Lehrkräftereserve am Limit Droht Unterrichtsausfall im Saarland? Lehrerverband schlägt Alarm

Saarbrücken · Rund 580 Lehrerinnen und Lehrer fehlen derzeit an saarländischen Schulen. Die Lehrkräftereserve ist aufgebraucht. Der Lehrerverband sieht den Präsenzunterricht in Gefahr.

Lehrermangel im Saarland: Droht jetzt der Unterrichtsausfall? Verband schlägt Alarm
Foto: dpa/Caroline SeidSeidel-Dißmannel

Einen Monat nach dem Start des neuen Schuljahres fehlen im Saarland derzeit 579 Lehrkräfte – 213 krankheitsbedingt und 366 Lehrerinnen, die wegen Schwangerschaft nicht im Präsenzunterricht eingesetzt sind. Das teilte das Bildungsministerium auf Anfrage mit. Demnach fallen aktuell rund sechs Prozent der insgesamt 9500 Lehrkräfte im Saarland aus. „Stellenweise“ räumt das Ministerium zwar „eine gewisse Anspannung“ ein wie es sie auch bundesweit gebe, sieht aber „keine über das in dieser Jahreszeit übliche Maß hinausgehende Ausfälle von Lehrkräften“.

Klassenzusammenlegung wegen Lehrermangel im Saarland

Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) dagegen sieht den Präsenzunterricht in Gefahr. Bereits vergangene Woche hatte der Verband massive Personalengpässe beklagt . Viele Schulen seien „am Limit“. Und die Lage werde sich weiter zuspitzen, betonte diese Woche Michaela Günther, stellvertretende SLLV-Vorsitzende. „Wir weisen seit Jahren auf den Lehrermangel hin. Der Grundbedarf wird nicht erfüllt. Das Land hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Und das fällt uns nun auf die Füße“, sagt Günther. Zeitweise müssten Klassen zusammengelegt werden. Auch könne es zu verkürzten oder versetzten Unterrichtszeiten kommen.

Das Bildungsministerium betonte dagegen, dass der Präsenzunterricht in der Breite sichergestellt sei, auch wenn es „natürlich Unterrichtsausfälle an manchen Standorten geben kann“. Bisher sei dem Ministerium von zwei Grundschulstandorten sowie einem Gemeinschaftsschulstandort ein „kurzfristiger Unterrichtsausfall in geringem Umfang“ für einzelne Klassen gemeldet worden. Die Betreuung betreuungsbedürftiger Schüler sei aber sichergestellt. Ein umfangreicher Unterrichtsausfall drohe nicht. „Wir sind mit den Lehrkräftereserven in der glücklichen Lage, Personalausfälle grundsätzlich ausgleichen zu können und an den Schulen werden Ausfälle mit großen Engagement in der Regel intern kompensiert“, sagte ein Sprecher des Ministeriums der SZ.

Alle Reserve-Lehrkräfte bereits im Einsatz

Allerdings bestätigt das Ministerium auch, dass aktuell alle Kräfte der Reserve im Einsatz sind. Diese umfasst 309 Stellen, um krankheitsbedingte Ausfälle zu kompensieren. Zudem wurde im Zuge der Corona-Krise eine zusätzliche pandemiebedingte Reserve im Umfang von derzeit 300 Stellen eingerichtet. „Wir lassen an den Schulen keine Ressourcen ungenutzt. Deshalb sind grundsätzlich alle Lehrkräfte der Lehrkräftereserven im Unterricht im Einsatz.“ Weitergehende Maßnahmen wie in anderen Bundesländer seien aber nicht notwendig, heißt es aus dem Ministerium. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel sind 3000 Gymnasiallehrkräfte an Grundschulen im Einsatz, in Sachsen wird aktuell über eine Vier-Tage-Woche an Schulen diskutiert.

Die CDU-Opposition im Land wirft derweil Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) vor, den Lehrermangel „völlig verkannt“ zu haben. „Die Ministerin müsse „dringend personell vorsorgen und die schulpflichtigen Flüchtlingskinder aus der Ukraine mit in die Planungen einrechnen, genauso wie die kleineren Eingangsklassen im Grundschulbereich, die im Frühjahr beschlossen wurden und für einen erhöhten Lehrerbedarf sorgen“, sagte Jutta Schmitt-Lang, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Landtag.

„Die Ministerin muss jetzt einerseits kurzfristig handeln, aber auch im kommenden Haushalt den steigenden Bedarf in einem deutlichen Aufwuchs an Stellen abbilden. In einem ersten Schritt muss sie die Lehrkräfte aus der Corona-Reserve entfristen und ihnen damit auch eine langfristige Perspektive bieten“, so Schmitt-Lang.

SPD-Bildungspolitikerin Martina Holzner sieht dagegen die CDU in der Verantwortung. „Die Vorwürfe von Jutta Schmitt-Lang treffen die falsche Person. Sie weiß genau, dass Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot lediglich Stellen besetzen kann, die im Doppelhaushalt für die Jahre 2021 und 2022 vorgesehen sind. Der aktuelle Haushaltsplan ist ein Resultat der vorherigen Legislatur, in der wir einen CDU-Finanzminister hatten, der einen weiteren Ausbau der Lehrkräftestellen teilweise verhinderte.“ Recht habe die CDU allerdings damit, dass für die bevorstehenden Herausforderungen mehr Lehrkräfte benötigt würden. Die SPD-Landesregierung berücksichtigte das im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr, indem sie „146 neue Vollzeitstellen zur Verfügung stellt“.

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Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Jungen Liberalen im Saarland zweifeln derweil am Konzept der Landesregierung. „Durch die vielen befristeten Stellen ist der Beruf des Lehrers beziehungsweise der Lehrerin im Saarland im Vergleich zu benachbarten Bundesländern, in denen es mehr unbefristete Stellen gibt, nicht lukrativ. Deshalb müssen auch im Saarland zwingend mehr unbefristete Stellen ausgeschrieben werden“, fordert der Landesvorsitzende der Liberalen Schüler Saarland, René Weber.

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