Ist der Kinderschutz im Saarland einmalig? Streit zwischen Landesregierung und Kinderschutzbund geht weiter – Vorsitzender übt erneut Kritik an Bachmann

Update | Saarbrücken · Nach einer Pressemitteilung der Landesregierung zum Kinderschutz im Saarland hat der Kinderschutzbund heftige Kritik geäußert. Es hapere im Saarland „in allen Bereichen“ kritisierte der Vorsitzende. Ministerin Bachmann wehrte sich daraufhin in einer erneuten Pressemitteilung – auf die der Kinderschutzbund wieder mit Kritik antwortet.

Saarland: Kinderschutzbund kritisiert Sozialministerin Bachmann erneut
Foto: BeckerBredel

Ist der Kinderschutz im Saarland einmalig? Oder besteht doch noch viel Nachholbedarf? Über diese Frage diskutieren die Landesregierung und der saarländische Kinderschutzbund aktuell öffentlich. Ausgangspunkt des Streits: Eine Pressemitteilung des saarländischen Familienministeriums, in der Sozialministerin Monika Bachmann sowie ihr Staatssekretär Stephan Kolling (beide CDU) den Kinderschutz im Saarland als „bundesweit einmalig“ bezeichneten.

Dabei wurde unter anderem auf eine Internetplattform verwiesen, die seit Juni 2021 kostenlose Fortbildungsangebote für Fachkräfte vermittelt sowie auf einen Kinderschutz-Newsletter, der „die Vernetzung innerhalb der saarländischen Kinderschutzlandschaft unterstützen“ soll. Diese Verbesserungen seien von der Kommission Kinderschutz auf den Weg gebracht worden, die im Spätsommer 2021 ihre Arbeit aufgenommen hat.

Heftige Kritik des Kinderschutzbundes

Stefan Behr, der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes im Saarland reagierte noch am Montag auf die Pressemitteilung der Landesregierung. Die Arbeit der Kommission sei sinnvoll, an der „Umsetzung konkreter Maßnahmen“ hapere es aber in fast allen Bereichen. Es gebe keinen Beauftragten für Kinder- und Jugendschutz, flächendeckende Schutzkonzepte würden fehlen und auch niedrigschwellige Hilfsangebote seien eine Fehlanzeige. Die Bilanz falle insgesamt „bescheiden“ aus. Daraus eine bundesweite Vorreiterrolle abzuleiten, sei „reiner Etikettenschwindel“ und gehe völlig an der „tristen Realität“ vorbei.

Bachmann wehrt sich gegen Kritik

Am Mittwoch veröffentlichte das Ministerium eine längere Antwort auf die Kritik des Kinderschutzbundes. „Entgegen den Äußerungen des Kinderschutzbundes wurde in den letzten Jahren viel für den Kinderschutz im Saarland getan“, teilt Bachmann darin als Vorsitzende der Kinderschutzkommission mit. Die Landesregierung arbeite seit Mitte 2000 zusammen mit den Jugendämtern an einer Strukturverbesserung für den Kinderschutz. Insbesondere an der besseren Verzahnung der Schutz- und Hilfsangebote für die Opfer sexuellen Missbrauchs. Man habe mit wachsender Vernetzung in den vergangenen Jahren so viel erreicht und mit dem „Qualitätssicherungskonzept für die spezialisierten Fachberatungsstellen für den Kinderschutz“ eine gute Grundstruktur aufbauen können.

2022 seien außerdem spezialisierte Fachberatungsstellen mit rund 600 000 Euro gefördert worden. „Mit weiteren 1,04 Millionen Euro unterstützt das Land die Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen bei Gewalt an Frauen“, so Bachmann weiter. Auch das komme betroffenen Kindern zugute. Die vier ersten Handlungsempfehlungen der Kommission für die Weiterentwicklung des Kinderschutzes im Saarland befänden sich derweil in der Umsetzung.

