Aus für kostenlose Nutzung von Ladestationen für E-Autos Saar-Landtagspräsidentin schaltet Gratis-Strom für Abgeordnete und Mitarbeiter ab

Exklusiv | Saarbrücken · Auf Kosten der Steuerzahler konnten Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und auch mindestens drei Parlamentarier bislang ihre Elektroautos oder Hybrid-Fahrzeuge laden. Jetzt hat Landtagspräsidentin Heike Becker (SPD) zumindest vorerst die dafür reservierten zwei Ladestationen in der Tiefgarage gesperrt. Die Hintergründe.

 In der Tiefgarage des Saar-Landtages gibt es Ladestationen für E-Autos, die die Mitarbeiter des Landtages bislang nutzen konnten.

In der Tiefgarage des Saar-Landtages gibt es Ladestationen für E-Autos, die die Mitarbeiter des Landtages bislang nutzen konnten.

Foto: BeckerBredel

Schluss, aus und vorbei ist zumindest vorläufig das Gratis-Tanken für Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und für mindestens drei Abgeordnete, die mit privaten Elektro- und Hybridfahrzeugen unterwegs sind. Auf Anordnung von Landtagspräsidentin Heike Becker (SPD) – seit April im Amt –, wurde die weitere Nutzung der ursprünglich für Mitarbeiter reservierten zwei Ladestationen in der Tiefgarage untersagt. Nur noch Dienstwagen des Parlamentes dürfen dort weiter auf Kosten des Steuerzahlers geladen werden. Für Regierungslimousinen stehen diese Stromtankstellen grundsätzlich nicht zur Verfügung.

Insgesamt verfügt der Landtag über fünf solcher Stationen, von denen drei ausschließlich für eigene, beziehungsweise Fraktionsfahrzeuge vorgesehen waren. Die jüngste E-Ladestelle wurde, so die Auskunft der Verwaltung, im August 2021 in Betrieb genommen, die älteste im November 2016. Einschließlich der Installationskosten wurden 11 129 Euro bezahlt. Zuschüsse, etwa aus der Bundeskasse, flossen nicht.

E-Autos kostenlos aufgeladen – bis jetzt

Mindestens ein Jahr konnten also Privatwagen im Parlamentsgebäude des Haushaltsnotlage-Landes kostenlos mit Strom getankt werden. Als Großkunde genießt die vom saarländischen Steuerzahler finanzierte Landtagsverwaltung bei ihrem Versorger Energie-SaarLorLux derzeit einen Sondertarif. 18,6 Cent werden pro Kilowattstunde (kWh) in Rechnung gestellt, wurde auf Anfrage mitgeteilt. Bei den aktuell explodierenden Energiepreisen sicher ein Schnäppchen.

Wie es der Zufall mitunter so will, wurde das Thema Gratisstrom für E-Autos ausgerechnet an dem Tag im erweiterten Präsidium des Landtags thematisiert, da dort ein umfangreicher Fragenkatalog unserer Zeitung zur Nutzung der Ladestationen einging. Ein Zusammenhang zwischen Anfrage und der Präsidiums-Tagesordnung sei nicht gegeben, heißt es.

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Frage der „Sparsamkeit im Umgang mit Steuergeldern“

Jürgen Renner, Leiter des Präsidialbüros von Präsidentin Becker, nennt unter anderem „rechtliche Fragestellungen“ als Grund. Es müsse geprüft werden, ob das bisherige Vorgehen „den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Umgang mit Steuergeldern entspricht“. Genau dies sollen jetzt der Landesrechnungshof und das Finanzministerium prüfen. Bis das Votum der Rechnungshof-Kontrolleure vorliegt, werde der Gratis-Strom quasi abgeschaltet, gekappt. Die weitere Nutzung der beiden ausdrücklich „für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ reservierten Ladestellen wurde vor gut zwei Wochen per Mail an die Belegschaft und Parlamentarier untersagt.

