Missbrauchsskandal am Uni-Klinikum Linke geht mit Koalition hart ins Gericht – auch Kramp-Karrenbauer ist in der Kritik

Saarbrücken · Nach 33 Sitzungen und 90 Zeugenanhörungen liegt jetzt der Abschlussbericht vor. Im Landtag streiten sich große Koalition und Opposition zum Abschluss des U-Ausschusses über den Missbrauchsskandal am Uni-Klinikum. Die Linke übt auch an der ehemaligen Ministerpräsidentin AKK Kritik.

 Seit 2019 befasste sich ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit den Missbrauchsvorwürfen gegen einen früheren Assistenzarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uni-Klinikum.

Seit 2019 befasste sich ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit den Missbrauchsvorwürfen gegen einen früheren Assistenzarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uni-Klinikum.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Hermann Scharf hat ein Bild gemalt. So erzählt es der CDU-Fraktionsvize während der Landtagssitzung in der Saarbrücker Saarlandhalle. „Dieses Bild ist Schwarz und Weiß und hat nur wenige Farbkleckse.“ Scharf gehörte zu den Abgeordneten, die den Missbrauchsskandal am Uni-Klinikum in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten sollten. 33 Sitzungen haben seit 2019 stattgefunden, der Ausschuss hörte 90 Zeugen. Nun liegt der Abschlussbericht des Gremiums vor, 587 Seiten stark.

An diesem Mittwoch gewährt Scharf im Plenum einen Einblick in seinen ganz persönlichen Umgang mit den Eindrücken aus der Beweisaufnahme. Der Unionspolitiker fasste sie in ein Bild in düsteren Farben, mit extremen Kontrasten. Ein Assistenzarzt soll sich am Uni-Klinikum in einer Spezialambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie an minderjährigen Patienten vergangen haben. Auch nach Operationen an Kindern in der HNO-Klinik stand ein Missbrauch im Raum.

Schwarz und Weiß – dieser Kontrast passt auch zur politischen Bewertung dessen, was das Klinikum, die Behörden und zuständigen Amtsträger in den Verdachtsfällen unternahmen oder sein ließen. Stellenweise könnten die Urteile der Fraktionen im Landtag nicht unterschiedlicher ausfallen. Das betrifft auch CDU und SPD. Einig sind sich die beiden Regierungsfraktionen jedoch, wenn es um die Kritik aus den Reihen der Opposition geht.

„Im Missbrauchsskandal um die Kinder- und Jugendpsychiatrie konnte keine Instanz die Kinder schützen“, sagt der Linken-Politiker Dennis Lander zu Beginn der Debatte. Nicht nur mit der großen Koalition geht Lander im Parlament hart ins Gericht, sondern auch mit einzelnen Regierungsmitgliedern. So fängt er sich zwei Rügen von Landtags-Vizepräsidentin Isolde Ries (SPD) ein, als er die frühere Justiz-Staatssekretärin Anke Morsch (SPD) der „Lüge“ bezichtigt.

Morsch war im Missbrauchsskandal unter Beschuss geraten. Als Staatssekretärin wusste die heutige Präsidentin des Finanzgerichtshofs von den 2014 eingeleiteten Ermittlungen gegen den Assistenzarzt. Morsch billigte, dass die Familien mutmaßlicher Opfer nach dem Tod des Mediziners von der Staatsanwaltschaft nichts über die Vorwürfe erfuhren. Innerhalb der Landesregierung gab Morsch ihr Wissen ebenfalls nicht weiter. Als Zeugin im Ausschuss begründete sie das mit rechtlichen Zwängen. Damit überzeugte sie die eigene Partei ebenso wie die Union, obwohl Jutta Schmitt-Lang (CDU) sagt, die Juristin habe sich „sehr schnell hinter Paragraphen versteckt“. Morsch soll aus den Akten auch gewusst haben, dass das UKS die Angehörigen nicht kontaktieren wollte. Später sagte Morsch jedoch, sie sei „selbstverständlich davon ausgegangen“, dass sich das Klinikum an die Familien wendet. Darauf richtet sich der Vorwurf der Linken, sie habe die Unwahrheit gesagt.

Nicht nur wegen Morsch hält es die Linksfraktion für „durchaus wahrscheinlich“, dass die Regierung über die Missbrauchsvorwürfe nicht erst 2019 in Kenntnis gesetzt wurde. Dazu befragte der Ausschuss die frühere Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). „Wir können nicht sagen, wann Kramp-Karrenbauer unterrichtet wurde“, sagt Lander. Aber auch: „Entweder hatte sie ihren Laden nicht im Griff – oder sie wusste schon früher Bescheid, als sie uns zugeben wollte.“ Noch mehr im Fokus als die ehemalige Regierungschefin stand im Ausschuss der Gesundheits-Staatssekretär Stephan Kolling (CDU), weil ein Protokoll nahelegt, er könne bereits im Dezember 2014 vom Missbrauchsverdacht gehört haben. Damals kündigte das UKS dem Assistenzarzt und erstattete Strafanzeige. Angeblich ohne Kenntnis der damaligen Regierung.

„Was Sie heute gesagt haben, stand für Sie schon 2019 fest“, wirft Schmitt-Lang von der CDU dem Linken-Politiker Lander im Anschluss vor. Jürgen Renner (SPD) äußert sich ähnlich, als er über die Linksfraktion sagt, sie sei mit „vorgefertigten Thesen“ an die Aufklärungsarbeit gegangen. Anders als die Linksfraktion konzentriert sich die große Koalition nicht auf die von ihr gestellte Regierung, sondern auf das Universitätsklinikum, wo die mutmaßlichen Opfer behandelt wurden. Fest steht für alle Parteien: Früh gab es am UKS ernstzunehmende Hinweise auf mögliche Übergriffe durch den Assistenzarzt. Er untersuche Patienten auffällig lange und ohne deren Eltern, soll 2010 in einer Oberarztbesprechung berichtet worden sein. 2011 erreichte die Ärztliche Direktion ein „konkretes anonymes Schreiben“, so Schmitt-Lang, in dem der „dringende Verdacht“ geäußert wird, der Mediziner habe eine pädophile Veranlagung. Das ist im Bericht des Untersuchungsausschusses nachzulesen. „Man hätte dem ganzen Drama damals ein Ende bereiten können und müssen“, sagt der SPD-Politiker Renner. 

Er fordert als eine Konsequenz aus dem Skandal, den kaufmännischen Direktor des UKS, Ulrich Kerle, vor die Tür zu setzen. Der Abschlussbericht enthält auch eine Stellungnahme der Anwälte des Krankenhausmanagers, die Renner als „Liebesgrüße aus Homburg“ und „deutliche Warnung“ an die Regierung versteht. Denn aufgrund der „Aktenlage“ spreche vieles dafür, dass Gesundheitsministerium und Staatskanzlei „zeitnah informiert“ gewesen seien, als das Klinikum im Dezember 2014 gegen den Assistenzarzt vorging. Das ist dem Anwaltsschreiben zu entnehmen. Während beide Regierungsbehörden darauf beharren, erstmals viereinhalb Jahre später mit dem Missbrauchsverdacht konfrontiert gewesen zu sein.

Aus den politischen Streitigkeiten heraushalten konnte sich am Mittwoch nur Dagmar Heib (CDU), die Ausschussvorsitzende, die in dieser Legislatur schon den Untersuchungsausschuss zur LSVS-Finanzaffäre mit großer Souveränität geleitet hatte. „Uns alle eint das Ringen um den besten Schutz der Kinder in unserem Land“, sagte sie.

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