus, dass wir dieses Gesetz sehr zügig beraten und beschließen können, so dass es rechtzeitig vor dem 1. August greifen kann“, sagte Streichert-Clivot (SPD). Damit setzt die saarländische SPD-Regierung ein zentrales Ziel aus ihrem Wahlkampf um, „weil uns wichtig ist, dass die finanziellen Möglichkeiten der Eltern nicht entscheidend sind für die Frage, wie Bildung im Saarland funktioniert“, betonte die Ministerin. Seit 2019 sind die Beiträge von damals 25 auf derzeit 12,5 Prozent gesunken. Jetzt sollen sie pro neuem Kita-Jahr jeweils im August um jeweils weitere 2,5 Punkte fallen. Ab dem 1. Januar 2027 fallen sie komplett weg. Die Landesregierung wird das wegfallende Geld kompensieren. Ab 2027 mit bis zu 46 Millionen Euro.

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