Landtagswahl im Saarland Paukenschlag bei den Saar-Grünen: Lisa Becker ist Spitzenkandidatin

Update | Saarbrücken · Die Grünen im Saarland stellen am Freitagabend ihre Landesliste für die Landtagswahl am 27. März auf. Platz eins der Liste geht an Juristin Lisa Becker aus Blieskastel. Zuvor gab es einen überraschenden Rückzug.

 Spitzenkandidatin der Saar-Grünen: Lisa Becker.

Spitzenkandidatin der Saar-Grünen: Lisa Becker.

Foto: BeckerBredel

Lisa Becker ist Spitzenkandidatin der saarländischen Grünen für die Landtagswahl am 27. März.  111 von 192 Delegierten stimmten am Freitagabend in der Saarlandhalle für die 31-jährige Juristin aus Blieskastel. Becker konnte sich im ersten Wahlgang gegen die stellvertretende Landesvorsitzende Kiymet Göktas, die zusammen mit Hubert Ulrich die Saarlouiser Grünen führt, durchsetzen. Göktas erhielt 80 Stimmen.

Geplant war, dass auch Landeschefin Uta Sullenberger kandidiert. Sie hatte ihre Kandidatur bereits vorab den Ortsverbänden schriftlich mitgeteilt. Allerdings zog die Grundschullehrerin aus St. Wendel am Abend überraschend ihre Kandidatur zurück. Sie habe das Gefühl, dass das „Gemeinsame“ aktuell etwas schwinde. Die vergangenen zwei Tage seien für sie turbulent gewesen. Vor ihr lägen noch viele Aufgaben, die sie als Landeschefin in Angriff nehmen wolle – und offenbar nicht auch als Spitzenkandidatin der Landesliste.

Die gewählte Spitzenkandidatin Lisa Becker ist Erste Beigeordnete der Stadt Blieskastel und engagiert sich in der innerparteilichen Opposition „Grünes Bündnis“. In den vergangenen Monaten sei der Landesverband auf einer Achterbahnfahrt gewesen, sagte Becker am Abend. „Und wir haben noch Einiges vor uns.“ Becker sieht es als angemessen an, ein Amt im Landesvorstand vom Mandat zu trennen. Ihre Ziele für die Zukunft des Saarlandes: mehr Windkraftanlagen, eine Photovoltaik-Pflicht und mehr Grünflächen. Außerdem bräuchten die Kommunen einen Altschuldenschnitt und eine „andere Aufschlüsselung des kommunalen Finanzausgleichs“. Als Kommunalpolitikerin verfüge sie über einen „reichen Erfahrungsschatz“.

Für Platz zwei bewarb sich Sören Bund-Becker aus Oberlinxweiler. Der Informatiker ist sowohl im St. Wendeler Stadtrat als auch im Ortsrat seines Heimatortes aktiv. Gegen Bund-Becker trat Markus Schmitt, ehemaliger St. Ingberter Bürgermeister,  an. Für Platz zwei vorgeschlagen wurde auch der  Saarbrücker Thorsten Reif, der allerdings auf eine Kandidatur verzichtete. Nicht angetreten war Landeschef Ralph Nonninger, obwohl auch er wie Uta Sullenberger seine Kandidatur in einem Schreiben an die Ortsverbände angekündigt hatte.  Nach dem ersten Wahlgang konnte sich Bund-Becker mit 113 von 187 Delegierten-Stimmen gegen Schmitt (66 Stimmen) durchsetzen.

Gut eine Stunde nach Beckers Wahl kam es zu einem kleinen Eklat. Vorwürfe wurden laut, wonach es bei der Wahl für Spitzenplatz eins Ungereimtheiten gegeben hätte. Es hätten mehr Leute abgestimmt, als überhaupt ordnungsgemäß dazu berechtigt gewesen seien. Es gebe eine Diskrepanz von vier Stimmen. „Unser Ziel ist es auszuschließen, dass sich Menschen an der Wahl beteiligen, die nicht wählen dürfen“, erklärte daraufhin ein Mitglied des Präsidiums. Deswegen prüfte das Präsidium die Delegiertenliste. Was sich zu diesem Zeitpunkt als schwierig herausstellte, weil Dutzende Delegierte bereits nach Hause gegangen waren. Die Prüfung zog sich über eine Stunde hin. Am Ende stellte das Präsidium fest: 197 Unterschriften gab es in der Liste. Dass mehr Leute abgestimmt hätten, als erlaubt, „ist sehr unwahrscheinlich“.