„In keinem anderen Bundesland gibt es eine Fortbildungsoffensive zum Kinder- und Jugendschutz, die für alle Berufsgruppen ein kostenfrei verfügbares Fortbildungsangebot vorhält“, betont Bachmann in der Antwort auf die Kritik des Kinderschutzbundes. Man ermögliche den Fachkräften im Saarland dadurch eine „ausgezeichnete Basis“, um ihr Fachwissen auf dem aktuellen Stand zu halten.

Schutz muss „weiter verbessert werden“

 Darüber hinaus sei man im Saarland „mit der Implementierung von Schutzkonzepten vorangekommen“. Bereits im November 2018 habe man bei allen Verhandlungen und Leistungsvereinbarungen mit Trägern der Eingliederungshilfe, Jugend- und Altenhilfe Schutzkonzepte gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch eingefordert. Jetzt gebe es auch eine gesetzliche Verpflichtung dafür. Auch für Krankenhäuser und Kinderkliniken komme jetzt eine gesetzliche Verpflichtung zur Vorhaltung von Schutzkonzepten.

 Um das Amt eines Kinderschutzbeauftragten einzurichten, seien außerdem bereits alle haushaltsrechtlichen Vorbereitungen getroffen worden, kündigt Bachmann an. Der Abschlussbericht der Kommission befinde sich derweil in der Endabstimmung. „Er enthält umfassende Handlungsempfehlungen für die Implementierung weiterer Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung des Kinderschutzes im Saarland“, so Bachmann.

 All das seien wichtige Schritte, man dürfe bei dem Erreichten aber nicht stehen bleiben, betont Bachmann in der Mitteilung: „Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss weiterhin durch den Staat, aber auch durch Kitas, Schulen, Kirchen, die Wohlfahrt, den Sport oder auch Kliniken und Einrichtungen aus dem ambulanten medizinischen und therapeutischen Bereich verbessert werden.“

Kinderschutzbund im Saarland erneuert seine Kritik

Auch auf die zweite Mitteilung des Sozialministeriums folgte noch am Mittwoch prompt eine Antwort des Deutschen Kinderschutzbundes im Saarland. Man habe weder die Arbeit der Kommission noch die eingerichtete Lernplattform kritisiert, stellt der Vorsitzende Stefan Behr darin klar. Dem Saarland eine bundesweite Vorreiterrolle im Kinderschutz zuzusprechen sei aber angesichts der „zahlreichen offenen Baustellen im Bereich Kinderschutz“ „unseriös, irreführend und hemmungslos übertrieben“.

Die zweite Pressemitteilung am Mittwoch verstärke diesen Eindruck nach Ansicht von Behr weiter. Sie sei „in weiten Teilen eine Mischung aus vagen Andeutungen, Wiederholungen und Selbstverständlichkeiten“. Der von Bachmann betonte Ausbau des Personals sei für den Bereich der Intervention richtig, im Bereich der Präventionsarbeit treffe er aber nicht zu. Außerdem bleibe nach wie vor unklar, inwieweit das Saarland im Bereich der Schutzkonzepte vorangekommen sei. Diesen Eindruck teile nicht nur der Kinderschutzbund ausdrücklich nicht – derartige Konzepte seien höchsten eingefordert worden.

Auch zum Amt des Kinderschutzbeauftragten äußerte sich Behr in seiner Antwort an Bachmann. Die entsprechende Empfehlung der Kommission sei Mitte Juni 2020 veröffentlicht worden und sicherlich bereits vorher intern bekannt gewesen. Der aktuelle Landeshaushalt sei ein halbes Jahr später verabschiedet worden. „Es wäre also ohne Weiteres möglich gewesen, die nun für die Zukunft getroffenen „haushaltsrechtlichen Grundlagen“ bereits damals zu schaffen, so dass das Amt bereits in der aktuellen Legislaturperiode hätte eingerichtet werden können“, kritisiert Behr abschließend.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort