Klimaaktivistin Luisa Neubauer Von Merkel und den Grünen enttäuscht

Saarbrücken · Luisa Neubauer, die Sprecherin von Fridays for Future Deutschland, findet im SZ-Gespräch klare Worte, warum es beim Klimaschutz hakt.

Luisa Neubauer, deutsches Gesicht von Fridays for Future, beim Redaktionsgespräch in der SZ.

Luisa Neubauer, deutsches Gesicht von Fridays for Future, beim Redaktionsgespräch in der SZ.

Foto: Robby Lorenz/ROBBY LORENZ

Die Klimaaktivistin und Sprecherin von Fridays for Future Deutschland, Luisa Neubauer, kritisiert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), richtet aber auch einen klaren Appell an sie. Beim Redaktionsgespräch mit der SZ am Montagnachmittag äußerte sich die 23-Jährige sehr selbstbewusst und schlagfertig über die Bundeskanzlerin, ihre eigene Partei die Grünen, die Europawahl und die Perspektiven der Klimaschutz-Bewegung. Im Anschluss besuchte Neubauer eine Veranstaltung in der Stiftung Demokratie Saarland in Saarbrücken.

Blamabel sei es, dass Merkel die vorgebrachten Lösungen zur Klimakrise auf dem EU-Gipfel im rumänischen Sibiu vergangene Woche als zu ambitioniert bezeichnete. Oder, dass sie „in der Union keine klare Ansage“ mache. Das sei eine Katastrophe und man könne von ihr nur enttäuscht sein. Das entlasse Merkel aber nicht aus ihrer Verantwortung. „Sie hat nichts mehr zu verlieren und ist in den letzten Jahren ihrer Amtszeit in der bequemen Position sich für ganz viele Veränderungen auszusprechen“, so Neubauer.

Letztlich arbeite derzeit keine Partei im Deutschen Bundestag ambitioniert genug an der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Auch die Grünen nicht, zu deren Parteimitgliedern Neubauer zählt. Dass Anhänger der Fridays for Future-Bewegung Wähler der Grünen seien, wie die Grünen-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Ska Keller, in einem Gespräch mit unserer Zeitung vergangene Woche sagte, sei nicht der Fall. „Die Grünen haben sich immer mit Klimaschutz befasst, damit sind sie aber nicht weit genug gekommen.“ Vielmehr seien sie zu einer Mainstream-Partei geworden, die ein „Wohlfühlprogramm“ und inklusive Sprache nutze. Das wirke sich laut Neubauer zwar positiv auf Umfragewerte aus, verschließe aber die Augen vor der Realität. Als Aktivistin bei Fridays for Future sieht sich Neubauer in der Position, ihrer Partei nun etwas „in den Hintern zu treten“.

Dass der Klimaschutz bei der Europawahl nun einen so hohen Stellenwert einnimmt, sei ein klarer Verdienst der Schüler-Bewegung, ist sich Neubauer sicher. Von einer Fridays for Future-Partei hält sie allerdings nicht viel – auch, weil sie keine Profis seien und weil die Zeit dränge. Die etablierten Parteien seien in Zugzwang. Allein im Dezember dieses Jahres müsse die Bundesregierung ein starkes Konzept beim Klima-Gipfel in Chile auf den Tisch legen. Außerdem benötigen „wir in den kommenden fünf bis zehn Jahren so viele Veränderungen, so dass wir schlicht auf die etablierten Parteien setzen müssen.“ Das hätte in der Vergangenheit mit dem Atomausstieg und dem Aufbau der Solarbranche auch funktioniert.

Dass es nun beispielsweise beim Kohleausstieg so schleppend vorangehe, sei unverständlich. „Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Wir haben die Instrumente für Veränderungen.“ Ein Kohleausstieg sei laut Neubauer wirtschaftlich, finanziell und sozialpolitisch umsetzbar. Die Diskussion um die vielen Jobs, die dabei auf dem Spiel stehen, bezeichnet Neubauer als Kalkül. Denn es gebe eine Vielzahl an Möglichkeiten wie Umschulung oder Frührente. Dass Deutschland seinen Reichtum gerade seiner Position als einer der führenden Industriestandorte zu verdanken hat, und mit den Forderungen der Klimaaktivisten diese finanzielle Grundlage aufs Spiel gesetzt wird, verneint Neubauer.

Die Idee, den Klimaschutz in den privaten Bereich zu verschieben „finde ich eine gruselige Vorstellung“. Klar sei es gut, wenn jeder Verbraucher zu einem besseren Klima beitrage, aber das reiche nicht aus. „Wir leben in Strukturen, in denen es unmöglich ist, alles richtig zu machen Das ist belastend. Außerdem entlastet die Beschränkung auf das Individuelle die Unternehmen und die Politik.“ Vielmehr sei ein anderer Ansatz nötig, um Klimaschutz zu rechtfertigen. Am Freitag, 24. Mai, findet aus diesem Grund ein europaweiter Schüler-Streik statt, den die Bewegung in Deutschland initiiert hat. In Saarbrücken ist eine große Demonstration geplant, sagte Jil Kalmes von Fridays-For-Future-Saarland.

Jil Kalmes, Saarbrücker Vertreterin von Fridays for Future

Jil Kalmes, Saarbrücker Vertreterin von Fridays for Future

Foto: Robby Lorenz/ROBBY LORENZ

Wie wichtig eine Kooperation für die Zukunft der Klimabewegung ist, zeigte die Veranstaltung am Montagabend in der Demokratie Stiftung Saar. Neubauer, Fridays for Future Saarland, Schüler- und Elternvertretungen, Landesjugendring, die Regionale Netzstelle Nachhaltigkeitsstrategien West und der Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik stellten sich der Diskussion mit Bürgern und Politikern.

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