An der Wahl Beckers rüttelt die Diskrepanz nicht. Auch, weil die wenigen Stimmen bei der Mehrheit, die Becker gegenüber Göktas erzielen konnte, keinen wahlentscheidenden Unterschied gemacht hätten.

Die übrigen Plätze der Landesliste waren bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Eigentlich war die Aufstellung der Landesliste bereits für Mitte Dezember geplant. Der Termin musste aber auf den Januar verschoben werden, weil die Einladung fehlerhaft war. Bis zum 20. Januar müssen die Parteien ihre Listen beim Landeswahlausschuss einreichen. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr hatte der Wahlausschuss die Grünen-Liste mit Jeanne Dillschneider, Sprecherin der Grünen Jugend, an der Spitze nicht zugelassen. Das Gremium erachtete den Ausschluss der Saarlouiser Delegierten – der Ortsverband unter Chef Hubert Ulrich stellte ein Drittel der Delegierten  - als „eklatanten“ Verstoß gegen die Demokratie. Das bestätigte später auch der Bundeswahlausschuss. Die Saar-Grünen konnten bei der Bundestagswahl nicht mit der Zweitstimme gewählt werden.

Zum ersten Mal seit langer Zeit gab es am Freitag andere Mehrheitsverhältnisse. Das Lager Hubert Ulrichs, das in der Vergangenheit die Mehrheit der Delegierten stellte, war in der Minderheit. Das lag womöglich auch daran, dass der Ortsverband Saarbrücken-Mitte kurz vor dem Jahreswechsel überraschenderweise überwiegend Ulrich-Gegner als Delegierte für die Listenwahl aufgestellt hat.

An diesem Samstag stellen die Grünen im Wahlkreis Saarbrücken ihre Liste auf. Hier erwägt die Wirtschaftsprüferin Anne Lahoda aus dem Ortsverband Halberg, ebenfalls Mitglied im „Grünen Bündnis“, eine Kandidatur. Am Sonntag folgt die Aufstellung der Wahlkreisliste Saarlouis (Landkreise Saarlouis und Merzig). Wer den Hut in den Ring wirft, ist noch unklar. Aus Mitgliederkreisen heißt es, dass Kiymet Göktas Ambitionen auf den ersten Platz habe. Eine Woche später, am Samstag, 15. Januar, wird schließlich noch die Liste für den Wahlkreis Neunkirchen (Saarpfalz-Kreis, Kreise Neunkirchen und St. Wendel) aufgestellt. Gemunkelt wird, dass Landeschefin Uta Sullenberger in ihrem Wahlkreis kandieren wird. Vor der Aufstellung der Landesliste hatte auch Lisa Becker erklärt, im Wahlkreis Neunkirchen für Platz eins kandidieren zu wollen. Ob es dabei bleibt, war am Freitagabend noch unklar. Sie wolle sich nun erstmal mit der Basis beraten, wie sie unserer Zeitung sagte.

Auf Twitter gratulierte am Abend die frühere Saar-Umweltministerin und ehemalige Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter Lisa Becker. „Historischer Tag im Saarland bei den Grünen Saar. Die alten Zeiten sind vorbei. Endgültig“, schrieb Peter. Auch SPD-Landeschefin Anke Rehlinger beglückwünschte Becker auf Twitter für deren Sieg: „Es ist gut für das Saarland, wenn die Parteien für die Zukunft und nicht nur mit sich selbst kämpfen. Ich freue mich auf einen fairen Wahlkampf.“

Laut dem letzten SR-Saarlandtrend liegen die Grünen nach Umfragewerten bei einem Landtagswahlergebnis von acht Prozent. Damit wären jeweils der erste Platz der Landesliste und der drei Wahlkreislisten aussichtsreiche Plätze.

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