CDU befürchtet Losverfahren an Gymnasien Saar-Landtag bringt Rückkehr zu G9 auf den Weg – Streichert-Clivot: „Keine Kopie des alten G9“

Saarbrücken · Der Landtag hat die Rückkehr zu G9 auf den Weg gebracht. Im Grundsatz gibt es dafür eine breite Mehrheit, doch die CDU befürchtet, dass die SPD-Pläne zum „Einfallstor in die Einheitsschule“ werden.

Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) will das Bildungssystem im Saarland „auf die höhe Zeit“ bringen. Dazu soll auch das neue G9 an Gymnasien beitragen.

Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) will das Bildungssystem im Saarland „auf die höhe Zeit“ bringen. Dazu soll auch das neue G9 an Gymnasien beitragen.

Foto: BeckerBredel

Der Abschied vom achtjährigen Gymnasium im Saarland hat am Mittwoch begonnen. Kaum jemand im Landtag weint der 2000 beschlossenen Schulzeitverkürzung bis zum Abitur eine Träne nach. „G8 war ein Experiment, das gescheitert ist“, urteilte Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) knapp, die SPD-Abgeordnete Martina Holzner sprach von „Murks“. Die SPD habe G9 versprochen und liefere jetzt.

Der CDU-Bildungspolitiker Frank Wagner sagte zwar: „Alle anderen westlichen Bundesländer sind uns damals gefolgt, so schlecht kann es also nicht gewesen sein.“ Er fügte aber hinzu, es gehe jetzt nicht um das Ob einer Rückkehr zu G9, sondern um das Wie. Denn für G9, so Wagners Fraktionskollegin Jutta Schmitt-Lang, gebe es „im Grundsatz eine breite Akzeptanz und Zustimmung“ in der Politik sowie bei Schülern, Eltern und Lehrern.

 Jutta Schmitt-Lang (CDU) ließ kein gutes Haar an den Plänen der Landesregierung.

Jutta Schmitt-Lang (CDU) ließ kein gutes Haar an den Plänen der Landesregierung.

Foto: BeckerBredel

Ministerin: Bildungssystem „auf der Höhe der Zeit“

Die Ausgestaltung von G9 ist im Landtag jedoch umstritten. Bildungsministerin Streichert-Clivot sagte, man bringe das saarländische Bildungssystem nun „auf die Höhe der Zeit“. „Die pädagogischen Vorteile von G9 liegen auf der Hand. Wir sehen sie Tag für Tag an unseren Gemeinschaftsschulen: eine bessere individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen, mehr Zeit zum Lernen und Leben und mehr Bildungsgerechtigkeit.“ Und mit G9 gebe es endlich wieder mehr Zeit für Sport und Musik, für ehrenamtliches Engagement, für Vereinstätigkeiten.

G9 soll zum Schuljahr 2023/24 starten, für alle, die dann in den Klassenstufen 5, 6 und 7 sind. Es werde aber „keine Kopie des alten G9“ geben, versprach die Ministerin.

Lehrpläne werden modernisiert

Lehrpläne und Stundentafeln würden modernisiert. „Wir berücksichtigen Themen wie die Globalisierung, Klimawandel, Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Berufsorientierung und Demokratiebildung“, sagte Streichert-Clivot. Informatik wird Pflichtfach ab Klasse 7, damit nehme das Saarland bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Künftig sollen im Unterricht stärker gesellschaftspolitische Themen behandelt werden, deshalb gibt es mehr Sozialkunde-Unterricht.

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Die CDU forderte Nachbesserungen am Gesetzentwurf, dieser sei „mut- und kraftlos“, sagte die Abgeordnete Jutta Schmitt-Lang. So würden die saarländischen Schüler mit 178 Jahreswochenstunden in der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10) bundesweit abgehängt, der Durchschnitt der Länder liege bei 185. „Mir ist es ein Rätsel, wieso sich die SPD-Fraktion völlig ohne Gegenwehr mit der Minimalausstattung der Gymnasien zufrieden gibt“, sagte Schmitt-Lang. Fächer wie Musik, Bildende Kunst, Religion und Biologie würden in einigen Jahrgangsstufen mit nur einer Stunde pro Woche unterrichtet. Das bedeute „eiliges Durchhecheln durch den Lehrplan und mehr Druck“.

CDU befürchtet Losverfahren bei Anmeldungen

SPD-Bildungspolitikerin Martina Holzner entgegnete: „Das neue G9 steht für mehr Zeit. Wo Sie eine vermurkste Stundentafel sehen, steckt für uns mehr Zeit zum Lernen und zum Leben drin.“

Ohne verbindliche Zugangsvoraussetzungen und der Abschaffung des Sitzenbleibens in der fünften Klasse – so ein weiterer Kritikpunkt der CDU – werde der Eindruck erweckt, Gymnasien seien ein „Experimentierfeld für jeden“, es drohe ein Losverfahren bei den Neuanmeldungen, bei dem leistungsstarke Schüler gegen Schüler ohne Gymnasial-Empfehlung ihrer Grundschule das Nachsehen haben könnten. „Es braucht ein klares Bekenntnis des Ministeriums, dass das hier nicht das Einfallstor in die Einheitsschule werden soll“, sagte Schmitt-Lang.

Den Verzicht aufs Sitzenbleiben verteidigte Streichert-Civot mit den Worten: „Schülerinnen und Schüler bekommen mehr Zeit zum Ankommen, eine Versetzungsentscheidung wäre dem nicht förderlich.“ Schon heute gingen viele Schulen diesen Weg, der nun gesetzlich verankert werde.

Im Februar soll nun eine Anhörung im Bildungsausschuss stattfinden, bevor das Gesetz dann im Landtag beschlossen wird und zum 1. August 2023 in Kraft treten kann. In der ersten Lesung enthielt sich die CDU-Fraktion. Bei der Schlussabstimmung im Frühjahr will sie ihr Votum davon abhängig machen, wie die SPD-Mehrheit bis dahin mit der Kritik von Lehrer- oder Elternverbänden umgeht, die sich bisher zum Teil nicht genug eingebunden fühlen.

Die AfD forderte, G9 ab sofort allen Schülern anzubieten, die jetzt schon auf dem Gymnasium sind, also auch den höheren Jahrgangsstufen, die noch G8 machen (der letzte G8-Jahrgang wird 2028 Abitur machen). Wenn G8 gescheitert sei, fragte Fraktionschef Josef Dörr, „warum kommen dann nur zwei oder drei Jahrgänge in den Genuss und alle anderen müssen warten?“ Das sei „unverschämt“. Der Vorschlag der AfD sei, jedem Schüler G9 und G8 zu ermöglichen. „Wir haben Kinder, die organisieren sich nicht in Vereinen, die machen keine Musik, die wollen in möglichst schneller Zeit ihr Abitur machen, das muss man auch akzeptieren.“

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