„Dringender Handlungsbedarf“ Saarländischer Flüchtlingsrat fordert mehr Personal und Transparenz bei der Ausländerbehörde

Saarlouis · Extrem lange Bearbeitungszeiten, die Behörde selbst kaum erreichbar, Verlängerungen des Aufenthaltstitels würden zu Lasten der Betroffenen nicht bearbeitet. Das kritisiert der Saarländische Flüchtlingsrat

Saarländischer Flüchtlingsrat fordert mehr Personal bei der Ausländerbehörde​
Foto: BeckerBredel

Seit Jahresbeginn 2021 ist die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Lebach die alleinige Ansprechstelle für Geflüchtete und Migranten im Saarland. Auf Betreiben des damaligen Innenministers Klaus Bouillon (CDU) wurde der Standort in Saarbrücken geschlossen, um fortan in Lebach die Anliegen der Betroffenen zentral zu bearbeiten. Doch die von Bouillon seinerzeit ins Feld geführte Verbesserung und Effizienzsteigerung der Arbeit im Interesse der Betroffenen kam anscheinend bisher noch nicht richtig zum Tragen. Im November vergangenen Jahres berichtete der Saarländische Rundfunk, dass sich 40 000 unbearbeitete Verfahren angestaut hätten und die Behörde völlig überlastet sei – mit existenzgefährdenden Auswirkungen für die Betroffenen.

Eine besorgniserregende Entwicklung und Grund genug für eine erneute Bestandsaufnahme der Behördenarbeit nach dem Regierungswechsel. „Thema ist noch einmal die Arbeit, beziehungsweise aus unserer Sicht die Nicht-Arbeit der Zentralen Ausländerbehörde Lebach (ZAB)“, sagte am Freitag Peter Nobert, Vorstandsmitglied des Saarländischen Flüchtlingsrates die Anwesenden. „Die Verhältnisse sind teilweise als katastrophal zu bezeichnen. Bei der ZAB geht nichts mehr – außer Abschiebungen“, sagte Nobert, der sein von der Rechtsanwältin Sabina Aalbers praxisnah zu untermauern weiß.

Da ist die Rede von unbearbeiteten Anträgen, die trotz E-Mail-Bestätigung und des elektronischen Behördenpostfachs nicht zu den Akten gelangen, „was kaum nachzuvollziehen ist“, so Nobert. Das hat nicht nur extrem lange Wartezeiten zur Folge. Da die Behörde kaum erreichbar sei und auch nicht reagiere, führe es oft dazu, dass dringend erforderliche Aufenthaltstitel und -erlaubnisse nicht erteilt würden oder nur, wenn die Anwälte eine einstweilige Anordnung auf den Weg bringen würden. Ein zeitraubendes Prozedere, das nicht nötig wäre, wenn die Behörde ihrer Arbeit nachkäme. Im schlimmsten Falle würden die Betroffen wegen der ausbleibenden Verlängerung ihren Arbeitsplatz verlieren, bekämen die notwendigen Sozialleistungen nicht mehr und könnten auch nicht mehr reisen.

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Ein Spezifikum der Behörde seien die sogenannten CoVid-Bescheinigungen, die laut Nobert „nicht dem Aufenthaltsgesetz entsprechen“ und dennoch von der Behörde anstelle von gesetzeskonformen Verlängerungen ausgestellt würden, was erheblich Nachteile für die Betroffenen habe, weil sie kein rechtskräftiges Dokument in der Hand hätten. „Was offensichtlich noch funktioniert sind Abschiebungen“, sagte er mit Hinweis auf die bereits 72 abgeschobenen Personen im ersten Halbjahr dieses Jahres – eine deutliche Steigerung zu den insgesamt 92 Abgeschobenen im vergangenen Jahr. Auch die auf Asyl und ausländerrechtlichen Angelegenheiten spezialisierte Anwältin Sabina Aalbers habe die gleichen Erfahrungen gemacht. „Ich habe im letzten halben Jahr viele Beratungen gehabt, wo es eigentlich kein rechtliches Problem gibt, außer dass die Betroffenen keinen Kontakt zur ZAB aufnehmen können und deshalb völlig verzweifelt sind, weil sie niemanden erreichen können“, berichtete sie.

Sei und Nobert betonten, dass ihre Kritik nicht auf die überforderten Mitarbeiter der ZAB ziele, sondern sich an die Behördenleitung und das Innenministerium richte. Sie fordern Transparenz, klare Zuständigkeiten und eine Aufstockung des Personals, um die Angelegenheiten in angemessener abarbeiten zu können. Auch das Verankern bzw. Ausweiten des von der Bundesregierung geplanten, stichtagsbezogenen Chancen-Aufenthaltsrechts, müsse in Angriff genommen werden. Dafür erhoffen sie sich von Innenminister Reinhold Jost (SPD) Unterstützung.

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