Vor 40 Jahren in Saarbrücken Wie das erste Jugendparlament scheiterte

Saarbrücken · Landespolitiker denken über ein Nachwuchsplenum nach. In Saarbrücken gab es vor 40 Jahren eines.

Mehr politische Mitwirkung für Jugendliche statt Politikverdrossenheit und Parlamentarierfrust: Im Saarland hat gerade SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn die Diskussion um ein eigenständiges Jugendparlament im Land befeuert. Im benachbarten Rheinland-Pfalz hat das Bildungsministerium entsprechend den Koalitionszielen von SPD, FDP und Grünen zeitgleich einen Gesetzentwurf für mehr Mitwirkungsrechte von Schülern bei Digitalisierung oder Klassenfahrten eingebracht.

Doch Fakt ist: Vor rund 40 Jahren gab es in der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken schon einmal das damals einzige gewählte Jugendparlament in der Bundesrepublik – und das Experiment scheiterte (wie zuvor auch ein Versuch in Nürnberg).

Dabei hatte alles eigentlich recht vielversprechend begonnen: Als sich am 26. Oktober 1975 in Saarbrücken – gestützt von einem Stadtratsbeschluss zur Etablierung eines Jugendrats – erstmals auch für 24 000 Kinder und Jugendliche zwischen 13 und 21 Jahren eigene Wahllokale öffneten, gingen damals immerhin 17 Prozent der Jungen und Mädchen zur Stimmurne und bestimmten über „ihr“ Parlament.

Schon bald kämpften dann die Jung-Parlamentarier mit Erfolg für die Einrichtung von zusätzlichen Spiel- und Bolzplätzen in der Stadt. Weitergehende Forderungen wie Nulltarif für Jugendliche in Schwimmbädern und im öffentlichen Nahverkehr oder der Bau behindertengerechter Jugendzentren waren den Stadtvätern in Saarbrücken aber nicht abzutrotzen. Auch das verlangte Stimmrecht im Stadtparlament blieb den anfangs 31 gewählten Jugendrats-Mitgliedern stets versagt, da es dazu einer Gesetzesänderung bedurft hätte.

Die jüngsten „Parlamentarier“ waren damals gerade 15 Jahre alt, durften deshalb in der Öffentlichkeit weder rauchen noch Alkohol trinken. Sie hatten mit ihren bis zu 20 Jahre alten Kollegen laut Satzung „die Aufgabe, die gesamtpolitischen Interessen und Bedürfnisse der Jugend zu vertreten“. Das konnte so kaum gutgehen, obwohl damals von derzeitigen heißen Zukunftsfragen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit noch keine Rede war.

So folgte dem Optimismus der Gründerzeit des Saarbrücker Jugendrats, der durch Berichte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in den bundesweiten Zeitungsblätterwald Einzug hielt, bald Skepsis: Bei der zweiten Wahl zum (verkleinerten) Jugendparlament gaben schon im Jahr 1978 nur noch 11,3 Prozent der wahlberechtigten Kinder und Jugendlichen in Saarbrücken ihre Stimme ab.

Die Gründe für das Nachlassen des Interesses reichten von der verringerten Zahl oft weit vom Wohnbezirk entfernter Wahllokale bis hin zu Auseinandersetzungen um die Durchsetzungskraft des Jugendparlaments. Zwischen Vertretern der Jungen Union, den Jungdemokraten, den damaligen Jungsozialisten und Falken (Sozialistische Jugend Deutschlands) sowie nur wenigen Unabhängigen blieben zudem auch im Jugendrat politische Querelen nicht aus. „Typisch parlamentarisch“, wie Kritiker spöttelten. Mit gerade mal 12 000 bis 30 000 D-Mark Zuschüssen pro Jahr hatten die Stadtväter außerdem dafür gesorgt, dass der Jugendrat kaum den Propaganda-Feldzug führen konnte, den er benötigt hätte, um sich selbst neu zu beleben. So kam 1980/81 das Aus. Doch die Debatte, wie man die Mitwirkung der Jugendlichen für ihre und unser aller Zukunft verbessern kann, ist neu eröffnet.

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