Hilfe bei Gewalt, Mobbing und Trauerfällen Wie Saarländer Schulen in Berlin krisenfest machen

Saarbrücken · Das saarländische Landesinstitut für Präventives Handeln (LPH) bildet jedes Jahr Krisenteams an Schulen aus, die bei Notfällen wie Gewalt, Mobbing und Trauerfällen umgehend handeln. Das Modell aus dem Saarland erregt bundesweit Beachtung.

Saarland bildet bundesweit  Krisenteams an Schulen aus
Foto: dpa/Oliver Berg

Am 11. März jährt sich der Amoklauf von Winnenden zum 13. Mal. An diesem Tag im Jahr 2009 stürmte der 17-jährige Tim K. die Albertville-Realschule in Winnenden bei Stuttgart und erschoss dort neun Schüler und drei Lehrerinnen. Auf der Flucht tötete er drei weitere Menschen. Als er von der Polizei gestellt wurde, erschoss sich der ehemalige Schüler selbst.

Zu diesem Zeitpunkt war das saarländische Landesinstitut für Präventives Handeln (LPH) gerade einmal zweieinhalb Monate „alt“. Nach den dramatischen Ereignissen in Baden-Württemberg wurde unter der Leitung der damaligen Ministerin für Bildung, Familie, Frauen und Kultur im Saarland, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), ein Runder Tisch einberufen. Es wurden „Notfallpläne für saarländische Schulen“ erarbeitet, in denen den Bildungseinrichtungen Krisenteams empfohlen werden.

Wissen, was im Notfall zu tun ist

Seit 2010 bildet das LPH schuleigene Krisenteams aus, sagt Hagen Berndt. Er ist Erster Kriminalhauptkommissar und seit vielen Jahren für das LPH tätig.  „Ein schuleigenes Krisenteam besteht aus dem sogenannten Kernteam, das vom LPH dezidiert ausgebildet wird, aus einem internen Netzwerk aus Schulpersonal der jeweiligen Schule, und externen Partnern wie Polizei, Schulsozialarbeiter, Schoolworker, Schulpsychologie, Feuerwehr, Jugendamt und dem Bildungsministerium.“ Die Ausbildung eines Teams erstreckt sich über neun Monate. In Präsenzveranstaltungen wird unter anderem geübt, was im Notfall zu tun ist.

 Hagen Berndt, Erster Kriminalhauptkommissar, arbeitet für das Landesinsitut für Präventives Handeln (LPH) im Saarland und bildet gemeinsam mit einem Pädagogen Krisenteams an Schulen aus.

Hagen Berndt, Erster Kriminalhauptkommissar, arbeitet für das Landesinsitut für Präventives Handeln (LPH) im Saarland und bildet gemeinsam mit einem Pädagogen Krisenteams an Schulen aus.

Foto: Teresa Prommersberger

Unterschiedliche Grade der Gefährdung

Dabei wird in den Notfallplänen, die den Schulen an die Hand gegeben werden, zwischen drei Gefährdungsgraden unterschieden, erklärt Berndt. Unter „Gelb“ sind kleinere Schlägereien und Rangeleien unter Schülern, Beleidigungen und Sachbeschädigungen zusammengefasst. Zum Gefährdungsgrad I gehören aber auch Trauerfälle an Schulen ebenso wie Situationen, in denen eine Schülerin oder ein Schüler Suizidgedanken äußert. Zu „Orange“, Gefährdungsgrad II, gehören etwa Drohungen von Amokläufen oder Geiselnahmen, Morddrohungen, Körperverletzung und sexuelle Übergriffe, Mobbing, die Ankündigung eines Suizid und ein Suizidversuch. Unter Gefährdungsgrad III, „Rot“, verstehen die Notfallpläne Amokläufe und Geiselnahmen, Mord und Totschlag, Brände, Drohung mit Sprengsätzen und den Gebrauch von Schusswaffen sowie Suizid und Todesfälle in der Schule. Je nach Gefährdungsgrad erhalten die Krisenteams genaue Anleitungen, was sie tun können, um die Gefahren etwa durch Gespräche zu bannen – und wann im Notfall zunächst nur die Polizei tätig werden muss.

 Auch Grundschulen wollen Krisenteams

Die Ausbildung von Krisenteams war zunächst nur für weiterführende Schulen im Saarland vorgesehen, sagt Berndt. „Allerdings melden auch immer mehr Grundschulen Interesse an der Fortbildung an.“ Das Thema Amoklauf sei mehr und mehr in den Hintergrund getreten. „Alltägliche schulische Krisensituationen – so auch das Thema „Corona“ – treten dagegen mehr und mehr in den Fokus der umfangreichen Qualifizierung.“ Bislang haben im Saarland 118 der 317 Schulen eigene Krisenteams.

Berlin wird auf das Saarland aufmerksam

In Berlin seien im Gegensatz zum Saarland die schuleigene Krisenteams verpflichtend, erklärt Berndt. Die Evangelische Schulstiftung der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) habe daher 2019 mit der Fortbildungsreihe „Qualifizierung von Krisenteams“ begonnen – und um Amtshilfe beim saarländischen Landtag gebeten. Das LPH solle mit seiner Expertise die Schulen krisenfest machen. „Für die Schulen wurde die Fortbildungsreihe insbesondere auf die Rahmenbedingungen der Schulen  – Notfallordner Berlin/Brandenburg – angepasst. Die Qualifizierung erfolgte auch dort durch ein multiprofessionelles Team aus dem LPH, aus einem Pädagogen und einem Kriminalbeamten. Zwei Fortbildungsreihen hat das LPH schon angeboten, sagt Berndt, und sieben Grundschul-Krisenteams und 18 Teams an weiterführenden Schulen in Berlin ausgebildet.

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