Saartalk von SR und SZ Von „Eitelkeit“ und „Streit“ in Saar-Parteien

Saarbrücken · Um die Grabenkämpfe innerhalb der Linken, Grünen und AfD im Saarland ging es beim Saartalk von SR und SZ.

 Der Saartalk von links: SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst, Journalist Christoph Schmidt-Lunau, SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams, Politologe Dirk van den Boom und Undine Löhfelm (Bunt.Saar). Im Hintergrund: SR-Reporter Jonas Degen.

Der Saartalk von links: SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst, Journalist Christoph Schmidt-Lunau, SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams, Politologe Dirk van den Boom und Undine Löhfelm (Bunt.Saar). Im Hintergrund: SR-Reporter Jonas Degen.

Foto: Iris Maria Maurer

Politisch liegen Welten zwischen ihnen. Eins haben die Grünen, die Linke und die AfD im Saarland aber gemeinsam: innerparteiliche Streitereien. Um die Grabenkämpfe und deren Auswirkungen auf die Landtagswahl im März ging es beim Saartalk von SR und SZ. Zu Gast bei SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst waren Undine Löhfelm vom Verein „Bunt.Saar“, Journalist und „taz“-Korrespondent Christoph Schmidt-Lunau und Dirk van den Boom, Politologe an der Universität Münster und Wahl-Saarländer.

Aus ihrer Unzufriedenheit über die Parteien im Saarland heraus hat sich Löhfelm der im September gegründeten sozial-ökologischen Liste Bunt.Saar angeschlossen. Die parteilosen Mitglieder des Vereins wollen bei der Landtagswahl antreten und vor allem mit Themen wie Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Weltoffenheit punkten. „Klassische Themen, die man sich von den Linken und den Grünen bearbeitet wünscht.“ Allein das „politische Personal“ mache das nicht ausreichend. „Wo Links und Grün im Saarland eine Lücke lassen, da ist die Stelle, wo wir uns positionieren können.“

Das „politische Personal“ bilden bei den Linken Landeschef Thomas Lutze und Oskar Lafontaine, Fraktionschef im Landtag. Sie sind zerstritten. Parteimitglieder werfen Lutze vor, Mitgliederlisten manipuliert zu haben, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Urkundenfälschung. Lafontaine kündigte an – vor allem wegen der Causa Lutze und dessen Wiedereinzug in den Bundestag – nicht mehr für die Landtagswahl anzutreten. Was sind die Linken ohne Mitgründer Lafontaine als Spitzenkandidat aber noch wert?, fragt SZ-Chefredakteur Herbst. „Ich denke, die Lücke die Lafontaine hinterlässt, ist gar nicht so groß, wie sie manchmal erscheint“, sagt Politologe van den Boom. Der „Höhepunkt seiner Popularität“ sei eine ganze Weile her. Auch das „wenig Kompromissbereite“, das Lafontaine oft ausstrahle, „hat ihm eine Menge Sympathien gekostet“. Journalist Schmidt-Lunau ist anderer Meinung. Bei der Landtagswahl 2017 hätten die Linken gut abgeschnitten. „Mehr als ‚Ein Oskar für das Saarland’ brauchten sie nicht plakatieren.“ Es gehe nur um Personen und „nicht ein Mal“ um Inhalte. „Das ist für die Wählerinnen und Wähler absolut ermüdend und frustrierend.“ Oder „enttäuschend“, wie Löhfelm sagt.

Wie ist überhaupt der Umgang innerhalb der kleinen Parteien im Saarland miteinander?, fragt SR-Chefredakteurin Müller-Adams. „Gnadenlos“, sagt Schmidt-Lunau, der als Korrespondent bei vielen Parteitagen bundesweit zugegen ist. „Aber sowas wie hier im Saarland habe ich nirgendwo gesehen.“

Bei den Grünen hat die Bundespartei eingegriffen. Handlungsfähig sei der Landesvorstand, bei dem die Hälfte der Posten und die Spitze nicht besetzt sind, offensichtlich nicht, sagt Schmidt-Lunau. Knackpunkt ist Hubert Ulrich. „Er betrachtet seine politische Karriere als das Zentrale in seinem Leben. Davon loszulassen, fällt ihm extrem schwer“, glaubt van den Boom. „Eine Mischung aus starker politischer Eitelkeit“, die viele Politiker als „Schutzpanzer“ zwar bräuchten, und „mangelnder Einsicht zu akzeptieren: Meine Zeit ist um.“ Gegen Ulrich wurde ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet. Wenn überhaupt bringe das nur einen „dünnen Kit über die Spalte“.

Bis zur Landtagswahl ändere sich nicht viel an der Situation, glauben die Gäste. Wenig Zeit allerdings auch für Bunt.Saar. „Wir müssen uns beeilen, dass wir vorher eine richtige Kampagne haben.“ Am Donnerstag hat der Verein seine Webseite freigeschaltet.

Zerstritten ist auch die AfD, gerichtliche Auseinandersetzungen inklusive. Die Landtagsfraktion um Chef Josef Dörr und der Landesverband mit Chef Christian Wirth stehen sich gegenüber. Trotzdem spürt Schmidt-Lunau eine gewisse Gelassenheit. Die AfD werde geschlossen auftreten. „Es gibt keine mobilisierbare Opposition gegen den jetzigen Vorstand. Josef Dörr ist Geschichte.“ Auch in anderen AfD-Landesverbänden gehe es hoch her, ohne Auswirkungen, sagt van den Boom. „Die AfD wird nicht gewählt wegen der Qualität ihres politischen Personals.“ Sollte sich die Partei bis zur Wahl weiter streiten, und dass sei vielleicht der Unterschied zur Linke und den Grünen, „wird sie trotzem in den saarländischen Landtag einziehen“.

Die Meinung in sozialen Medien: Alle drei Parteien seien aktuell nicht wählbar, ergab eine – nicht repräsentative – Umfrage von SR. Allerdings wegen der Wahlprogramme und weniger wegen der Grabenkämpfe. Liegt es vielleicht auch an der Kleinheit der Parteien?, fragt Müller-Adams. „Die politische Linie, die Elite, ist sehr klein“, sagt van den Boom. „Die Platzhirsche wieder loszuwerden ist schwer, wenn ihnen die Sache ein bisschen zu Kopf steigt.“ Nun ist das Saarland auch ein kleines Land, es tummelten sich „Irrläufer“. Verschärft das die Situation?, fragt Herbst. „Das glaube ich schon“, sagt Schmidt-Lunau. „In einem größeren Land ist es schwerer, bekannt zu werden.“ Trotzdem seien in anderen Ländern die kleinen Parteien „absolut handlungsfähig“. Dass Irrläufer den Weg zu Bunt.Saar finden, könne man nicht ausschließen, sagt Löhfelm. „Durch das Schauspiel, das sich hier die ganze Zeit vollführt, ist man aber ganz gut sensibilisiert.“

Die SPD punktete am meisten bei der Bundestagswahl. Kann sie das auch im März im Saarland? Der Rückenwind für sie gehe weiter, wenn die Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene weiter so „konsensorientiert und geräuschlos verlaufen“, sagt van den Boom. Spricht das auch für eine Ampel im Saarland? Nicht wenn „Hubert Ulrich weiter die Fäden zieht“, sagt Schmidt-Lunau. Außerdem komme es darauf an, wie stark oder schwach die Linke sei, ob die FDP wiederkomme, und auf neue Formationen – wie Bunt.Saar.

Zum Schluss eine kreative Aufgabe, mitsamt Blättern und Stiften: Was wäre das wahrscheinlichste Wahlergebnis, wenn es eine Pizza wäre? Van den Boom entscheidet sich für ein Glas Rotwein – ein gutes Ergebnis für die SPD –, und drei verbrannte Stück Pizza. „Die drei, die bei dem Wahlergebnis ganz schlecht aussehen werden.“ Einen verbrannten Rand aus AfD, ein Belag aus SPD, CDU, FDP und Grünen, malt Schmidt-Lunau. Zu den Mehrheitsverhältnissen sagt er nichts. Keinen Belag hat dagegen Löhfelms Pizza, es wurde aber viel an ihr herumgeschnitten. „Jeder will ein Stück haben. Es geht nur um Personen, aber nicht um die Inhalte.“

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