Eine SPD-Abgeordnete aus dem Landkreis St. Wendel hat die Botschaft angeblich nicht rechtzeitig erreicht. Es existieren Fotos, auf denen ihr roter Renault auch am Tag nach der Verfügung der Präsidentin noch an die Ladestation angeschlossen war. Die Neu-Parlamentarierin war wohl mit der Stoppuhr unterwegs. Über Fraktionssprecherin Marija Herceg lässt sie ausrichten, „in Kenntnis des neuen Sachverhaltes“ sei der Ladevorgang „umgehend“ nach etwa 20 Minuten beendet worden. Persönlich war die Abgeordnete nicht bereit, Fragen zu beantworten. Sie verwies an die Pressesprecherin.

Drei Abgeordnete aus dem Saarland hatten Ladekarten erhalten

Teilweise widersprüchlich sind derweil die Antworten der Landtagsverwaltung und der Fraktionen von SPD und CDU. Beckers Sprecher und Bürochef Renner korrigierte nach Rückfragen zwar eine erste Aussage, wonach die Nutzung der Ladestellen „bislang“ ausschließlich für Mitarbeiterfahrzeuge und Dienstwagen des Parlamentes gestattet war und nicht für Autos von Abgeordneten. Drei Parlamentarier (nach SZ-Informationen zwei von der SPD und ein CDU-Politiker) hätten, so Renner später, auf Nachfrage aber von der Verwaltung entsprechende Ladekarten erhalten. Zuvor hatte der Sprecher aber auch mitgeteilt, die Stationen seien technisch nicht so ausgestattet, dass registriert werde, wer wann und wie lange Strom tankt. Und: Es fehle die Technik, um etwa zu erfassen, wie viele kW/h monatlich abgegeben wurden.

Übereinstimmend melden derweil CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Kohl und SPD-Sprecherin Herceg, die betroffenen Parlamentarier, denen Ladekarten überlassen wurden, seien davon ausgegangen, dass ihnen die Stromkosten von der Verwaltung in Rechnung gestellt wurden. Herceg spricht von so genannten „RFID-Karten“, welche dazu dienen, eine individuelle Nachvollziehbarkeit der geladenen Kilowattstunden und Abrechnung „zu ermöglichen“. Keineswegs hätten die Parlamentarier „kostenlos“ aufgeladen.

Wer hat wann wie viel Strom gezapft?

Rechnungen wurden nach SZ-Recherchen bislang aber wohl nicht erstellt. Es ist mehr als fraglich, ob dies überhaupt erfolgen kann – aus technischen Gründen. Die Landtagsverwaltung prüft angeblich jetzt erst, ob überhaupt ermittelt werden kann, wer wann und wie viel Strom gezapft hat. Der Steuerzahler, davon ist demnach auszugehen, ist für die Parlamentarier zumindest bis auf weiteres in Vorlage getreten.

Eine weitere spannende Frage bleibt derweil offen. Nach dem Abgeordnetengesetz kassieren Landtagsabgeordnete, deren Diäten ab Dezember auf 6413 Euro und die Aufwandsentschädigung auf 1500 Euro monatlich erhöht werden, zudem Fahrtkostenzuschüsse. Dies gilt nur für Parlamentarier ohne Dienstwagen. So stehen etwa Abgeordneten aus den Landkreisen St. Wendel und Merzig-Wadern monatlich 128 Euro zur Verfügung. Zusätzlich zahlt der Steuerzahler Kilometergeld (29,5 Cent) für 16 Fahrten vom Wohnort zum Landtag und zurück pro Monat.

Haben die Parlamentarier also möglicherweise doppelt profitiert, vom Gratis-Strom in der Tiefgarage und vom Fahrtkostenzuschuss? Landtag, CDU- und SPD-Fraktion blieben entsprechende Auskünfte bislang schuldig.

Bleibt noch, das ehrenwerte Ziel festzuhalten, warum die Landtagsverwaltung zu Zeiten der großen Koalition von CDU und SPD überhaupt entschieden hatte, als „attraktiver Arbeitgeber“ die Gratis-Ladesäulen für die Mitarbeiter freizugeben. Renner dazu: „Damit sollte den Klimaschutzzielen der Bundesregierung entsprochen werden.“

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