Bei laufendem Betrieb Auch Industriegelände bieten der Natur Lebensräume

Püttlingen · Feldbiologe Bernd sagt, dass Gottesanbeterinnen und Orchideen neben Baggern an der Sandgrube in Püttlingen gedeihen.

Im ersten Moment mag der Ansatz von Christoph Bernd verwundern. Der Feldbiologe betreibt nämlich seine Artenschutzmaßnahmen auf Industriegeländen – bei laufendem Betrieb. So etwa in der Sand- und Kiesgrube der Firma Schmeer in Püttlingen. Das wirft natürlich Fragen auf. Etwa, wieso ausgerechnet Eingriffe des Menschen in die Natur einen Lebensraum für seltene Arten schaffen sollten. „Es gibt da ein massives Problem in der Denkweise“, meint Bernd. „Die meisten Leute denken, dass der Wald heilig ist, weil sie ihn praktisch mit der Natur gleichsetzen.“

Die Firma Schmeer hatte sich im vergangenen Jahr den Zorn von Naturliebhabern zugezogen, als sie den Antrag stellte, wegen einer Erweiterung ein Waldstück roden zu dürfen. Das hatte eine Bürgerinitiative auf den Plan gerufen, die massiv protestierte. Die Firma zog daraufhin im Januar ihren Antrag zur Erweiterung zurück, „weil wir nicht wie Schwerverbrecher behandelt werden wollen“, wie Anja Schmeer heute sagt. Sie leitet mit ihrem Bruder und ihrem Vater die Firma und weist auf die Preise hin, die mit dem Artenschutzprogramm schon gewonnen wurden.

Hans-Walter Ihl, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, sagt heute, man habe nichts gegen die Firma und schon gar nicht gegen das Artenschutzprogramm. Auch der Vorsitzende der Naturschutzbund-Gruppe Köllertal, Hans Joachim Schmitt, schätzt prinzipiell die Aktivitäten der Firma in Richtung Artenschutz. Nur sollten seiner Ansicht nach die Sandgruben offen bleiben und nicht mehr gefüllt werden. Bäume könnten auf der Verfüllung nicht gut wurzeln.

Das fände wiederum Christoph Bernd gar nicht schlimm. Denn viele Arten fühlten sich eben nicht im Wald, sondern auf sogenannten Freiflächen wohl, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden. Und genau davon hat das Gelände der Firma sehr viel zu bieten. 2016 nahm die Firmenleitung Kontakt zu Bernd auf – einfach um zu wissen, welche Arten vorhanden sind und wie die Artenvielfalt unterstützt werden kann. Der Freilandforscher machte sich sofort an die Arbeit, so wie er das schon bei Homburg auf dem Gelände der Firma Bahnlog und seit Neuestem auch auf unterschiedlichen Abbauflächen der Firma Omlor tut.

„Das Artenschutzprogramm soll während des laufenden Betriebs stattfinden, weil schon da wertvolle Lebensräume entstehen. Wenn man da mit Augenmaß und ein bisschen Fingerspitzengefühl rangeht, kann man die Artenvielfalt schon früher aufbauen, nicht erst nach der Renaturierung.“ Außerdem: Wenn Bernd ein neues Amphibienlaichgewässer braucht, stehen die Bagger der Firma schon bereit.

Beim Rundgang über das Gelände zeigt der Feldbiologe zunächst einen größeren Bestand der seltenen Eselsdistel, den er durch geschicktes Artenschutz-Management aufbaue. Eine Steppenrasenfläche beherbergt Orchideen und die ebenfalls seltene Hundszunge. Im Sommer könne man hier Gottesanbeterinnen und Heuschreckenarten beobachten, darunter die Grüne Strandschrecke, die hier zum ersten Mal im Saarland gesichtet wurde. „Sand- und Kiesgruben sind heutzutage sehr wichtige Rückzugsräume, die mit einem zielgerichteten Biotop- und Artenschutz-Management ganz erheblich dazu beitragen können, die Artenvielfalt zu schützen und dauerhaft zu erhalten“, sagt Bernd.

Der Vorführeffekt sorgt wohl dafür, dass keine Ringelnatter, keine Wechselkröte und kein Kolkrabe zu sehen ist – doch auch die gibt es hier, versichert Bernd. Leicht zu finden ist die Larve der Ameisenjungfer, der Ameisenlöwe: Dieses Insekt sitzt auf dem Boden eines selbst gebauten Trichters aus Sand und wartet darauf, dass eine Ameise hineingerät. Sand gibt es naturgemäß genug auf dem Gelände; Bernd hat mit einem kleinen Dach dafür gesorgt, dass die Ameisenlöwen vor Regen verschont bleiben.

In einem kleinen Gewässer am Rand des Geländes springen Seefrösche reihenweise vom Ufer ins Wasser. Besonders freut sich Bernd, dass sich von alleine die Bocks-Riemenzunge, eine besonders große Orchideenart, angesiedelt hat. Die Sandgrube Schmeer liege genau zwischen zwei weiteren Vorkommen im Saarland. Auch eine im Saarland eigentlich ausgestorbene Vogelart, der Steinschmätzer, wurde auf dem Firmengelände über einen längeren Zeitraum beobachtet. Was aber würde passieren, wenn die Firma in einem Bereich arbeiten möchte, in dem sich schon seltene Arten angesiedelt haben? „Genau dafür bin ich da, dass so etwas nicht passiert“, sagt Bernd. „Ich schaffe den Tieren dort Räume, wo sie nicht gefährdet sind.“

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