Saarbrücker Seniorentage Grundsteuererklärung und Co.: Die Vergessenen der Digitalisierung

Saarbrücken · Die Grundsteuerklärung online abgeben: Nicht bloß für viele ältere Menschen ist das der Horror. Andererseits kann die Digitalisierung Senioren auch das Leben erleichtern: Dieses Spannungsfeld wird nun Thema bei den 6. Saarbrücker Seniorentagen sein – am 17. und 18. August im Saarbrücker Schloss.

 Die Saarbrücker Seniorentage befassen sich am 17. und 18. August mit dem Thema Digitalisierung.

Die Saarbrücker Seniorentage befassen sich am 17. und 18. August mit dem Thema Digitalisierung.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Im Grunde sind die beiden Herren ja das personifizierte Gegenbeispiel dafür, dass die Saarbrücker Seniorentage überhaupt von Nöten sind. 164 Lebensjahre werfen Lothar Arnold (78) und Berthold Bahner (86) zusammen in die Waagschale. Doch weder bringen sie die Treppen zweier Etagen vor dem Gespräch bei der Saarbrücker Zeitung nennenswert aus der Puste, noch schreckt sie der Umgang mit Smartphone und Tablet.

Vielen ihrer Altersgenossen geht es aber nicht so. Bei der Digitalisierung würden Nöte und Sorgen älterer Menschen oft vergessen, bemängeln die beiden Vorstandsmitglieder des Saarbrücker Seniorenbeirats unisono. Darum rücken die Saarbrücker Seniorentage (veranstaltet vom Seniorenbeirat, der Stadt Saarbrücken, dem Regionalverband und dem Verein Senioren der Kommune Saarbrücken) am 17. und 18. August jetzt die Digitalisierung in den Blickpunkt. Motto: Wenn Staat und Politik uns ignorieren, reden wir eben selbst drüber.

Aktuell treibe etwa die Abgabe der Grundsteuererklärung vielen Senioren den Angstschweiß auf die Stirn, sagt Bahner. Die Erklärung habe per Computer zu erfolgen, hieß es anfangs kategorisch (mittlerweile wurde nachgebessert). Ohne Unterstützung von Kindern, Enkeln oder Nachbarn aber kapitulierten viele Senioren vor der Steuererklärung im Netz. Und das ist nur ein Beispiel, wie ältere Menschen und deren Bedürfnisse bei staatlichen Vorhaben vergessen oder ignoriert würden, meint Arnold, Vorsitzender des Saarbrücker Seniorenbeirats und früher Stadtrat für die CDU. Er und sein Mitstreiter Bahner, der auch Landesvorsitzender der Liberalen Senioren Saar ist, verweisen da auf das Statistikportal Statista. Demnach sind „26 Prozent der über 60-jährigen Saarländer nie im Internet“ unterwegs. Heißt, dass rund 83 000 ältere Saarländer von vorneherein massive Probleme haben, die geforderte Grundsteuererklärung online abzugeben.

 Lothar Arnold, der Vorsitzende des Saarbrücker Seniorenbeirats.

Lothar Arnold, der Vorsitzende des Saarbrücker Seniorenbeirats.

Foto: SENIORENBEIRAT

Dieses Beispiel mache auch deutlich, dass Bund, Land und Kommunen nach wie vor klassische Wege für Behördengänge offenhalten müssten, fordert Bahner. Zugleich müssten sie aber dafür sorgen, dass mehr und mehr Menschen an der Digitalisierung teilhaben können. Denn dass diese auch Positives bringe, habe sich gerade in der Pandemie gezeigt, „als viele alleine zuhause saßen, da haben Videoschaltungen geholfen“, so Lothar Arnold, „so konnte man sich zumindest sehen und miteinander reden.“

Das funktionierte aber nur bei jenen, die über die technische Ausstattung verfügen. Nicht selten gingen jedoch Alter und Armut Hand in Hand, erläutern Bahner und Arnold. Mit einer kleinen Rente fehle es schlicht am Geld, um sich ein Smartphone oder Tablet leisten zu können. Die aktuelle Preisexplosion infolge des Ukraine-Krieges verschärfe die Situation zusätzlich dramatisch.

Wobei das grundsätzliche Problem schon viel länger bekannt ist. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso) hatte bereits in ihrer Stellungnahme zum achten Altersbericht der Bundesregierung von 2020 einen „Digitalpakt Alter“ gefordert, ähnlich wie es ihn für die Schulen gibt. Auch nach dem Ende des Berufslebens soll es für alle Menschen möglich sein, digitale Kompetenzen zu erwerben. Vor allem aber sei aus Sicht der Bagso der Zugang zu Internet und zu internetbasierten Diensten „ein unverzichtbares Element der Daseinsvorsorge“. Dies wird denn auch die frühere saarländische Sozialministerin Regina Görner (CDU) und heutige Vorsitzende der Bagso bei ihrem Vortrag anlässlich der Seniorentage thematisieren.

Arnold und Bahner sehen dabei auch die Kommunen in der Pflicht. Diese sollen digitale Geräte anschaffen und „Menschen, die sich diese nicht leisten können, zur Verfügung stellen“. Genauso wichtig aber sei die Hilfe, um den Einstieg in die digitale Welt zu meisten. Kurse wie sie etwa Volkshochschulen und die Landesmedienanstalt anbieten, seinen gut und wichtig. Letztlich bräuchten aber viele ältere Nutzer quasi „Einzelunterricht“, so Bahner. Sprich, jemanden, der einfach in konkreten Situationen mit dem Tablet oder Smartphone in der Hand erklärt, wie etwas funktioniert. Die Vertreter des Seniorenbeirats denken dabei auch an Schüler und Studierende, die gegen eine Aufwandsentschädigung helfen könnten. Es gehe ja meist nicht um vertiefte IT-Kenntnisse, sondern um einfache Schritte.

Keineswegs gehe es aber nur darum, dass die ältere Generation nur mit Forderungen auftrete, betonen die Seniorenbeiräte, die die Stadt Saarbrücken in Seniorenfragen beraten. Man wolle schließlich auch etwas zur Gesellschaft beitragen, und die Jüngeren etwa beim Kampf für den Klimaschutz unterstützen, so Bahner und Arnold: „Es braucht eben ein ganz neues Bild vom Alter.“

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