Saar-Parteien zur Wahl Die Grünen, das Zünglein an der Waage?

Saarbrücken · In den Wahlergebnissen auf Kreis- und Gemeindeebene sehen die Saar-Parteien keinen Grund zum Umsteuern.

 Im Landtag derzeit nicht vertreten, in den Kommunen „kein kleiner Juniorpartner mehr“: die Grünen, hier Barbara Meyer-Gluche und Markus Tressel.

Im Landtag derzeit nicht vertreten, in den Kommunen „kein kleiner Juniorpartner mehr“: die Grünen, hier Barbara Meyer-Gluche und Markus Tressel.

Foto: BeckerBredel

Offensichtlich sind die Saarländer gutmütiger und geduldiger als die Bürger in anderen Bundesländern. Der Katastrophen-Sturzflug der beiden großen Volksparteien blieb sowohl auf Europa- wie auf Kreis- und Gemeinde-Ebene aus, und das ersparte den Fraktions-Chefs von CDU und SPD bei der gestrigen Wahl-Nachlese im Saarbrücker Landtag das große Zerknirschungs-Kino. Im Gegenteil.

Sowohl Alexander Funk (CDU) als auch Stefan Pauluhn (SPD) wirkten aufgeräumt, werteten die Kreistags-, Kommunalwahl- und Direktwahl-Ergebnisse als Bestätigung für die eigene Basisarbeit sowie für die Arbeit der großen Koalition im Saarland. Pauluhn hob hervor, die Saar-SPD habe das bundesweit zweitbeste Ergebnis für die Europawahl eingefahren, liege acht Prozent über dem Trend. Sogar den rund 20-prozentigen Erdrutsch-Verlust der Saarbrücker Genossin Charlotte Britz sieht Pauluhn nicht dramatisch. Bei der zersplitterten Parteien-Situation sei eine Stichwahl nahezu zwingend, „ein Überflug“ nicht erwartbar gewesen. In die Stichwahl gehe Britz als klare Favoritin, auch für Neunkirchen prophezeit der SPD-Fraktionschef einen roten Stadtchef.

 SPD-Fraktionschef Pauluhn war nicht zerknirscht.

SPD-Fraktionschef Pauluhn war nicht zerknirscht.

Foto: BeckerBredel

Ähnlich positiv die Sicht des Unions-Kollegen auf die kommunalen CDU-Resultate, Funk sprach von „Licht und Schatten“, wobei die Siege in seiner Aufzählung überwogen, unter anderem in Bexbach, Großrosseln und Eppelborn. Als einziges „bitteres“ Ergebnis wertete der CDU-Mann den Wahlausgang in Gersheim. Kritische Anmerkungen kamen zur Weichenstellung im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, etwa zur Reaktion auf das Youtube-Video von Rezo, auch sei man in dem allein von grünen Themen dominierten Wahlkampf mit der Botschaft nicht durchgedrungen, dass nur die CDU die Partei sei, die Industriepolitik mit der Ökologie versöhne.

Auch Pauluhn gestand für die Bundespartei ein, man habe wohl „nicht die richtigen Antworten auf die Fragen der Zeit“ gefunden, habe „unnötige Privatisierungsdebatten“ geführt. Dennoch sei es für Personaldebatten „der absolut falsche Zeitpunkt“. Womöglich seien Letztere mit ein Grund für die Misere: „Es wird öfter gewechselt als auf dem Fußballfeld.“ Pauluhns Rat: „Wir müssen wieder in der Breite zu den Menschen gehen, wir müssen heimisch sein in den Milieus.“

Zufriedene Gesichter brachten auch FDP und AfD mit in die Journalistenrunde. FDP-Landeschef Oliver Luksic sprach von einem „ordentlichen Ergebnis“, man habe sich auf Kreistagsebene im Vergleich zu 2014 um 1,8 Prozentpunkte auf 4,2 Prozent gesteigert. Durch insgesamt 86 Mandatsträger auf kommunaler Ebene werde die FDP wieder sichtbarer. Als bemerkenswerteste Ergebnisse nannte er Lebach (12,2 Prozent) und Neunkirchen (5,8 Prozent), dort habe die FDP gemeinhin einen schweren Stand. Dass auf Bundesebene für die FDP bei dieser Europawahl die Bäume nicht in den Himmel wuchsen, führt er auf die nicht realisierbare „Mobilisierung“ durch liberale Stamm-Themen wie Wirtschaft oder Digitalisierung zurück.

Auch der AfD-Fraktionschef und Landesvorsitzende Josef Dörr erklärte: „Wir sind sehr zufrieden“, trotz eines unterdurchschnittlichen Europawahlergebnisses (9,6 Prozent im Saarland, elf Prozent bundesweit). Statt in elf sei man nun in 24 Kommunen vertreten, sagte er, überall, wo man angetreten sei, habe man Fraktionsstärke erreicht. Er bedauere, dass die „Europafreundlichkeit“ seiner Partei nicht rübergekommen sei. Den Erfolg der Grünen könne er jedoch „neidlos“ anerkennen. Die Menschen hörten gerne einfache Botschaften, hätten ob der Klimaschutz-Frage übersehen, dass die Grünen für eine „verantwortungslose“ Zuwanderungspolitik stünden, so Dörr.

Für die Grünen wiederum beginnt ab heute eine neue Ära. Auf Kreistags­ebene konnten sie von 6,1 (2014) auf 12,6 Prozent zulegen, in 46 Gemeinderäten dürfen sie mitreden, ja sie seien jetzt oft sogar „das Zünglein an der Waage“, wenn es um Koalitionen gehe, so der Landesvorsitzende Markus Tressel und die Saarbrücker OB-Kandidatin Barbara Meyer-Gluche, deren Fraktion sich in der Landeshauptstadt nahezu verdoppelte, auf 19,9 Prozent. „Wir sind kein kleiner Juniorpartner mehr“, sagte sie. Tressel hob hervor, das Top-Ergebnis sei nicht nur dem Klimaschutz-Hype geschuldet, die Grünen hätten auf Landesebene enormen Mitgliederzulauf. Die Volksparteien hätten über Jahre zu viel Kredit verspielt, die Ära selbstverständlicher Besitzstandswahrung sei vorbei. Als Beispiel nannte er Mettlach, wo die Grünen von Null auf 7,2 Prozent hochschnellten. „Wir erleben bei den Bürgern einen thematischen Erdrutsch. Es hat ein Bewusstseinswandel stattgefunden.“ Die Grünen erwarten also ein stabiles Hoch.

Ganz anders die Linke, für die Fraktionschef Oskar Lafontaine sprach. Die Linke habe wegen der innerparteilichen Spaltung die eigene Klientel, Arbeitnehmer und Arbeitslose, nicht genügend ansprechen, habe die Verluste der SPD nicht für sich nutzen können. Auch sei die „Fehlstruktur“ der medialen Debatte Schuld daran, dass die grundsätzliche Fehlentwicklung in Deutschland und Europa, die „Dauerenteignung der Armen“, nicht in den Fokus der Wähler rücke.

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