Rechte Strömungen „Null Toleranz“ bei Extremismus in Saar-Polizei

Saarbrücken · Rechtsextreme Chatgruppen in anderen Bundesländern haben auch die Saar-Polizei alarmiert. Wie sieht das Konzept aus, mit dem Landespolizeipräsident Rupp extremistische Umtriebe in den Reihen seiner Beamten verhindern will?

In der saarländischen Polizei mit ihren 3000 Beschäftigten gab es mit Rechtsextremismus bisher kein großes Problem, lediglich ein Verdachtsfall im Jahr 2016 bestätigte sich.

Foto: Robby Lorenz

Mitte 2019, als Rechtsextremisten bundesweit gerade anonyme Drohschreiben verschickt hatten, saßen die Chefs der Polizei und des Verfassungsschutzes im Saarland zusammen. In mehreren Fällen waren die Adressdaten, wie sich herausstellte, zuvor aus Polizeicomputern abgerufen worden. Nicht im Saarland, aber für Landespolizeipräsident Norbert Rupp stellte sich im Gespräch mit Verfassungsschutz-Direktor Helmut Albert dennoch die Frage: „Machen wir genug, um solche Tendenzen bei uns zu erkennen? Würde uns das überhaupt auffallen?“

Knapp zwei Jahre später liegt nun ein Konzept gegen Extremismus in den eigenen Reihen auf dem Tisch, das Rupp nach dem Gespräch mit Albert von seinen Beamten erarbeiten ließ. „Das Präventionskonzept ist ausgerichtet auf die frühzeitige Erkennung von extremistischen Tendenzen sowie auf das Vorbeugen einer schleichenden Radikalisierung, die sich im Laufe des polizeilichen Berufsalltages einzustellen vermag“, teilte das Innenministerium auf SZ-Anfrage mit.

Die Rede ist nicht explizit von Rechtsextremismus, aber im Kern dürfte es vor allem darum gehen, spielen doch Islamismus oder Linksextremismus in der Polizei nirgends eine wahrnahmbare Rolle. Unter den 3000 Beschäftigten der Saar-Polizei gab es seit 2016 nur einen bestätigten rechtsextremistischen Verdachtsfall. Wie schnell sich das ändern kann, zeigte sich, als im vergangenen Jahr in mehreren Bundesländern rechtsextreme Chatgruppen von Polizisten aufgeflogen sind. „Für uns gilt: null Toleranz bei Extremismus“, sagt Rupp.

Das bereits von Führungskräften der Polizei, des Innenministeriums und der Fachhochschule für Verwaltung sowie von Polizeiseelsorgern und Personalvertretern diskutierte Konzept trägt den Namen „Konzept Innere Sensibilisierung“ (Konsens). Es enthält unter anderem folgende Punkte:

● In den Auswahlgesprächen für die Einstellung der Kommissaranwärter soll das Thema Extremismus eine Rolle spielen. Als Beispiel nannte Rupp, Bewerber mit einer Karikatur zu konfrontieren, die etwa einen Galgen für Politiker zeigt.

● Kommt ein Bewerber, der eingestellt werden soll, aus einem anderen Bundesland, soll dort künftig immer angefragt werden, ob Hinweise auf Straftaten oder Ermittlungsverfahren vorliegen.

● Bei der Ausbildung der Kommissaranwärter an der Fachhochschule in Göttelborn soll das Thema Extremismus im Studienplan verankert werden. Noch 2021 soll erstmals für alle Studierenden im Hauptstudium ein Projekt zur Pflicht werden, das die Gefahren von Radikalismus und Extremismus in der Polizei behandelt.

● Das Thema „Extremismus und politisch motivierte Kriminalität“ soll mit 30 zusätzlichen Stunden in den Studienplan aufgenommen werden. Inhaltlich soll es um die Unterschiede der verschiedenen extremistischen Strömungen und Erscheinungsformen der politisch motivierten Kriminalität gehen (rechts, links, religiöse Ideologie, ausländische Ideologie). Auch sollen die angehenden Kommissare lernen, wie Radikalisierungsprozesse ablaufen und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

● Künftig soll es verpflichtende Fortbildungen zum Thema für ausgewählte Zielgruppen geben – zum Beispiel vor oder unmittelbar nach der Übernahme einer Führungsaufgabe.

● Wer für den Aufstieg vom gehobenen (Kommissar-Laufbahn) in den höheren Dienst (Polizeirat) an der Polizeihochschule in Münster studiert, wird ermuntert, sich in seiner Masterarbeit wissenschaftlich mit Extremismus-Prävention zu beschäftigen.

● In Arbeit sind laut Polizeipräsident Rupp zudem Richtlinien für die private Nutzung von sozialen Medien durch Polizisten. Da seien noch nicht alle sensibel genug, sagte er, zum Beispiel beim Teilen von vermeintlichen Witzen über Whatsapp.

Gänzlich neu ist das Thema, wie die Polizei extremistischen Tendenzen vorgebeugen oder sie zumindest früh erkennen kann, im Saarland nicht. Bei Führungskräftefortbildungen geht es immer mal wieder darum. Das soll nun mit dem neuen Konzeot ausgeweitet und systematisiert werden. Für das Frühjahr ist laut Rupp eine große Auftaktveranstaltung geplant, zu der auch kritische Journalisten eingeladen werden sollen, die bundesweit über rechtsextremistische Fälle in der Polizei berichtet haben. „Wir wollen nicht im eigenen Saft schmoren, nur weil es bei uns bisher erst einen einzigen Fall gegeben hat“, sagt Rupp.