Strafvollzug im Saarland Ex-Häftling kritisiert das Gefängnis Ottweiler

Ottweiler/Saarbrücken · Ein ehemaliger Insasse wirft dem Gefängnis Missmanagement vor. Der Anstaltsleiter und das Justizministerium widersprechen.

 Ein Blick in ein Gebäude der Justizvollzugsanstalt Ottweiler: Ein früherer Gefangener berichtet von Missmanagement, Personallücken und mangelnder Beratung in dem Gefängnis. Der Anstaltsleiter wehrt sich und sagt, Missstände seien ihm nicht bekannt.

Ein Blick in ein Gebäude der Justizvollzugsanstalt Ottweiler: Ein früherer Gefangener berichtet von Missmanagement, Personallücken und mangelnder Beratung in dem Gefängnis. Der Anstaltsleiter wehrt sich und sagt, Missstände seien ihm nicht bekannt.

Foto: Oliver Dietze

Tim Müller hat wegen Betrugs mehrere Monate im Gefängnis gesessen. Untergebracht war er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ottweiler und der JVA-Außenstelle in Saarlouis. Anfang des Jahres kam er wieder frei. Seine Strafe findet er gerechtfertigt, doch an die Zeit im Gefängnis hat er keine guten Erinnerungen. Seiner Wahrnehmung nach läuft dort vieles schief. Er spricht von Missmanagement, Personallücken und mangelnder Beratung.

Davon könne keine Rede sein, sagt dagegen Marco Bauer, Anstaltsleiter der JVA Ottweiler. Er sei überrascht von der Kritik, vor allem von der Vehemenz. Die Haftbedingungen seien „ganz gut“. Missstände seien ihm nicht bekannt. Auch das saarländische Justizministerium widerspricht: Der Vorwurf, es fände keine Betreuung durch Fachdienste statt, werde „nachdrücklich zurückgewiesen“.

Tim Müller heißt eigentlich anders, möchte aber nicht mit richtigem Namen auftreten, um seine Resozialisierung nicht zu gefährden. Er steht nach wie vor in Kontakt zu anderen Gefangenen. Die meisten seien seiner Meinung, sagt er. Er bekomme auch jetzt, nach seiner Entlassung, immer wieder mit, wie unzufrieden sie seien. Einer von ihnen bezeichnet die JVA Ottweiler gegenüber der SZ als „Chaosladen hoch zehn“. Müller selbst formuliert es so: „Die Resozialisierung funktioniert nur bedingt, viele Existenzen gehen den Bach runter.“ Er wolle deshalb Missstände aufzeigen und erreichen, dass sich die Lage für Häftlinge bessert.

Fehlende soziale Angebote seien das „größte Manko“, sagt Müller. Außerdem gebe es im Erwachsenenbereich keine Sozialarbeiter und Psychologen, die sich um die Belange der Häftlinge kümmerten. Dabei seien gerade die ersten Wochen in Haft für viele die belastendsten, zum Beispiel bedingt durch Wohnungs- und Arbeitsplatzverlust.

Das Justizministerium wehrt die Kritik ab: Zwei Psychologen und sechs Sozialarbeiter seien für die Betreuung von jugendlichen und erwachsenen Gefangenen zuständig – damit seien aktuell alle Stellen besetzt. Weiter teilt das Ministerium mit, dass der Sozialdienst mit jedem neuen Gefangenen eine „Eingangsdiagnostik nebst Drogendiagnostik“ durchführe und auf dieser Basis weitere Schritte plane.

Tim Müller kritisiert auch, dass in den Haftanstalten im Jahr 2013 der Empfang von Paketen abgeschafft wurde. Die Begründung: zu viel Drogenschmuggel. Allerdings sei seitdem der Drogenkonsum deutlich angestiegen, sagt er und verweist auf einen Artikel der Saarbrücker Zeitung („Zahl der Drogenfunde in Gefängnissen steigt“, 31. Oktober/1. November 2018). Dabei seien Pakete von außen sehr wichtig, weil sich viele Insassen keine Einkäufe leisten könnten.

Gefängnis-Chef Bauer sieht das anders. Die Abschaffung der Pakete sei eine Sicherheitsmaßnahme gewesen. Er hält sie für sinnvoll. Das Justizministerium teilt mit, der Empfang von Paketen habe für Gefangene „nicht mehr annähernd den Stellenwert zur Erleichterung des Lebens innerhalb der Anstalt und zur Festigung von Außenbeziehungen, wie dies früher der Fall war“. Zudem sei die Paketkontrolle mit einem erheblichen Aufwand verbunden, der die Beamten stark belaste und von anderen Aufgaben abhalte.

Ein weiterer Vorwurf von Müller betrifft das Essen in der JVA Ottweiler. Die Vielfalt des Speiseplans lasse zu wünschen übrig, findet er. Auch in diesem Punkt widerspricht Marco Bauer: Das Essen sei sehr gut und sehr abwechslungsreich. Er mache jeden Tag eine Kostprobe, und auch ein Arzt prüfe die Speisen ständig.

In einem anderen Bereich hat Tim Müller dagegen schon etwas erreicht. Es geht um Telefongespräche in der Saarlouiser Außenstelle der JVA. Dort dürfen die Häftlinge in einem dafür vorgesehenen Bereich telefonieren. Bisher mussten ihnen Beamte jedoch erst die Mobiltelefone aushändigen. Umständlich, befand Müller, und regte an, das zu ändern. Die JVA-Leitung war einverstanden. Deswegen werden die Telefone künftig in Schließfächern hinterlegt. „Das ist auch eine Arbeitserleichterung für uns“, sagt Marco Bauer und lobt die Idee seines ehemaligen Häftlings.

Für Müller ist das eine Motivation, weiterzumachen. Aktuell stört ihn vor allem das Verhalten des Justizministeriums. Es beschönige die Situation, sagt er. Und auf seine Beschwerde vor mehreren Wochen habe es nach wie vor nicht reagiert. Auf SZ-Anfrage lässt das Ministerium wissen, die Stellungnahme sei am 18. Februar eingegangen. Tim Müller könne nach „sorgfältiger Prüfung“ mit einer Antwort rechnen. Sie werde „zeitnah erfolgen“.

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