Richter verurteilen Saarland zur Zahlung Neuer Etappensieg für Schwerstbehinderten

Saarbrücken/Bad Kreuznach/Hamburg · Der an Armen und Beinen gelähmte Tetraspastiker Markus Igel ist froh über einen Eilbeschluss des Landessozialgerichts Mainz.

 Zusammen mit mehr als 100 Unterstützern demonstrierte der schwerstbehinderte Markus Igel (mit blauer Wolldecke auf dem Schoß) im Januar bei klirrender Kälte vor dem saarländischen Landesamt für Soziales in Saarbrücken-Burbach.

Zusammen mit mehr als 100 Unterstützern demonstrierte der schwerstbehinderte Markus Igel (mit blauer Wolldecke auf dem Schoß) im Januar bei klirrender Kälte vor dem saarländischen Landesamt für Soziales in Saarbrücken-Burbach.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Der 31-jährige, seit der Geburt an Armen und Beinen gelähmte Tetraspastiker Markus Igel freut sich über einen Eilbeschluss des Landessozialgerichts (LSG) Mainz. Dieses hat dem im Saarland geborenen Schwerstbehinderten, der jetzt in einer Wohnung in Bad Kreuznach lebt, zusätzlich 5400 Euro im Monat zu den bereits monatlich vom Amt für Soziales des Saarlandes gezahlten 7221 Euro zugesprochen.

Noch im Dezember vergangenen Jahres hatten die Mainzer Landessozialrichter Igel diesen Anspruch verweigert. Im Januar bei klirrendem Frost demonstrierten mehr als 100 Menschen vor dem Saarbrücker Landessozialamt für die Rechte Igels, darunter auch der bekannte, selbst nach einem schweren Unfall bei der „Wetten, dass...“-Fernsehshow behinderte Schauspieler Samuel Koch und die Saar-Landtagsvizepräsidentin Isolde Ries (SPD). Ries sagte damals, dass sie sich für das Saarland schäme. Denn das zum Verantwortungsbereich von Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) zählende Landessozialamt hatte gemeinsam mit dem Kreissozialamt des Landkreises Neunkirchen Igel die von ihm benötigten Mittel verwehrt. Igel hat elf Assistenzkräfte, die er für seine 24-Stunden-Betreuung braucht, selbst angestellt. Deren Entlohnung kostet ihn knapp 12 700 Euro. Doch die Saar-Sozialbehörden zahlten nur 7221 Euro und rieten Igel, billigere osteuropäische Pflegekräfte in seine Wohnung zu holen.

Das Bundesverfassungsgericht kassierte im März den Beschluss der Mainzer Landessozialrichter, weil es Igel dadurch in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus dem Grundgesetz verletzt sah. Die von den Karlsruher Richtern geforderte neue Befassung des LSG Mainz brachte Igel jetzt den Etappensieg. „Es ist ein guter Beschluss. Ich finde es allerdings schade, dass man als Behinderter erst nach Karlsruhe gehen muss, um Recht zu bekommen“, sagte Igel der SZ. Eigentlich sollte es für die deutschen Behörden normal sein, die UN-Behindertenrechtskonvention zehn Jahre nach der Unterzeichnung durch die Bundesregierung auch zu erfüllen. „Aber es ist auch gut, dass man sich wehren kann in einem Rechtsstaat“, erklärte Igel.

Saar-Sozialministerin Bachmann sagte der SZ auf Anfrage, dass sie „selbstverständlich die gerichtliche Eilentscheidung“ akzeptiere. Dem Mainzer LSG-Beschluss folgend gewähre das Landesamt für Soziales Igel zusätzlich monatlich 5400 Euro befristet bis zur Hauptsacheentscheidung monatlich als trägerübergreifendes persönliches Budget zu den bisher gezahlten 7221 Euro monatlich. „Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens bleibt abzuwarten“, betonte Bachmann.

„Das ist ein weiterer wichtiger Etappensieg für Markus Igel“, erklärte Igels Anwalt Oliver Tolmein von der Hamburger Kanzlei „Menschen und Rechte“ der SZ. Tolmein berichtete, dass Gespräche mit dem Saarbrücker Landessozialamt, eine außergerichtliche Einigung im Streitfall zu erzielen, „leider gescheitert“ seien. „Das Landessozialamt hat sich nicht einen Millimeter bewegt“, sagte Tolmein. Das Verfahren, das er für Markus Igel momentan durchfechte, sei die härteste Auseinandersetzung mit einer Behörde im Bereich des Behindertenrechts, die er bisher führen musste. Im März hatte Landtagsvizepräsidentin Ries noch ihre Koalitionskollegin Bachmann aufgefordert, „in einem Akt der Fairness“ Igel das ihm zustehende Geld zu bezahlen.

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