„Nicht die Debatte, die wir jetzt brauchen“ Deutschland streitet über Impfpflicht für alle – Hans sieht Diskussion kritisch

Berlin/Saarbrücken · Ampel-Vertreter lehnen den allgemeinen Zwang zur Impfung ab, viele Unions-Politiker sind dafür. Der oberste Saar-Richter hält sie zumindest juristisch für möglich – doch Ministerpräsident Hans (CDU) sieht die Debatte kritisch.

Tobias Hans äußert Kritik an der Debatte um die Impfpflicht für alle
Foto: dpa/Michael Kappeler

Nach der Ankündigung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Österreich schließen Politiker der möglichen Ampel-Koalition eine solche Regelung für Deutschland aus. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte dem TV-Sender von Bild: „Die wird’s nicht geben. Weil wir es nicht für notwendig halten, weil wir es auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für schwierig halten.“

FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus kritisiert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich offen für eine Pflicht gezeigt hatte: „Die allgemeine Impfpflicht als Drohkulisse in den Raum zu stellen, hilft niemandem.“

Der Berliner Virologe Christian Drosten kritisierte die Haltung der Ampel-Parteien bei dem Thema: „Ein fast vollständiges Schließen der Impflücken ist durch nichts zu ersetzen“, schrieb er auf Twitter.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zeigte sich offen für eine allgemeine Impfpflicht. Zwar hoffe er, dass es ohne gehe, sagte Günther der Zeitung Die Welt. „Wenn nicht, bin ich allerdings auch bereit, diesen Schritt zu gehen.“

Der Präsident des Saar-Verfassungsgerichtshofs, Roland Rixecker, hält eine Impfpflicht für alle juristisch grundsätzlich für denkbar. „Immerhin hat das Bundesverwaltungsgericht vor Jahren die Masernimpfpflicht für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten“, sagte ­Rixecker der SZ. Die Durchsetzung hält er allerdings für schwierig.

Deutlich einfacher sei das bei einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen – die laut Rixecker juristisch eine „subjektive Zulassungsvoraussetzung“ wäre. Auch dagegen sei rechtlich nichts einzuwenden. Eine solche Pflicht – etwa in Kliniken und der Pflege – strebt auch die Ampel an. Bei Kliniken und Verbänden im Saarland wird sie zum Teil kritisch gesehen.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hält eine Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus derzeit für nicht sinnvoll. „Die Impfpflicht ist nicht die Debatte, die wir jetzt brauchen“, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“. „Jetzt bitte ich doch wirklich, alle Kraft darauf zu konzentrieren zu impfen.“ Jetzt sei ein Zeitpunkt, „wo die Zahlen so intensiv steigen, wo ich Menschen überzeugen kann, sich impfen zu lassen, weil sie auch merken, sie verlieren ihre Freiheiten“, führte Hans aus. „Die Anreize waren nie größer als jetzt.“

Man habe noch nicht genug getan, „um wirklich zu überzeugen, dass die Impfung der richtige Weg ist“, meinte Hans. „Wir haben ganze Bevölkerungsschichten in prekären Lebenssituationen, an die wir nicht rangekommen sind.“ Hans warnte: „Wenn wir jetzt durch politische Debatten, die zu früh, die zu unausgegoren geführt werden, die nächste Bevölkerungsgruppe auf die Straße bringen, die dann gegen uns demonstriert, glaube ich, werden wir nicht unserem Anspruch gerecht, die jetzt drängenden Probleme zu lösen.“

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