Podiumsdiskussion in der Arbeitskammer Bachmann sucht Geld für bessere Pflege

Saarbrücken · Woran krankt die Pflege? Die Arbeitskammer suchte bei einer Podiumsdiskussion Antworten – und fand unter anderem eine aufgebrachte Ministerin.

  Viele Beschäftigte in den Pflegeberufen beurteilen ihre Arbeitsbedingungen nach wie vor als schlecht.

Viele Beschäftigte in den Pflegeberufen beurteilen ihre Arbeitsbedingungen nach wie vor als schlecht.

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Monika Bachmann lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und sagt: „Mir fehlen 600 Millionen Euro. Wenn jemand ne Idee hat, wo ich die herhole, dann bitte...“ Im Publikum empörtes Gemurmel. Die CDU-Gesundheitsministerin meint den sogenannten Investitionskostenstau bei den saarländischen Krankenhäusern. Bislang bezifferte die Landesregierung diesen auf 433 Millionen Euro. 600 ist neu. Und womöglich noch immer sehr freundlich gerechnet. Die Saarländische Krankenhausgesellschaft geht von über einer Milliarde Euro aus. Wie hoch die Summe auch immer sein mag: Sie hat Auswirkungen auf die Situation der Pflege im Saarland, die eine Podiumsdiskussion der Arbeitskammer an diesem Montagabend beleuchten will. Denn es gilt als offenes Geheimnis, dass Krankenhausträger für dringend nötige Investitionen regelmäßig Gelder der Kassen abzweigen, die eigentlich für den laufenden Betrieb – also für Ärzte und Pfleger – gedacht sind. Dort wird dann gespart.

Gesundheitsministerin Bachmann formuliert das Problem anders. „Wir haben zu wenig Pflegekräfte, und die, die da sind, sind kaputt geschafft und verdienen zu wenig.“ Später in der Diskussion wird sie aber auch kritisieren: „Wir reden die Pflegeberufe zu oft schlecht.“ Das müsse sich ändern. Ihr Fazit: „Pflege braucht Wertschätzung.“ Aber ihre Empörung kommt erst noch.

Michael Quetting von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hält dagegen: „Ich weigere mich zu sagen, es sei kein Personal da.“ Vielmehr seien die Arbeitsbedingungen „so miserabel“. Der Personalmangel, den etwa das Uni-Klinikum in Homburg und das Klinikum Saarbrücken mit der Anwerbung mexikanischer Pflegekräfte entschärfen wollen (wir berichteten), sei insofern vielfach „hausgemacht“, so Quetting. „Ich möchte auch nur einen Sesselfurzer erleben, der maximal nur zwei Wochen Urlaub macht und sich davon auch noch ein Wochenende wegen eines Dienstes wegnehmen lässt“, wie dies in den Pflegeberufen häufig der Fall sei.

„Alles Polemik“, ereifert sich im Publikum der Saarbrücker Betreiber eines privaten Altenpflegeheims. Die Mitarbeiter in seiner Einrichtung seien „hoch motiviert“. Auch verdienten sie nach einer dreijährigen Ausbildung bereits rund 2300 Euro. „Das ist doch nicht schlecht etwa für eine 21-jährige Pflegerin“, sagt er. „Was uns fehlt, ist ein verbesserter Personalschlüssel, dann erübrigen sich alle anderen Probleme.“ Ein Mitarbeiter der Altenpflegeschule in St. Ingbert ergänzt: „Die Bundespolitik hilft nicht nachhaltig, die klebt nur kleine Pflaster.“ Einzig sinnvolles Ziel sei: Mehr Geld für mehr Personal. Der saarländische Pflegebeauftragte Jürgen Bender erklärt, er erlebe immer wieder „erstaunliche Mängel bei der Leitung“ vieler Pflegeheime. Die Träger hätten offenbar mit Blick auf das Personal „oft nicht vor Augen, wo die Verantwortung anfängt und wo sie aufhört“.

Wie drängend die Probleme unter den Beschäftigten in der Pflege sind, wird in einem der drei Workshops deutlich, die die Arbeitskammer vor Beginn der Podiumsveranstaltung organisiert hat. Was wünschen sich die Kranken- und Altenpfleger, fragt die Workshop-Leiterin. Die Antworten der Betroffenen kommen so schnell und so zahlreich, dass die Leiterin kaum mit dem Aufschreiben hinterherkommt. An erster Stelle steht: ausreichend Personal. Und – bezeichnend – erst an elfter Stelle ist von mehr Geld die Rede. Auch wenn sich die 17 Teilnehmer einig sind, dass ihre Arbeit deutlich besser bezahlt werden muss, sie leiden offenbar noch mehr unter den Arbeitsbedingungen. Die Arbeitskammer hatte der Landesregierung bereits im Sommer einen rund 400 Seiten starken Forderungskatalog für Verbesserungen in der Pflege vorgelegt.

Gegen Ende der Podiumsdiskussion schleudert ein Zuhörer im Publikum Gesundheitsministerin Bachmann empört entgegen: „Sie haben gefragt, wo sie das nötige Geld hernehmen sollen. Dabei ist es seit Jahren ihre Aufgabe, genau das zu klären.“ Die anwesende Linken-Politikerin Astrid Schramm legt nach: „Wir erzählen seit zehn Jahren, dass in der Pflege etwas passieren muss. Aber es passiert nichts.“ Bachmann ist sichtlich aufgebracht. „Ich kann das Geld nun mal nicht vermehren.“ Und auch sie legt nach: Ministerin Rehlinger erhalte mehr Geld für den ÖPNV, ereifert sich Bachmann, Kabinettskollege Bouillon mehr Geld für die Polizei und der Bildungsminister mehr für die Lehrer. Ja, selbst der Umweltminister... Sie beendet den Satz nicht, doch auch so ist klar, was sie offenbar meint und zu ihrer Verteidigung anführt.

 Die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU).

Die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU).

Foto: dpa/Oliver Dietze

„Um die Situation der Pflege im Saarland zu verbessern, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen wichtig“, bilanziert Arbeitskammer-Geschäftsführerin Beatrice Zeiger. „In erster Linie müssen wir die Arbeitsbedingungen – allen voran Arbeitszeit und Bezahlung – der Pflegekräfte verbessern. Nur so können wir die dringend benötigten Fachkräfte binden und neue Pflegekräfte gewinnen.“ Dazu gehöre auch, „den Personalbedarf am tatsächlichen Pflegebedarf zu bemessen, statt an statisch festgelegten Untergrenzen“.

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