Gesundheitspolitik Bei Notfällen gibt es keine Grenzen mehr

Forbach · Französische Patienten können sich künftig leichter in saarländischen Krankenhäusern behandeln lassen.

 Blick in einen Operationssaal des Herzzentrums der SHG-Kliniken in Völklingen

Blick in einen Operationssaal des Herzzentrums der SHG-Kliniken in Völklingen

Foto: SHG/SHG-Kliniken

„Es ist ein besonderer Tag in der Zusammenarbeit zwischen dem Saarland und dem Département Moselle.“ Mit diesen Worten kommentiert die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) die gestrige Unterzeichnung der „Mosar“-Vereinbarung im Kongresszentrum Burghof im französischen Forbach. Der Vertrag sieht vor, dass deutsche und französische Patienten künftig in der Einrichtung behandelt werden, die am besten dafür ausgestattet ist – unabhängig davon, auf welcher Seite der Grenze sie steht.

Die Vereinbarung, die gestern von 16 deutschen und französischen Vertretern aus Politik, Gesundheitswesen und der Krankenkassen unterzeichnet wurde, beinhaltet unter anderem eine engere Zusammenarbeit bei kardiologischen und neurochirurgischen Notfällen. „Außerdem geht es um die Behandlung von Schädel-Hirn- und Polytraumata“, sagte Bachmann. Französische Patienten mit einem akuten Herzinfarkt sollen beispielsweise in der Völklinger SHG-Klinik behandelt werden können. Dazu müssen die Betroffenen künftig keine Genehmigung der Krankenkassen mehr einholen, auch die spätere Abrechnung soll reibungslos funktionieren.

Der Vereinbarung seien sieben Jahre zäher Verhandlungen vorausgegangen, sagte Bachmann. Christophe Lannelongue, Direktor der französischen Gesundheitsbehörde Agence régionale de santé (ARS) der Region Grand Est, begründete den langen Vorlauf mit Unterschieden in den Gesundheitssystemen beider Länder. „So groß unsere Gemeinsamkeiten in vielen Punkten sind, so groß sind auch die Unterschiede in Verwaltung und Finanzierung in diesem Bereich“, so Lannelongue. „Aber wir haben unsere Zusammenarbeit stark verbessert, daher ist es keine verlorene Zeit.“ Die Vereinbarung ermögliche nicht nur eine bessere Kooperation in der Zukunft, ergänzte der Forbacher Bürgermeister Laurent Kalinowski (PS), „sie gibt uns auch Gelegenheit, gegen den Ärztemangel in beiden Ländern vorzugehen.“

„Mosar“ ist nicht die erste bilaterale Vereinbarung im Gesundheitsbereich. So können Rettungsdienste im Notfall bereits seit dem Jahr 2005 hinter der jeweiligen Grenze aktiv werden. Außerdem bieten die Völklinger SHG-Kliniken und das Saargemünder Krankenhaus ihren Auszubildenden seit längerer Zeit Praktika im jeweiligen Nachbarland an. Patienten der Forbacher Klinik können in Völklingen kardiologisch untersucht und behandelt werden. „Die neue Vereinbarung erweitert diese Angebote jetzt um weitere Erkrankungen und zusätzliche Leistungen“, so Bachmann.

Geht es nach dem Willen der Verantwortlichen, soll „Mosar“ dabei nicht der letzte Schritt bleiben. Unter anderem soll die Kooperation in Nuklear- und Reha-Medizin vertieft werden. „Es kann nicht angehen, dass man 50 bis 60 Kilometer fahren muss, wenn im Nachbarort ein Krankenhaus steht“, sagte Christophe Arend (Macron-Partei), Abgeordneter der französischen Nationalversammlung. „Wir haben wie bei der Tour de France den ersten Pass überquert“, so Arend. „Um den nächsten Gipfel zu erreichen, müssen wir weiter in die Pedale treten.“ So müssten etwa Ärzte und Pflegekräfte künftig verstärkt in der der jeweiligen Landessprache geschult werden.

Wie wichtig solche Kooperationen sein können, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2001. Damals waren zwei Saarländer nach einem Autounfall im französischen Großblittersdorf rund 100 Meter hinter der Grenze in ihrem Wagen eingeklemmt. Die saarländische Polizei rief fünfmal bei der deutschen Rettungsleitstelle an. Die weigerte sich, einen Rettungswagen zu schicken und berief sich auf eine Anordnung aus dem Innenministerium, der zufolge Einsätze jenseits der Grenze nur dann zulässig seien, wenn die französische Rettungsleitstelle in Metz diese angefordert habe. Was die damalige Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nicht erwähnte: Die saarländische Rettungsleitstelle hatte gar nicht erst in Metz angefragt – der zuständige Mitarbeiter sprach kein Französisch.

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